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Ballettpremiere: „Lukács | Lidberg | Duato“

"Movements to Stravinsky":Alice Firenze inmitten des Ensembles.

Die letzte Ballettpremiere der Ära Legris an der Staatsoper ist sicher nicht der Höhepunkt dieser Saison. András Lukács Choreografie „Movements to Stravinsky“ ist der Glanzpunkt dieses dreiteiligen Abends, in dessen Mitte „Between Dogs and Wolves“ des schwedischen Choreografen Pontus Lidberg steht. Nacho Duatos Requiem „White Darkness“ bildet den Abschluss. Der Premierenapplaus am 4.3. galt wohl mehr dem Wiener Staatsballett als den beiden neuen Aufführungen.

Natascha Mair, James Stephens in "Movements to Strawinsky".Schwarz und weiß, Licht und Schatten, hell und dunkel sind die Elemente, die alle drei Werke auszeichnen. Sowohl Lukács wie Lidberg oder Duato legen besonderen Wert auf eine ausgeklügelte Lichtregie. „Movements to Stravinsky“, 2017 in der Volksoper vom Wiener Staatsballett uraufgeführt, hat nichts von seiner Strahlkraft verloren. Lukács, Halbsolist im Wiener Ensemble, gelingt durch die in Schwarz und Weiß gehaltenen Kostüme, die Arme und Beine teilweise unbedeckt lassen, den Wechsel von Hell und Dunkel, sich öffnende Fenster und sich verschiebende schwarze Wände, Zeit und Raum aufzuheben und in Pas de deux und Gruppenauftritten der Schönheit der bewegten Körper zu huldigen. Solo von Alice Firenze in "Movements to Strawinsky".Dirigent Fayçal Karoui und das Staatsopernorchester mit den Solist*innen (Konstanze Brosch, Oboe; Peter Somodari, Violoncello; Shino Takizawa, Klavier) leisten ihren Beitrag zu diesem Meisterstück.

Etwas ratlos lässt mich Pontus Lidbergs Choreografie „Between Dogs and Wolves“ zurück. Angelehnt an das französische Ondit, „Entre chien et loup“, das die abendliche Dämmerstunde bezeichnet, in der Wölfe von Hunden nicht zu unterscheiden sind, spielt auch er mit Hell-Dunkel-Effekten. Sylphiden tanzen im Wald, bis eine Horde Wölfe (Tänzer in dunklen Anzügen mit Krawatte) sie aufschrecken. Rebecca Horner ist die graue Wölfin.Gestützt durch Videoanimationen verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Tier. Die Animation zeigt den zugleich verehrten und gefürchteten Wolf, oft räuberischer Akteur in Mythen und Märchen, durch den Schnee stapfen, die Tänzer*innen werden mit Masken zu realen Wölfen, aufgescheucht von den wilden Tieren verstecken sich die Sylphiden im Dickicht oder werden selbst zu Tieren, um sich den Wolfsmenschen hinzugeben. Als graues Wolfspaar stechen Rebecca Horner und Jakob Feyferlik hervor, das Orchester intoniert die Kammersymphonie für Streicher op. 118a (das für Streichorchester von Rudolf Barschai arrangierte Streichquartett Nr. 10) von Dimitri Schostakowitsch – darin kann man sich verlieren.

Lidberg, der auch als Filmemacher bekannt ist, denkt offenbar mehr cineastisch als choreografisch, "Between Dogs and Wolves" mit Ioanna Avraam und Jakob Feyferlik.doch die Idee, dass im Graubereich der Dämmerstunde Realität und Traum nicht mehr zu unterscheiden sind, geht nicht wirklich auf. Statt des angenehmen Gruselns im fahlen Licht herrscht Verwirrung. „Between Dogs and Wolves“ ist von Lidberg als Auftragswerk für das Wiener Staatsballett geschaffen, doch wie schon bei Daniel Proiettos 2016 für Wien kreiertes Ballett „Blanc“ scheint auch die aktuelle Uraufführung ein „work in progress“ zu sein, noch nicht fertig, was die Tänzer*innen, mit und ohne Wolfsmaske, nicht hindert, sich mit voller Kraft und anmutigem Schwung in den dunklen Wald zu werfen.

