Zum Hauptinhalt springen

Der Mops trotzt und kotzt

Emmy Steiner als Mops, Identifikationsobjekt für Kinder

0gottogott. Das Gedicht von Ernst Jandl, ottos mops, in den 1970er Jahren in aller Kindermunde, tanzt neuerdings auf der Bühne. Emmy Steiner / Theater.Nuu hat Lyrik in Dramatik verwandelt und lässt gemeinsam mit der Musikerin Mona Matbou Riahi Ottos Mops zum unbändigen Vergnügen von Groß und Klein im Dschungel hopsen, trotzen und auch kotzen. Mops lässt sich nichts sagen, bleibt ein autonomes, widerspenstiges Wesen.

Mops macht, was Hunde so machen: ein Chaos. Otto ist hilflos. (Mona Matbou Riahi, Emmy Steiner) Man müsste ein Hund sein, um Emmy Steiner als ungehorsamen, eigenwilligen Mops in seinem / ihrem ganzen Sein so richtig genießen zu können. Schon dass die Tänzerin sich entschlossen hat, nicht auf allen vieren umher zu krabbeln, sondern einen zweibeinigen Mops mit heraushängender Zunge und listigem Blick darzustellen, ist zu bewundern. Otto (Mona Matbou Riahi) ohne Mops: einsam und traurig.
Der aufrecht agierende Mops gibt diesem Machtkampf zwischen Herr (in dem Fall die Klarinettistin Mona Matbou Riahi) und Hund eine neue Dimension. Als Zuschauerin vergisst man schnell, dass da ein Hund auf der Bühne, abwechslungsreich und sinnvoll gestaltet von Michael Haller, hopst. Der freche Kerl könnte auch ein trotziger Bub / ein ebensolches Mädchen sein. Emmy Steiner als „ottos mops“: Ein Erlebnis.
Empfohlen sind die köstlichen 40 Minuten schon für Dreijährige, und tatsächlich, sie kichern, lassen ihre Zungen heraushängen, hängen über der Lehne vor ihnen, um nur ja nichts zu versäumen und wissen genau, was vorgeht: „Gleich kotzt er“, flüstert das Mädchen hinter mir. Zu aller Gaudium tut er es dann tatsächlich. Auch die Erwachsenen, vielleicht selbst Hundehalterinnen, oder gar Kennerinnen des nur den Vokal o verwendenden Gedichts genießen jede überraschende Wendung Schmeicheleien helfen nichts, Mops bockt. und Absurdität und die nahezu wortgetreue Umsetzung der Verse, obwohl natürlich kaum gesprochen wird. Nur Otto versucht, Mops in unterschiedlicher Tonlage zu rufen zu locken. Doch dieser Mops macht, was er will, Otto hat keine Chance. Mops nimmt keine Rücksicht auf die Gefühle seines Herrn, der, kaum hat er das unartige Geschöpf weggeschickt, an Einsamkeit leidet und vergeblich nach „mops, mops“  weint. Möglicherweise aber ist Mops der Herr und Otto der Hund. Wer weiß das schon? Da kann Otto (Mona Matbou Riahi) noch so schön auf der Klarinette spielen, Mops (Emmy Steiner) ist müde, daher schläft er. Der Deutschlehrer (etwa 1950–1979) und Dichter Ernst Jandl (1925–2000), war selbst Hundeliebhaber und gab Hunden viel Platz in seinen sprach- und lautspielerischen Gedichten. Der Literaturwissenschaftler Jörg Drews zählte 42 Hunde-Gedichte. Was Literaturwissenschaftler und Analysten (im vergangenen Jahrhundert, also zu Jandls Leb- und Wirkungszeiten, hatten Frauen noch kaum eine Stimme) hervorheben, schafft auch Emmy Steiner: Der Hund wird zum Identifikationsobjekt für den Autor. Die Darstellerin ist zugleich Hund als Herr und Herr als Hund. Mops hat Otto an der Leine. (Mona Matbou Riahi, Emmy Steiner)
Übrigens, Jandl sah seine Gedichte als „Sprechgedichte, die erst durch lautes Lesen wirksam werden.“ Er würde, könnte er Steiner als „seinen Mops“ sehen, hinzufügen, dass dieses verspielte und doch ernsthafte Gedicht auch durch die stumme Darstellung lebendig wird. Jandls Werk steht noch unter dem Urheberschutz und Ottos Mops wird auf der Bühne keineswegs Wort für Wort aufgeführt. Emmy Steiner und das Team ließen sich vom Jandlschen Mops lediglich, doch durchaus intensiv, inspirieren.

Theater.Nuu: Ottos Mops, Musiktheater im Dschungel Wien. Premiere: 2.11.2024. Weitere Vorstellungen bis 6. November 2024.
Regie und Stückentwicklung: Sarah Gaderer
Performance und Stückentwicklung: Emmy Steiner, Mona Matbou Riahi
Musik: Mona Matbou Riahi; Ausstattung: Michael Haller, Laura-Lee Jacobi, Produktion: Julia Haas
Fotos: © Bettina Frenzel
Ernst Jandl, Werke in 6 Bänden (Neuausgabe), hrsg. von Klaus Siblewski
© 2016 Luchterhand Literaturverlag, München,