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Fantastische Tierwesen tanzen durch eine öde Welt

Mensch oder Tier oder Pflanze? Luvos-Wesen sind vor allem lebendig.

Es ist die Luvos-Welt, die die Choreografin Editta Braun mit ihrer Company jetzt auch im Film entstehen lässt. Lange bevor die „Phantastischen Tierwesen“ 2016 auf der Kinoleinwand erschienen sind, haben faszinierende, fremdartige Wesen – Tier oder Mensch, Pflanze oder Alien? – in Senegal ihre Premiere gefeiert. Der Urknall ereignete sich 1985. Inzwischen hat sich das Luvos-Universum über ganz Europa und darüber hinaus ausgedehnt und hat neben der Tanzbühne auch Film und Fernsehen erobert. Im Film „LUVOS migrations“ wandern die langbeinigen Wesen auch über Kinoleinwand.

"Luvos vol. 2", 2001. © Jo GrabowskiDen Anfang hat ein Kollektiv rund um Editta Braun und Beda Percht gemacht. Mit Salzburger Sportstudentinnen entwickelten sie für das Tanzstück „Lufus“ eine spezielle Bewegungsästhetik und gewannen damit 1986 im Concours chorégraphique international de Bagnolet/Paris den zweiten Platz sowie den Festivalpreis für die innovativste Choreographie. Die Uraufführung des Stückes hatte während eines Fortbildungsaufenthalts des Kollektivs in Fanghoumé im Süden Senegals stattgefunden. Germaine Acogny, die Grande Dame des Afrikanischen Tanzes, hatte die jungen TänzerInnen im Verlauf des Workshops eingeladen, das Stück für ihre Großmutter zu tanzen. Choreografin Editta Braun an  der Arbeit. Ausschnitt aus dem Bonusfilm "Making of Luvos migartions von Maja Mirek. Der Erfolg im renommierten Choreografie-Wettbewerb von Bagnolet weckte das Interesse der ORF-Kulturredaktion, und für die längst sanft entschlafenen Kunststücke wurde ein Tanzvideo gedreht. „Acht Männer und Frauen, fast nackt im Gegenlicht, die Bühne mit Erde, die Haut mit Luvos Heilerde bedeckt (der Name der Heilerde Luvos gab der Produktion ihren Namen), isolierte Gliedmaßen in ungewöhnlicher Perspektive, nackte Beine, Rücken, Hintern, reglos, dann langsam schwankend, zitternd, zuckend… bis hin zum kreatürlichen Hüpfen, Wabern, Rollen und Stampfen urzeitlich wirkender Wesen mit befremdlicher Maske. Komponist Thierry Zaboitzeff: "Aria Primitiva" @ Arge Kultur Salzburg. ©  Editta BraunDazu die Musik der Formation Art Zoyd, deren Ko-Komponist Thierry Zaboitzeff später zum kongenialen Musikschaffenden für die Company werden sollte.“ (Editta Braun)
„Luvos“ ist nicht nur ein Tanzstück in mehreren Variationen, sondern auch eine von Editta Braun mit ihrer Company e b c und dem Komponisten Thierry Zaboitzeff entwickelte Bewegungsästhetik, die über die gewohnte zeitgenössische Tanztechnik weit hinausgeht. In der LUVOSmove®-Reihe sind bisher sieben Bühnenstücke und einige Videos entstanden. Bitte genau schauen: Auf dem Balken in der Mitte hinten sitzt ein fragiles Wesen. © Filmstill"LUVOS migrations" ist der erste professionell gemachte LUVOS-Film. Die Ästhetik dieses rein weiblichen Körperillusionstheaters bleibt immer gleich, die Tänzerinnen der e b c sind darauf spezialisiert, Inhalte und Assoziationen variieren. „Luvos, Vol. 2“ war 2001 als Kommentar zu den Auswüchsen der Gentechnik zu lesen, danach wurde Luvos zu den getanzten Gedanken und Gefühlen einer Konzertpianistin oder zur faszinierenden Welt unter Wasser.  Die unendliche Geschichte von Luvos ist auf der Site der e b c nachzulesen. "LUVOS migrations": Arachnoiden ähnlich kriechen fremde Organismen auf der Autobahn. @ Filmstill Im aktuellen Film tummeln sich die Luvos-Wesen auf der Erde und im Wasser, am leeren Strand und in öden Städten, erforschen Ruinen und Maschinenhallen, tummeln sich auf leeren Autobahnen, turnen auf den Bäumen im Urwald, balancieren auf Brücken und baden im Wasserfall. Es sind nur vier Tänzerinnen, die sich zu einem einzigen vielbeinigen Alien zusammenballen und gleich danach zu einer endlosen Karawane bizarrer Spinnentiere vermehren. "LUVOS migrations":  Im Urwald. © FilmstillUnbeirrt gehen sie ihrer Wege und führen die Zuseher in eine menschenleere, verwüstete Welt, die, gesehen durch das Objektiv von Kameramann Menie Weissbacher, eine seltsame, durchaus attraktive Atmosphäre ausstrahlt."LUVOS migrations" im Kino. © Filmplakat Diese tote Welt haben sie als die ihre erobert.
„LUVOS-migrations“ nennt Braun den Kurzfilm. Doch diese fremdartigen, überaus beweglichen Organismen – vom Instinkt geleitet oder doch denkende, selbstbewusste Individuen? – sind nicht bedrohlich, sie wecken Interesse und Neugier, könnten zu Freundinnen werden und sogar Trösterinnen. Am Ende des Films, der durch die Kompositionen von Thierry Zaboitzeff und das präzise Lichtdesign von Thomas Hinterberger maßgeblich bestimmt wird, sind sie ein Verband von leuchtenden Seesternen, die am Strand von Kenia ihre Arme dem Himmel entgegenhalten.

editta braun company: „LUVOS migrations“
Kurzfilm von Editta Braun & Menie Weissbacher. Musik von Thierry Zaboitzeff. Getanzt von Martyna Lorenc, Anna Maria Müller, Sonia Borkowicz, Berta Ramírez.
Premiere mit anschließendem Künstlerinnen-Gespräch am 22. 11.
Das Kino, Salzburg
Fotos: e b c