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Daphna Horenczyk: Krumping gegen die Wut im Bauch
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Die Choreografin / Tänzerin Daphna Horenczyk ist von Gefühlen gebeutelt. Rage, die Wut, ist eines davon, so nennt sie auch ihr jüngstes Werk: Rage. Eine eindrucksvolle, energetische Performance mitten unter dem Publikum im großen Saal des WuK. Uraufführung am 12.2.
Der ganze Saal ist Bühne, zugleich auch der Raum für Zuschauerinnen. Daphna Horenczyk stampft in den Boden, muss die Wut herauslassen, der Welt den nackten A. zeigen. Krumping nennt sich dieser schnelle, kräftige Freestyle-Tanz, der, geht man an die Wurzeln in der afroamerikanischen Gemeinde South Central Los Angeles, aus einem Gebet gewachsen ist und als Gruppentanz von Frauen besonders wirksam ist. Daphna stampft, Flammen schießen empor, der Orkan peitscht die Palmen, wirft sie zu Boden. Besiegt kriecht sie vom niedrigen Podest, eines von mehreren, die im Saal verteilt sind, mitten ist Publikum hinein. Und ist eine andere, eine Influencerin, eine Popup-Designerin, eine Ich-AG mit piepsiger Stimme und herzeigbaren Klamotten. Diese scheinen eher vom Flohmarkt zu stammen, wo Hoch und Niedrig, Reich und Arm flaniert um ein Gustostückerl zu ergattern. Jetzt ist das Kostüm-Puzzle Design, davor war es die Hülle einer Hexe.
Die krumme Nase behält die Tänzerin den ganzen Abend. Den schwarzen Gummipenis, „it’s just a prop“ / „nur eine Requisite“, mit dem sie vor dem Publikumskreis wedelt, borgt sie gerne her, hat ihren Spaß daran. Von Erotik keine Spur. Von Horenczyks Frustration und Verärgerung allerdings genug. Recht plastisch macht sie mithilfe des Publikums deutlich, was sie so beeinträchtigt. Im sicheren Raum / Safe Space lässt sie eine Person ganz allein stehen, teilt das Auditorium in zwei Hälften, und fragt, ob wir nicht beides sein können, schwarz und weiß, warm und kalt, roh und gekocht.
Allmählich fügen sich die Szenen, die Daphna Horenczyk mit fröhlicher Energie inmitten der Zuschauerinnen und auch mit ihnen abspult, zu einer Performance mit vielfältiger Thematik zusammen. So wie die Künstlerin ihre Bühnenfiguren wechselt, zeigt sie auch ihre reichlich vorhanden Talente. Sie ist Tänzerin, Darstellerin, Sängerin („I am a Singer-Songwriter“ piepst sie ins Mikro), Komponistin, Kostümdesignerin, Schneiderin, Bühnengestalterin, Filmemacherin, Textautorin und ganz sicher noch vieles mehr. Nicht alles ist perfekt, doch ihre Grundkompetenz, die sie von vielen ihrer Kolleginnen abhebt, ob sie nun tanzt, singt, plappert oder sich für den Epilog zum selbst komponierten Lied auf dem mobilen Harmonium begleitet: Daphna Horenczyk ist authentisch. Was sie tut, sagt, zeigt ist sie selbst. Sie schwimmt auf keiner Welle, folgt keinem Trend, sondern bleibt immer bei sich. Wenn sie den Kreis im Saal auffordert, sich zu verbinden, Kontakt zu halten, eine Gemeinschaft zu werden und einander an den Händen zu halten, dann meint sie es so, und denkt dabei nicht nur an die Bühnenkunst.
Zu meinen, bei Rage gehe es zu wie in der Kirche und die Bühne sei mit einer langen Rede, die schriftlich auf der Videowand in kaum lesbaren Tempo abschnurrt, zur Kanzel geworden, ist ein fataler Irrtum. Zu Daphna Horenczyks Talenten zählt nämlich auch der Humor, die Ironie und die Gabe zur Selbstdistanz. So ist Rage nicht nur eine Theater-, Musik- und Tanzstück über Wut, Kränkung und Enttäuschung, sondern eine Komödie über den Zustand der Welt, über die Polarisierung und die Grenzen, die selbst in der Kunst gezogen werden. Sie aber, so singt sie zum Ausklang, dieser spannenden 80 Minuten, will alles sein und überall. Vielleicht das nächste Mal auch eine selfmade Dramaturgin, denn ein besseres Timing und eine sanfte Straffung der Szenen hätte dieser gut gelungenen, zugleich ernsthaften und unterhaltsamen Performance nicht geschadet. So oder so, die aufwändige Arbeit ist gelungen.
Daphna Horenczyk: Rage, eine Aufführung mit Tanz, Musik, Video, Schauspiel und Publikums Beteiligung
Konzept, Choreografie, Musik, Kostüme, Video, Bühne, Text, Performance. Daphna Horenczyk
Dramaturgie / Text: Tim Teitelbaum; Lichtdesign Bruno Pocheron; Technik: Stefano D’Alassio
13., 14., 14. Februar 2025, WuK.
Fotos: © Leo Kuraite