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Wolf sucht Wombat und Cheng assistiert
Heinrich Steinfest schickt Freu Wolf und ihren Sekretär Markus Cheng nach Australien. Nach fünf Fällen haben der einarmige Detektiv genug vom Chefspielen und hat mit seiner Sekretärin die Rollen getauscht. Doch das detektivische Paar ist echt, den Leserinnen längst bekannt, auch wenn es im neuen Fall Fälscher, und echte Fälschungen samt unechte Originale jagen. Die Athener Eulen müssen nicht vermehrt werden, Heinrich Steinfest nach gut 20 Romanen nicht zu kennen, ist unmöglich, ihm Kränze zu flechten überflüssig. Heinrich Steinfest: Gemälde eines Mordes erhellt den Alltag.
Frau Wolf ist jetzt die Detektivin, Markus Cheng, ihr Sekretär. Beide fühlen sich durchaus wohl in der neuen Rolle, auch wenn sowohl Frau Wolf wie auch Herr Cheng mehrmals dem Tod ziemlich nahekommen. Der Roman ist in eine Dazzle Camouflage gehüllt, täuschend geben alle Personen und die Geschichte selbst etwas vor, was sie nicht sind. Bunte Malerei dient als Tarnung, die geübte Leserin meint, sich auszukennen, dem roten Faden zu folgen, sie blinzelt kurz, und nichts mehr stimmt, alle ist anders. Nur das possierliche Tierchen sezt unverdrossen seine Würfel ab. Die Gestaltwandler:innen, Namenswandler:innen spielen nicht nur mit Wolf und Cheng Verstecken, sondern auch mit der Leserin. Amüsiertes Durchhaltenist angesagt.
Ein Wort noch, zum putzigen Wombat. Auch der ist ganz echt, im Gemälde eines Mordes ist ihm oder ihr ein ganzes Buch gewidmet, verfasst vom Wiener Wombatforscher Oliver Roschek. Der Zoologe ist verschwunden, was seiner Gattin in ihrer Hietzinger Villa gar nicht gefällt. Wolf & Cheng werden gerufen und nach Australien geschickt, denn dort ward Oliver Roschek samt Wombat mit Namen Toby zum letzten Mal gesehen. Nolens volens, Auftrag ist Auftrag, nehmen die beiden die Reise im Flugzeug auf sich und finden auf der Känguru Insel zwar nicht Roschek, aber Toby samt einem Geheimnis, das allerdings mehr als einen doppelten Boden hat. Dass das Wombat seine Ausscheidung in Würfelform erledigt, ist allerdings weder Geheimnis noch Legende, sondern ein weitgehend erforschtes Faktum, 80 bis 100 Würfel setzt auch Toby pro Tag ab. Für eine amerikanisch-australische Studie zu diesem Thema aus dem Jahr 2018 wurde 2019 der sogenannte Ig-Nobelpreis verliehen. Nachzulesen in Wikipedia – wo sonst.
Der, die das Wombat fordert Feinde zwar mit Drohgebärden auf, zu verschwinden, doch Mord hat er, sie es nicht im Sinn. Herr Steinfest allerdings schon und nicht nur im Kangaroo Valley, sondern quer über den Erdball. Camouflage ist alles: Harmlos scheinende Lottogewinner, entpuppen sich als Killerpaare, Kunstsammler, Fälscher, Geheimagenten und Auftragsmörder feiern fröhlich ihr Unwesen, bis Cheng in der Elbphilharmonie landet und, das Verbotsschild missachtend, aufs Dach klettert, wo er hinter dem wieder aufgetauchten Wombatforscher herspringt und purzelt. Zur Bewunderung für den unermüdlichen Assistenten der Detektivin Frau Wolf gesellen sich Furcht und Schrecken der Leserin. Es ist kein Witz, Cheng leidet an einem Hirntumor und hat nur noch wenig Lebenszeit übrig. Oder ist auch dieses „Ding aus einer anderen Welt“, wie der Besitzer das Gewächs nennt, nur Täuschung und Tarnung? Wir wollen’s hoffen, liegt er doch noch einen Sommer lang im uralten Wiener Theresienbad im Schatten und gibt dem Ding im Kopf Gelegenheit, zu schrumpfen. Schließlich hat sich auch Arthur Ignatius Conan Doyle selbst revidiert und Sherlock Holmes wieder zum Leben erweckt. Dessen Auferstehung begründet Doyle mit japanischer Kampfkunst, deren Beherrschung Holmes gerettet hat. Doch dürfte Doyle eher von der versprochenen Pecunia motiviert worden sein, und die ist bekanntlich überaus wohlriechend. Dessen, sich durch schnöden Lohn verführen zu lassen, ist Heinrich Steinfest nicht zu verdächtigen, doch vielleicht verspürt er Mitleid mit der Leserin und auch mit der von ihm geschaffenen Figur des einarmigen Cheng nur als Phantom vorhandenen Hund und lässt ihn noch einige Male ermitteln. So einfach stirbt eine erst 60 Jahre alte Romanfigur nicht.
Nur scheinbar lässt Steinfest seine Fantasie aus lauter Jux und Tollerei von der Leine, ohne in seinen Redefluss Dämme einzubauen, wie es die Biber so großartig können. Der Autor weiß, was er erzählt und warum und vor allem was hinter den Bilder vom Fälschen und Morden zu sehen ist. Spielt doch die ganze Mordsmalerei in einer Parallelwelt, wie der Autor im Vorwort erklärt. Die geraden Linien zum realen, aus den täglichen Nachrichten zusammengesetzten Bild der Welt, sind von jedem Kind zu ziehen. Schnell ist da Schluss mit Lustig. Oder erst recht nicht. Außer einem unauslöschlichem Gelächter, dem sogenannten homerischen, wie es die griechischen Götter angestimmt haben, gibt es keine passende Reaktion.
Die ganze Geschichte ist frei erfunden und Ähnlichkeiten mit real lebenden Figuren und vor allem real existierenden Staaten und real ablaufenden Schweinereien ergeben sich daraus, dass diese Geschichte in einem Paralleluniversum spielt. Das Wort parallel sagt es ja eigentlich, weniger im Sinn von gleichzeitig als von gleichartig.
Heinrich Steinfest: Gemälde eines Mordes. Frau Wolf und Cheng ermitteln. 288 Seiten, Piper 2023, € 18,50.