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Elina Lautamäki: Wundervolle Zeitverschwendung

Elina Lautamäki: Absolut keine Zeitverschwendung.

Seit mehr als zehn Jahren belebt die finnische Sängerin und Musikpädagogin Elina Lautamäki die Performanceszene. Meist mit anderen in der Gruppe, doch wagt sie sich auch allein auf die Bühne. Was für eine wunderbare Zeitverschwendung / what a wunderful waste of time nennt sie ihre Performance, die sie ein Jahr nach der Premiere im Ateliertheater für zwei Abende wieder aufgenommen hat.

 

Elina Lautamäki: Auf der Bühne ist sie für eine Stunde der Narr.Elina Lautamäki setzt sich die Narrenkappe auf und zieht die roten Strümpfe an. Sie will vom Narren erzählen, der eine wandelbare, man könnte auch sagen, zwielichtige Figur ist. Als Joker überall einsetzbar, stellt er sich dumm, obwohl er recht klug ist; er grinst die Menschen an, obwohl er sie nicht leiden kann. In seinem bunten Gewand steckt eine schwarze Seele, dennoch wird er geliebt, weil er die Menschen zum Lachen bringt. Mit seiner Kreativität ist er der Freund der Künstlerinnen, wie so viele von ihnen, passt er nicht ins System, und ob er die Wahrheit spricht oder hinter seinem Witz eine Lüge verbirgt, weiß man nicht. Der Narr kennt keine Grenzen, er verbirgt sich hinter einer Maske, doch den Menschen reißt er sie vom Gesicht. Und gelegentlich hinterlässt er blutige Schuhabdrücke.Gesang gehört bei Elina Lautamäki immer dazu. Rechts einer der großartigen Fotovorhnge von Helene Payrhuber.

Der Narr (eine Bühnen-, Film- und Romanfigur, eine Rolle, in Typus, ohne Geschlecht!), in welcher Verkleidung er auch daherkommt, ist jedenfalls eine interessante Figur, Elina Lautamäki will ihn auf die Bühne bringen und sich dabei das Recht nehmen, sich keinem Genre zu verpflichten. Sie plaudert und singt, schlägt die Klaviertasten an, tanzt und posiert als Narrenfigur. Locker zitierend ihre Inspirationsquellen anklingen zu lassen und sich vertrauensvoll an das Publikum zu wenden. Seit Lautamäki in Wien lebt, hat sie auch den Tanz für sich entdeckt und ist bei Matan Levkowich, Andrea Nagl und Tina Rauter. In die Lehre gegangen.Der Narr, der allen die Wahrheit ins Gesicht sagt, muss  auch sein eigenes Bild im Spiegel ansehen.
Seit der Uraufführung im Herbst 2023 hat sich sicher einiges verändert, auf der Bühne und auch im Leben der Künstlerin. Der Narr ist längst in den Hintergrund getreten, an der Rampe steht die professionelle Künstlerin und auch die private Frau und Mutter. Nur die gewollte Lässigkeit, das scheinbare Chaos auf der Bühne, wenn die Ausstatterin und Fotografin, Helene Payrhuber ihre Arbeit verrichtet, zeigen klar, dass eine Vorstellung zu sehen ist.  Dennoch agiert Payrhuber auf der Bühne als wäre (noch) niemand im Raum. Sie verschiebt und ordnet die Stangen mit den bunten Stoffbahnen, die mit Fotos von Augen, Händen, Beinen und dem Gesicht von Lautamäki bedruckt sind. Gelegentlich lässt die Künstlerin ihre Assistentin allein, sodass Payrhuber selbst zur Performerin wird, wenn sie ihre Stoffe umschichtet und für die wiederkehrende Darstellerin bereitlegt.
Wie in der Performance Feeling Home von Oleg Soulimenko und Frans Poelstra gibt es ein geordnetes Chaos auf der Bühne, das den von Zufälligkeit und Improvisation erweckt. Der Narr verheddert sich im selbst gesponnenen Garn. Die vierte Wand ist gefallen, selbst wenn der Ort der Aufführung ein ehemaliges Kino ist und die Zuschauer geordnet hintereinander in engen Reihen sitzen. Das Zusammenspiel von Wort, Musik und Ton, von Bühnenkünstlerinnen und Publikum lässt viel Raum mitzudenken, zu interpretieren und auch sich zu amüsieren. Es scheint fast, als würde sich eine neue Art der Bühnenkunst entwickelt, an der das Publikum beteiligt ist. Nicht, weil es mitspielen soll oder die Künstlerinnen die Bühne verlassen und sich belästigend unter die Zuschauerinnen mischen. Die Einladung zur Gemeinsamkeit passiert subtiler, feinsinniger und unverkrampft, wie es auch in Der Betrieb gelingt. Elina Lautamäki für die Einladungskarte  Fotografiert on Helene Payrhuber.
Auch wenn das, was zu sehen, zu hören und zu erleben ist, das woran das Publikum teilnimmt, in den genannten Projekten ganz unterschiedlich ist, ist die Tendenz begrüßenswert.
Die amerikanische Country-Band Alabama hat 2001  in einem Sommerhit die „wonderful wasted time … with my lover in reach“ besungen. Vielleicht definiert Elina Lautamäki die Zeit, die sie als Narr auf der Bühne mit den Gästen im Saal verbringt, mit dem Titel ihrer ambivalenten Performance als a wonderful wasted time.

Elina Lautamäki: what a wonderful waste of time, Performance im Ateliertheater, 5., 6.12. 2024.
Idee, Stückentwicklung, Performance: Elina Lautamäki
Stückentwicklung, Performance, Bühne, Kostüm: Helene Payrhuber
Dramaturgische Beratung: Frans Poelstra; Traum-Coach: Agnes Schneidewind; Outside eye: Inge Gappmaier; Aufnahme und Mix: Sebastian Radon; PR und Marketing: Julian Rank
Fotos: Helene Payrhuber, Barbara Mair​