schallundrauch agency: Hope / Hoffnung
November. Der Nebel hängt tief, feuchte Kälte dringt durch alle Ritzen, der apokalyptische Reiter schwingt sein blutiges Schwert; Unzufriedenheit und Pessimismus herrschen überall, und wer tanzt, tanzt auf dem Vulkan. Die schallundrauch agency such nach einem Gegenmittel. In der performativen Installation Hope sollen mit bunten Farben und hellem Licht, mit Gesang und Tanz die hängenden wieder Köpfe aufgerichtet werden.
Der Chor aus den Gästen und dem agency-Team schließt sich John Lennons Traum von einer besseren Welt an und sing mit Inbrunst den Refrain aus seinem Hoffnungssong Imagine: „You may say I'm a dreamer / But I’m not the only one / I hope some day you'll join us / And the world will be as one“.
Was sich die agency vorgenommen hat, sprengt ihre eigenen Grenzen, wobei die Vorstellungen von schallundrauch so oder so immer anders sind, als erwartet wird. Diesmal ist geht es um die Hoffnung, die nicht sterben darf, Pessimismus ist kein Lebensziel. Das erfahren die Zuschauerinnen, wenn die Gäste, alte und junge, Frauen und Männer, von sich und ihrem Leben erzählen. Das Leiden, Hunger, und Not, Angst und Verlust schwingen ungesagt mit.
Die auf die Bühne eingeladenen Gäste berichten von den kleinen Erfolgen, die sie am Leben erhalten, verbreiten Hoffnung, auch weil sie niemals aufgegeben haben. Etwa der junge Bienenforscher Lorenz, der eine bisher unheilbare Krankheit der Honigproduzentinnen ausrotten will oder der bildende Künstler Hendrik, der magische Fotos macht, auf denen er als fremder Gott erscheint. Oder auch Antonia, die statt ihrer Behinderung ihre Talente sichtbar machen will und Jan, der tapfere, sangesfreudige Jan, der im Auhof Center den Augustin verkauft, sie alle und einige mehr zeigen, dass
Der Performance ist ein Gang der Besucherinnen durch ein Museum, voller Hoffnungen versteht sich, vorangestellt. Wer Lust hat, darf auch Bilder der Hoffnungslosigkeit loswerden, kann seine Gedanken und Assoziationen schriftlich festhalten. Dann singt der Hoffnungschor. Die Gründerinnen der schallundrauch agency, Janina Sollmann und Gabriele Wappel, halten sich samt ihrem Team zurück, lassen den Gästen viel Raum und später auch die Vorstellung zu einer Lehrveranstaltung mit pseudotherapeutischen Ratschlägen werden.
Die Spiel- und Erzählfreude, die die Mitglieder der schallundrauch agency auszeichnen, ist steifer Didaktik gewichen, die mit dem Publikum veranstalteten lockere Gespräche versickern in Binsenweisheiten. Ich höre, dass die Hoffnung im Schönen, Edlen und Guten liege. Sei‘s drum , die 2003 gegründete agency hat sich schon mit schwierigeren Themen befasst, als mit der Hoffnung beziehungsweise mit deren Verschwinden. Getanzt, gesungen, geplaudert und informiert wurde über Sucht und Gewohnheit (Rauchpause, 2016), über den Platz, den Körper und auch Gedanken benötigen (Platz da! 2023). Es sind Performances für Kleinkinder und für Jugendliche entstanden, das agency-Team hat sich mit aussterbenden und falsch eingeschätzten Tieren (von Waldrapp bis Esel) befasst und hat sich auch über Gott und die Welt (2017) unterhalten. All diese Themen, ob ernsthaft oder heiter, wurden mit spielerischer Leichtigkeit, theatralischer Lockerheit dargeboten.
Mich beunruhigt der Verdacht, dass es die Hoffnung gar nicht gibt, dass lediglich gutgemeinter Optimismus verbreitet wird. Mir scheint, dass Janina und René, Sara, Michael und Hannah vergessen haben, dass sie im Theater sind und nicht in der Schule. Auch wenn die Aufführungen am Vormittag für Schülerinnen gedacht sind, kommt dass Publikum zu einer Veranstaltung. Möglicherweise, wäre ein Workshop die bessere Wahl gewesen.
Dass die Hoffnung unsichtbar, doch voll Magie ist, wussten schon die alten Römer. „Dum spiro spero“ (Solange ich atme, hoffe ich) wird dem Philosophen und Politiker Marcus Tullius Cicero (106 v.Chr-43 v.Chr.) zugeschrieben. Die schöne Alliteration ergibt ein wunderbares Motto. Damit darf sich das Publikum sicher auf den nächsten Auftritt der schallundrauch agency freuen.
schallundrauch agency: Hope, Eine performative Installation mit Hoffnungschor, Uraufführung. Dschungel Wien, 11.11. 2024.
Künstlerische Leitung Gabriele Wappel, Janina Sollmann
Regieassistenz Hannah Zauner; Raum Michael Haller; Musikalische Leitung Sara Wilnauer-Leitner;
Stückentwicklung + Performance René Friesacher, Gabriele Wappel, Janina Sollmann, Sara Wilnauer-Leitner, Michael Haller, Hannah Zauner;
Gäste (Erzählungen + Performance) Giti Aghelmanesh - Sommer, Lorenz Hinterplattner, Morteza Mohammadi, Jan Pisar, Sophia Valentina Gomez Schreiber, Hendrik Renneberg, Antonia Bögner
Fotos © Laurent Ziegler
Vorstellungen: 13. + 16.11., 19 Uhr. Schulvorstellungen: 12.,13.,14.11.2024