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Frans & Oleg: ein ernsthaftes, komisches Paar

Lässig in Leipzig: Frans Poelstra, Oleg Soulimenko.

Was ist Heimat? Wo sind wir zu Hause? Wo fühlen wir uns zu Hause? Mit der Performance Feeling of Home suchen Frans Poelstra und Oleg Soulimenko nach einer Definition von Heimat und Zuhause. Als Artisten in Residence haben sie dem heimatlichen Gefühl 2023 auf der Bühne in Leipzig nachgespürt. Am 27. 11. hat die heftig akklamierte Premiere im WuK stattgefunden.

Heute Abend Zirkus! Oleg Soulimenko und Frans Poelstra, Artisten in Residenz,  werben in Leipzig für Performance. Oleg & Frans oder Frans & Oleg, das klingt wie Laurel & Hardy (auf Deutsch billig und banal Dick & Doof genannt) oder Flanders and Swann, doch eigentlich sind die genannten Herren old fashion. Das Pingpong der Wörter gibt es nicht mehr, wäre zwischen Oleg & Frans auch ziemlich schwierig. Sie erzählen lieber Geschichten und spielen Fußball, werfen sich vielleicht auch eine Frisbeescheibe zu, als schwarz-weiß (dünn-dick, gut-böse …)-Duo aufzutreten ist nicht ihr Anliegen. Frans Poelstra und Oleg soullimenko an der Arabeit. OliverSTotz im Hintergrund.
Poelstra und Soulimenko sind kein festes, aber ein fantastisches Bühnenpaar. Sie sind komisch, auch wenn (oder weil) sie keine Witze erzählen. Sie verbergen den Ernst geschickt unter fröhlichem Esprit und vor allem – und das ist außergewöhnlich in der ausgetrockneten Performanceszene – sprühen sie vor Charme und Spielfreude. Wenn ich „Oleg & Frans“ denke (noch einmal, damit kein falscher Eindruck entsteht: Das Duo gibt es nicht, es ist meine Konstruktion, pure Fantasie), fallen mir Walter Matthau und Jack Lemmon ein, The Odd Couple, das seltsame Paar, in der Filmkomödie von Gene Saks 1968, nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Neil Simon. Frans Poelstra leistet Hilfestellung, damit Oleg Soulimenko souverän den Akkubohrer schwingen kann. Frans Poelstra leister Hilfe, wenn Oleg Sulimenki souverän den Akkubohrer schwingt.
Pardon für die Vergleiche, sie sind fehl am Platz, denn Oleg Soulimenko und Frans Poelstra sind einzigartig, allein oder im Doppel. In ihrem aufwändig gestalten Stück (wie immer baut Oleg als begnadeter Heimwerker die Bühne als Teil der Vorstellung auf) träumen sie sich zurück in die Kindheit und nach vor in eine neue Heimat. Die ist, das wird schnell klar, auf der Bühne. Ob diese in einer windschiefen Pawlatschen aufgebaut ist, oder im Gelände einer aufgelassenen Spinnerei in Leipzig. „Residenz“ nennt das Schauspiel Leipzig seine Dependance in der alten Baumwollspinnerei, einem von Kultureinrichtungen genutzten Gelände, ähnlich der ehemaligen Ankerbrotfabrik in Wien, die nach dem Umbau zum Kulturgelände unter „Brotfabrik Wien“ firmiert. In goldenen Hosen machen die Zwei ihre eigene Musik. Die Skluöptur ist fertig gebaut.
Die beiden Künstler sind keinesfalls „alte weiße Männer“, wie es im WuK-Programm zu lesen ist. Sie sind jung, fesch und in allen Hautfarben, auch wenn Poelstra, mit 70 der Ältere und Soulimenko, mit 64 der Jüngere, eine Brücke benötigen, um sich miteinander zu verständigen.  
Oleg Soulimenko, kommt aus „einem sehr großen, weit entfernen Land, in das er nicht mehr zurückkann“ und wohl auch nicht mehr zurückwill. Frans Poelstra, in den Niederlanden geboren, spricht nicht Russisch, doch weil seine Muttersprache dem Deutschen ziemlich nahe ist, tut er sich damit leicht.
Soulimenko mit Gitarre hinter dem Spiegel, Links Poelstra ohne Gitarre. Doch die Wörter sind nur ein Teil der Performance, sie machen Musik, mit Instrumenten, die sie nicht beherrschen, singen, obwohl kein Opernhaus sie engagieren würde; schaffen eine Skulptur, auch wenn keine Galerie sie ausstellen wird. Sie schwenken fantasievolle Fahnen und bauen fantastische Skulpturen, zeigen Bilder aus ihrer Kindheit, und es ist egal, ob sie echt oder erdacht sind. Sie unterhalten das Publikum multimedial, auf vielfältige Weise und regen es heimlich zum Nachdenken an.
Wenn sie sich in ihre goldenen Hosen zwängen, Oleg mit, Frans ohne Bauch, und die Hemden ausziehen, dann erinnern sie an die Zeiten, in denen nackte Haut auf der Bühne ein Tabu war. Rollentausch: Jetzt ist Poelstra der Gitarrist, Soulimenko bläst in den Gasrtenschlauch. In diesem Jahrhundert treten Tänzerinnen und Performerinnen scharenweise im Nacktkostüm auf. Das Nackerpatzl ist Usus geworden. Die Liste der Länder mit Zensur, wo Nacktheit auch im künstlerischen Kontext geahndet wird, ist recht lang.
Lässig und entspannt lassen die beiden Darsteller ihre durchdachte Show wie zufällig improvisiert aussehen. Doch, wie unter den komischen Dialogen, der fröhlichen Poesie und dem zärtlichen Humor jede Menge Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit versteckt ist, sind hinter dem geordneten Chaos und der scheinbaren Achtlosigkeit professionelle Arbeit, Engagement und die Lust am Spielen zu finden. Das Gefühl von Heimat, von Zuhause spüren Frans & Oleg, wenn sie auf der Bühne tanzen, singen, musizieren und plaudern.
Am Ende soll ein Konzert entstehen und dazu braucht das Doppel Hilfe. Der Komponist, Musiker und Zusammenarbeiter (Eigendefinition) Oliver Stotz erweitert das  Duo zum Trio. Und wenn das Licht ausgeht, brandet die Begeisterung hoch.

The Feeling of Home, 27., 28. November 2024, WuK.
Konzept, Performance, Music: Oleg Soulimenko, Frans Poelstra, mit Unterstützung von Oliver Stotz
Fotos: © Susann Friedrich