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Emmy Steiner: „Pip“, im Dschungel Wien
Faszinierend ist das Solo „Pip“, das die Tänzerin Emmy Steiner, Gewinnerin des TRY OUT!/artists-in-residence-Wettbewerbs 2018, gemeinsam mit dem Dschungel-Team entwickelt hat. Nur mit ihrem Körper und der ausdrucksstarken Mimik bringt sie ein Universum an Bewegungen auf die Bühne. Die Premiere im Dschungel Wien am 1. Februar bestaunten nicht nur die Zuschauer*innen ab 5.
Ganz in Grün liegt Emmy Steiner platt mit angewinkelten Armen auf dem Boden, nur die großen Augen bewegen sich, schauen forschend, staunend, belustigt ins Publikum. Der Frosch, also grün, nur Mund und Augen, das muss ein Frosch sein, rollt die Augen, klappt die Lider auf und zu, blinzelt immer heftiger. Allmählich fängt das grüne Wesen an sich zu bewegen, will vorwärts kommen, aufrecht stehen, doch das bis das gelingt, müssen noch mehrere Metamorphosen durchlaufen werden. Emmy Steiner arbeitet stumm, ohne Musik, nur mit ihrem Körper, wird vom Frosch zu Raupe, die versucht, sich krümmend vorwärts zu bewegen. Damit sie zum Schmetterling wird, muss sie aus ihrer alten Haut heraus. So einfach wie sich das so manche vorstellt, ist das nicht. Steiner macht die Häutung zu einem Kammerspiel und zeigt sich nun in Rosarot, wird zum hilflos strampelnden Käfer.
Dann gebe ich auf, nach Tieren zu suchen, die Steiner möglicherweise darstellt. Was sie nämlich eigentlich darstellt, ist ihr Körper, seine Kraft und Grazie, seine Balance und Präzision. Allein mit ihrer Mimik kann sie das Publikum fesseln, zum Lachen bringen und auch überraschen. Natürlich steht das rosarote Wesen bald auf beiden Füßen, reckt den Kopf in die Höhe, kann sich drehen und dem Publikum das Hinterteil zeigen. Noch einmal wird die Haut abgeworfen, kurz behost, in strahlendem Gelb, steht pure Energie auf der Bühne. Das Erwartete bleibt oft aus, und wenn die Künstlerin mit den von den Spots gemalten Kreisen tanzt, weiß auch sie nie, ob diese ihren Wünschen folgen. Da zuckt dann die Performerin bedauernd mit den Schultern. Alles kann man nicht im Griff haben.
Wirklich erstaunlich, was wortlos, nur mit dem Körper, der Gestik und Mimik, erzählt werden kann. Wer will, kann auch die Gedanken tanzen lassen, über die Entwicklung des Kosmos nachdenken oder über die eigene Fortbewegung im Leben, oder über den Weg vom Einzeller zum aufrecht gehenden Menschen. Oder eben gar nichts denken, nur staunen darüber, wie Emmy Steiner ihren Körper beherrscht, ihn in tänzerischen oder sportlichen Positionen formt und bewegt, immer wieder neue kleine Geschichten erzählt. Die Kinder haben ihre eigenen Assoziationen, freuen sich über die Überraschungsmomente und finden das ihnen Kusshände zuwerfende Wesen auf der Bühne auch ziemlich komisch.
Nicht nur der Titel ihres Stücks, „Pip“ – so wurde Steiner während ihres Studiums in Australien, wo sie ihren Bachelor of fine Arts in Dance gemacht hat, gerufen – erinnert mich an den großen Pantomimen Marcel Marceau (1923 – 2007), der als „Bip“ mit der roten Blume auf dem Hut durch die Welt getourt ist und nicht nur dem Tänzer Rudolf Nurejew als Vorbild galt. „Pantomime ist die Kunst der Haltung“, hat er einmal gesagt. Emmy Steiner hat sie, die Kunst der Haltung.
Dschungel Wien & Emmy Steiner: „Pip“, Konzept, Choreografie, Spiel: Emmy Steiner. Choreografische Beratung: Martina Rösler. Dramaturgische Beratung: Ralph Mothwurf. Künstlerische Beratung: Sabina Holzer. Lichtdesign: Mothwurf, Rösler, Steiner. Sound Design: Mothwurf, Steiner. Technik: Mirza Kebo, Michael Zweimüller. Uraufführung am 1. Februar 2019, Dschungel-Wien.
Weitere Vorstellungen: 2., 3., 8., 9., 10.Februar 2019.
Alle Bilder: © Rainer Berson.