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Georg Blaschke: „Antonio’s imaginary workshop”
Seit geraumer Zeit beschäftigt sich der Tänzer und Choreograf Georg Blaschke mit dem differenzierten Ausdruck des Körpers. Die Choreografie „Antonio’s imaginary workshop“ wurde mit zwei Tänzerinnen und einem Tänzer entwickelt, die jeweils ein Solo zelebrieren. Als Grundlage und Inspirationsquelle dient das eher schmale Werk des bildenden Künstlers Antonio Mak. Eine überaus spannende, auch unheimliche Performance in den Räumen des WUK-Museums.
Antonio Mak (Mai Xianyang, 1951–1994) ist in Hong Kong aufgewachsen und hat in London studiert. In seinen Werken, Malerei und Bronzeskulpturen des menschlichen Körpers, vereint er östliches und westliches Kulturgut. Durch die Veränderung seines chinesischen Namens und den meist zweisprachigen Titel (Englisch / Chinesisch) seiner Werke betont er seine Zugehörigkeit zu beiden Welten. Seine oft nur wenige Zentimeter großen menschlichen, vor allem männlichen Figuren aus Bronze zeigen deformierte, geteilte und neu zusammengesetzte Körper, die irritieren, teils schauerlich, teils futuristisch anmuten. Für den Künstler war der menschliche Körper mehr als eine Ansammlung von Wasser, Fleisch und Knochen. Seine Körper sind in ständiger Bewegung, wandeln ihre Form, verlieren sie ganz und werden zu neuen Gestalten.
Für Georg Blaschke geradezu eine Aufforderung, diese beweglich scheinende biomorphe golden leuchtende Masse durch Choreografie tatsächlich in Bewegung zu setzen. Maks Figuren werden zu Tanz, Blaschkes Tänzer*innen zu Maks Figuren.
Der in Salzburg wirkende, in Slowenien geborene Tänzer Tomaž Simatović, die Wiener Tänzerin Katharina Senk und die Performance-Künstlerin Manaho Shimokawa aus Japan werden zu lebenden, überaus beweglichen Bronzestatuen, verbiegen, beugen, verdrehen den Körper, die Extremitäten scheinen an der falschen Stelle angewachsen, der Kopf sitzt nicht mehr auf dem Hals, jeder Finger, jede Zehe haben ihr Eigenleben – der Körper ist zerlegt, die Grenzen des Machbaren sind überschritten. Der Mensch, das Individuum ist verschwunden, auf der Bühne bewegt sich ein Körper – vielleicht einer aus einem weit entfernten Jahrtausend, aus einer fremden Galaxie zurück in diese Welt gekommen.
Das verwirrt, macht auch traurig oder ängstlich, ist makaber, beeindruckend und überaus faszinierend.
Gemeinsam mit dem Choreografen und individuell haben sich die drei Ausführenden mit dem Werk und den Metaphern Maks auseinandergesetzt und ihre Performance in einem intensiven Prozess erarbeitet. So hat auch jedes Solo eine andere Farbe, ruft andere Gefühle wach. Tomaž Simatović ist ganz Mann. Eine große, kräftige Figur, steht er fest auf den Beinen, Schenkel wie Säulen, balanciert auf den Zehen, nahezu ohne sich zu regen. Mich erinnert er an eine (nie ausgeführte) Bronzegestalt von Auguste Rodin. Auch der Künstler des 19. Jahrhunderts hat schon menschliche Gestalten ohne Kopf geschaffen, Tanzende in Positionen, die nur die Skulptur auf immer festhalten kann. Simatović kämpft, mit seinem Körper und auch gegen ihn. Sieger gibt es keinen.
Weiblich, weich, anmutig legt Manaho Shimokawa ihre Auseinandersetzung mit dem Werk Maks an. Die schwarze Haarflut verhüllt ihr Gesicht, das schwarze Kostüm (eine kurze Doppelhose) von Hanna Hollmann gibt ihr ungeahnte Möglichkeiten der Verrenkung und Verschiebung der Beine und Arme. Sie geht zärtlich mit ihrem zerbrechlichen Körper um, steht in Positionen still, die an Yoga-Übungen erinnern und macht mit dem gesamten Körper klar, dass hier eine Frau zu sehen ist, auch wenn sie ihr Gesicht, ihre Person nicht zeigt.
Katharina Senk setzt sich mit Maks Vorliebe für Leitern auseinander, die er als Erweiterung des Körpers sieht. Zwei Meter ist das Aluminiumgestell lang, das sie sich umgeschnallt hat, mit dem sie kämpft, kooperiert, sich anfreundet und es als Teil ihres Körpers anerkennt. Sie beeindruckt vor allem mit der ungeheuren akrobatischen Leistung, mit einer Kraft und Präzision – der Raum ist knapp bemessen, ein falscher Schritt, und die Zuschauerinnen auf den rundum aufgestellten Bänken haben das Geschoß auf der Nase –, die keinen anderen Gedanken zulässt, als „hoffentlich passiert ihr nichts“. Doch jede Bewegung, jeder kleine Schritt, jedes Schwingen und Kreisen dieser 5. Extremität ist bewusst gesetzt. Gewagt und beeindruckend.
Eine markante, eindrucksvolle Weiterentwicklung des choreografischen (und tänzerischen) Werks von Georg Blaschke. Eine bewundernswerte, auch ästhetisch außergewöhnliche und sehenswerte Leistung aller Beteiligten. Ein Abenteuer auch, für die Performer*innen und auch die Zuschauerinnen.
„Antonio’s imaginary workshop“, Choreografie und künstlerische Leitung Georg Blaschke. Performance Katharina Senk, Tomaž Simatović, Manaho Shimokawa. Kostümgestaltung: Hanna Hollmann; Musikgestaltung Christina Schröder; Lichtgestaltung und Technik Sabine Wiesenbauer; Produktion Raffaela Gras. Premiere 3.11.2017 WUK Museum.
Weitere Vorstellungen 4., 5. 11. 2017, 20 Uhr; 5.11. auch 12 Uhr.