"White Darkness" gehört zum meist aufgeführten Werken des spanischen Choreografen Nacho Duato. Den 2001 entstandenen (Anti-) Drogen-Tanz hat er seiner Schwester, die unter Drogeneinfluss gestorben ist, als Requiem gewidmet. Längst ist das Ballett über den persönlichen Bezug hinausgewachsen.
Im Dunkel der Drogenszene erzählt Duato Madison Young, Jakob Feyferlik in "White Darkness".von einem Paar, das durch die Droge vereint und auch wieder getrennt wird. Vier weitere Paare suchen ebenfalls nach dem Glück durch Kokain (Schnee), der im blendenden Licht wie Manna zu Boden fällt. Madison Young, im violetten Abendkleid, steht unter der Dusche, versucht der Versuchung zu widerstehen, doch es gelingt nicht. Frauen und Männer (Fiona McGee – Arne Vandervelde, Sveva Gargiulo – Davide Dato, Nikisha Fogo– Masayu Kimoto, Kiyoka Hashimoto – Géraud Wielick) scharen sich im Kreis, geben sich mit zuckenden Bewegungen dem Drogenrausch hin. Auch sie müssen erkennen, dass das Glücksgefühl nicht anhält. Jakob Feyferlik ist ein falscher Freund und Verführer, der den Schnee mit vollen Händen verteilt und seiner Geliebten nicht erlaubt, auf die Droge zu verzichten. "White Darkness": Nikisha Fogo und Masayu Kimoto.Immer wieder lässt er den Schnee in ihre geöffneten Hände rieseln. Sie giert danach und weiß, dass sie damit die Liebe ebenso umbringt wie sich selbst. In den dramatischen Pas de deux (Young, Feyferlik) wird klar, gegen die Droge hat die Liebe keine Chance. Immer hektischer wird der Tanz aller, es scheint, als wollten sie vor sich selbst weglaufen. Am Ende steht das Mädchen (Young) unter der weißen Dusche, bricht in der Dunkelheit zusammen.
Aufwühlend und tieftraurig.

Dennoch, mir ist das alles zu platt, zu sehr auf die Erschütterung des Publikums abzielend. Madison Young unter der Drogendusche.Unterstützt von der belanglosen Musik von Karl Jenkins („Adiemus Variations I – IV“) trieft diese Choreografie von dickflüssigem Pathos, lässt das Publikum geknickt zurück. Doch der Applaus bestätigt, dass die Premierengäste Gefallen an Duatos Ballett und dem gesamten Abend gefunden haben.
Diese dreiteiligen abwechslungsreichen Abende, von Legris und auch vom Publikum gemocht, haben den Nachteil, dass das hervorragende Ensemble des Wiener Staatsballetts nur zu einem kleinen Teil beschäftigt ist. 10 Tänzer*innen bei Duato, 18 bei Lidberg und auch in Lukács Kreation sind lediglich 12 Tänzer*innen auf der Bühne. Manche Solist*innen tanzen an diesem Abenden in zwei Balletten. Das scheint mir eine Verschwendung des Potenzials der großartigen von Legris aufgebauten Wiener Compagnie zu sein.

Lukács | Lidberg | Duato:
„Movements to Stravinsky“: Choreografie, Bühnenbild, Kostüme, Licht und Einstudierung: András Lukács. Musik: Igor Strawinski.
„Between Dogs and Wolves“: Choreografie: Pontus Lidberg. Musik: Dmitri Schostakowitsch. Kostüme: Rachel Quarmby-Spadaccini. Bühne: Lidberg, Jaffar Chalabi. Licht: Patrik Bogårdh. Videoprojektionen: Jason Carpenter.
„White Darkness“: Choreografie und Kostüme: Nacho Duato. Musik: Karl Jenkins. Bühne: Jaffar Chalabi. Licht: Joop Caboort. Einstudierung: Thomas Klein.
Orchester der Wiener Staatsoper (mit Ausnahme der Zuspielung zu „White Darkness“) unter Fayçal Karoui. Wiener Staatsballett in der Staatsoper. Premiere inklusive Uraufführung von „Between Dogs and Wolves“ am 4. März 2020.
Folgeaufführungen: 6., 8., 10., 11. März 2020.
Ashley Taylor hat bei der Generalprobe fotografiert. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor