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Sööt / Zeyringer: Invisible Collection
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Die Unsichtbare Sammlung des Künstlerinnenduos Sööt / Zeyringer wird in einer wundersamen Audioperformance sichtbar gemacht. Wie das funktioniert, dass Anna Brus, Hilma af Klint oder die Höhlenmalerinnen aus der Unsichtbarkeit heraustreten, kann in einer bunten, entspannenden Stunden im Exhibit der Akademie der bildenden Künste bis 26.2. erlebt werden. Premiere / Uraufführung war am 15.2.
Unsichtbar sind vor allem Geister, Gedanken und auch sehr viele Frauen, nicht nur die alten, deren Kinder schon selbst Eltern sind, auch Künstlerinnen samt ihren Werken. Natürlich sind sie real vorhanden, die alten Frauen, die malenden Frauen, die schreibenden Frauen. Doch sie werden übersehen, negiert und als Künstlerinnen auch bestohlen. Unter der Beschützerpellerine eignen sich Ehemänner, Freunde, Agenten die Werke von Künstlerinnen an, erheben sie in den unbedankten Status einer Muse. Wer hat schon eine Muse gesehen? Eben, Musen sind unsichtbar und ihr Name hat keinen Verkaufswert. Die (Ehe-)Männer opfern sich, setzen ihren Namen unter das Gemälde und schon findet Käufer. Das Honorar gehört dem Eigner der Signatur.
Die Werke und Ideen des Duos Tina Sööt und Dorothea Zeyringer, sichtbar als Sööt / Zeyringer, kann keiner abstauben, viel zu originell, zu ideenreich und präzise vorbereitet und ausgeführt sind ihre performativen Arbeiten. Auch die bekannte nordamerikanische Malerin Grace Hartigan, eine wichtige Künstlerin in der abstrakt-expressionistischen Bewegung, ließ sich nicht beklauen. Sie hat bald verstanden, dass sie als Künstler besser wahrgenommen wird, denn als Künstlerin. Also signierte sie ihre Bilder schon früh als George Hartigan. Als ihre Karriere einigermaßen gefestigt war, kehrte sie möglicherweise wieder zu ihrem echten Vornamen zurück.
Diesmal also, ein Museumsbesuch, um die invisible Collection zu sehen. Ziemlich oxymoronisch so ein Unterfangen. Doch es gelingt.
Im Museum hängen keine Bilder, stehen keine Skulpturen, doch der Boden der Säle ist mit farbigen, geometrischen Figuren belegt, grüne Überschuhe auf den Besucherfüßen schonen die Teppiche. Bunte Hocker dürfen / sollen besetzt werden, auf kleinen Bildschirmen sind Tina und Dorothea (Sööt / Zeyringer) in Aktion zu sehen: Sie plaudern, zitieren, fragen und antworten und leiten die Besucherinnen durch ihre unsichtbare Kollektion. Ein bissel Wissen über bildende Kunst oder auch häufiger Kinobesuch, denn viele der Unsichtbaren oder Übersehenen haben, natürlich erst nach ihrem tatsächlichen Verschwinden von der Oberfläche dieses Planeten, ein Denkmal auf Filmstreifen bekommen. Camille Claudel ist eine davon, aber auch Hilma af Klint und Margarete Keane kamen zu Filmehren. Die Höhlenmalerinnen allerdings nicht. Selbst in der Höhle der vergessenen Träume, dem zauberhaften Film, den Werner Herzog 2010 in der Chauvet-Höhle gedreht hat, ist nur von Männern, Jägern, Priester oder Künstler, Supermännern die Rede. Doch vielleicht haben die Frauen gemalt, während die tapferen Jäger mit Pfeil und Bogen hinter Auerochsen und Wollnashörnern herstolperten.
Sööt / Zeyringer meckern nicht, regen sich nicht auf, protestieren nicht, sondern ändern die Tatsachen. Die Besucherinnen und auch die Besucher, wenn sie denn erscheinen, werden zu Zauberinnen und bemalen die feuchte Höhle im blauen Dämmerlicht. Unsere Signatur ist ein Handabdruck. Unsichtbar / sichtbar. Pure Magie.
Höhlenbemalung ist nicht die einzige unsichtbare Spur die Besucherinnen hinterlassen werden. Ich stehe im Fenster, Blick auf den Getreidemarkt, den roten Vorhang im Rücken und das Protestschild in den Händen. Fußgängerinnen hasten vorbei, würdigen mich keines Blickes. Ich hätte ihnen erzählen können, wie sehr mich die Urinanalyse der beiden Ausstellungskuratorinnen interessiert und amüsiert hat. Und auch, dass ich mich eben wieder entpuppt und die Tonbrösel von mit gewischt habe. Immerhin bin ich zu einem Tonklumpen und peu à peu zu einer Skulptur geworden: Junges Mädchen mit Garbe hat Camille Claudel die nackte Figur genannt. Zum Glück bin ich als Skulptur Teil der Sammlung – unsichtbar.
Die Führungen, die alle zehn Minuten beginnen, sind nicht für die Masse, sondern für jede einzelne Besucherin vorbereitet, einen Katalog gibt es auch alle unsichtbaren Künstlerinnen sind samt ihren Biografien sichtbar gemacht. Die Führung durch 10 Stationen haben es in sich. Sie sind lehrreich und lustig, entspannend und erhellend, aufregend, anregend und in Englisch. Aber auch an die Anglophoben haben die beiden Künstlerinnen gedacht. Wer nicht hören will, muss lesen (können). Der gesamte Text der großartigen, unterhaltsamen, humorvollen, kunstsinnigen (allmählich leert sich die Vorratskammer an schmückenden Epitheta) und preiswürdigen Führung übersetzt und in den Farben der einzelnen Stationen zu Papier gebracht. Das nennt man ein perfektes Service für die BesucherInnen.. Um einiges Wissen reicher, herzerwärmt und frauenbewegt trolle ich mich aus der Galerie. Applaus, Applaus. Unhörbar natürlich. Und auch ein Blumenstrauß. Invisible. .
Sööt/Zeyringer: Invisible Collection, Audioperformance, Uraufführung. 15.2.2025, brut im Exhibit Eschenbachgasse.
Konzept & Recherche: Sööt/Zeyringer
Text & Sprachperformance: Tiina Sööt, Dorothea Zeyringer
Aufnahme, Schnitt & Sounddesign: Matthias Peyker; visuelle künstlerische Beratung, Umsetzung & grafische Gestaltung: Daniela Grabosch; Outside Eye & dramaturgische Assistenz: Nora Jacobs, Claudia Lomoschitz; Video: Kilian Immervoll.
Fotos: © Christine Miess
Audio_Führungen bis 26.2. 2025, täglich außer Montag 16 bis 21 Uhr. Tickets online buchen.
Eine Koproduktion von Sööt/Zeyringer mit brut Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien.