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Elizabeth Fremantle: „Spiel der Königin“, Roman
Mit ihrem Debütroman „Spiel der Königin“ hat die britische Journalistin Elizabeth Fremantle ohne Zweifel eine große Leserschar erobert. Erzählt sie doch von zwei tapferen, unbeugsamen Frauen, von der Macht und von der Liebe. Was diese Romanze lesenswert macht, sind Zeit und Ort, in die Fremantle eintaucht: England im 16, Jahrhundert, am Hof Heinrichs VIII. und seiner letzten Frau, Katharina Parr.
Die Tudors, Heinrich VIII., König von England von 1509 bis 1547, und seine zahlreiche Verwand- und Schwägerschaft, die sich alle um die Nähe zum König und auch um Thronfolge balgten, geben, durch Intrigen, Kriege und vor allem durch das Blut, das reichlich geflossen ist, einen wunderbaren Stoff für Bühne, Film und Fernsehen und auch für die Literatur, ernsthaft historisch oder leicht und locker ohne Anspruch auf Faktentreue. Elizabeth Fremantles Trilogie über das Haus Tudor – „“The Queen`s Gambit“, „Sisters of Treason“ „Watch the Lady“/ „Spiel der Königin“ / „Im Schatten der Königin“, „Die Rivalin der Königin“ – gehört in eine andere Schublade als Dame Hilary Mantel. Deren Trilogie über den Staatsmann und Berater Heinrichs VIII., Thomas Cromwell („Wölfe“, 2010; „Falken“, 2012; „Spiegel und Licht“, erscheint demnächst) handelt von Männern, ihrem Machthunger und Rivalitäten und der Politik in einer Zeit des Umbruchs, was eine überaus spannende Lektüre ergibt. Fremantle geht es gefühlvoller an, stellt in den Mittelpunkt von „Queen’s Gambit“ die letzte Ehefrau des berühmt-berüchtigten Königs Heinrich VIII., Katharina Parr, und zugleich deren Zofe, die einfache Dorothy (Dot) Fownten.
Frauen und besonders die der Unterschicht, Dienerinnen, Zofen, Küchenmägde haben in historischen Romanen meist wenig Raum. Schließlich ist auch ihr Leben, so sie nicht Königin geworden sind, kaum ausreichend dokumentiert. Daher ist die kleine Dot (Pünktchen), Katharina, der späteren Königin, in unverbrüchlicher Treue unter Einsatz ihres Lebens ergeben, weitgehend der Fantasie der Autorin entsprungen. Allerdings ist ihr Name in den Chroniken verzeichnet und auch von ihrer Ehe mit einem William Savage wird berichtet. Mit dem Rest, Dots liebenswertem Charakter, ihren Abenteuern und der zu Herzen gehende Liebesgeschichte, hat Fremantle eine lebendige Figur geschaffen, die nicht so bald zu vergessen ist.
Ebenso ist sie mit Katharina Parr (1512–1548), der zweifachen Witwe, auf die Heinrichs Auge gefallen war, nachdem er seine 5. Frau, Katharina Howard, wegen Hochverrats – ein praktischer Begriff, der jederzeit und willkürlich anwendbar war, bei einem falschen Wort oder einem verdächtigen Blickwechsel – zum Henker geschickt hatte, umgegangen. Historische Fakten und Daten stimmen, belebt wird Katharina, eine sympathische, kluge und auch fromme Frau, erst durch die Autorin. Dass sie eine glühende Reformatorin war, was ihr den Hass der Papisten, die sie sogar in den Tower schicken wollten, sicherte, ist belegt.
Katharina, die keineswegs den Ehrgeiz gehabt hat, Königin von England zu werden, lebt nach der Heirat mit dem König (1543) in ständiger Angst, den Weg ihrer Vorgängerin ebenfalls gehen zu müssen. Zumal sie in der kurzen Zeit nach dem Tod ihres zweiten Gatten, eines wesentlich älteren, schwer kranken Mannes, ein Verhältnis mit dem Gecken Thomas Seymour, Bruder der im Kindbett verstorbenen Königin Nummer 3, Jane Seymour, und damit relativ weit vorne als Anwärter auf hohe Posten am Hof oder gar auf den Thron, begonnen hatte. Der Begriff Verhältnis ist in Wahrheit ein zu schwacher Ausdruck für die glühende Liebe und das unersättliche Begehren, wovon Katharina geschüttelt wurde. Als sie ihren (4.) Gemahl im Bett mit der minderjährigen Elisabeth ertappte, ist der Zauber der grünen Augen und der am Barrett wippenden übergroßen Feder verblasst.
Elizabeth Fremantle, die bei Magazinen wie „Elle“ oder „Vogue“ als Journalistin gearbeitet hat, schafft durch die Beschreibung der herrschenden Mode, aber auch der Natur, eine lebhafte Atmosphäre, die die Leserin tief ins 16. Jahrhundert eintauchen lässt. Sie erzählt vom Prunk und Gier am Hof, der Unberechenbarkeit und Selbstherrlichkeit des Königs und der strengen Rangordnung aus drei Perspektiven, der von Katharina, ihrer Dienerin Dot und des königlichen Leibarztes und Katharines Freund Robert Huicke. Auch der ist eine historische Figur, die Autorin stellt ihn jedoch als in den Komödiendichter Nicholas Udall verliebten Homosexuellen dar, was nicht erwiesen ist.
So verschlingen sich die belegten Tatsachen, an die sich Fremantle getreulich hält, mit der fantasievollen Charakterisierung ihres Personals zu einer spannend lesbaren Geschichte aus dem Hause Tudor. Dass Katharina als erste Engländerin ein Buch auf Englisch geschrieben hat, ist belegt. „Lamentations of a Sinner“, veröffentlicht 1547, wurde ein Bestseller, nicht nur die Hofdamen rissen es sich aus den Händen. Auch der positive Einfluss, den Katharina auf die Königskinder, Edward, Mary und Elisabeth, gehabt hat, ist belegt. Sie hat die Kinder an den Hof geholt, sie mit dem König ausgesöhnt, für ihre Erziehung und auch dafür gesorgt, dass sie in die Thronfolge aufgenommen worden sind.
Als Edward VI. wurde der Sohn von Jane Seymour mit neun Jahren zum König gekrönt, mit 15 ist er verstorben. Ihm folgte 1553 Mary, die wegen der gnadenlosen Verfolgung der Protestanten als „Bloody Mary“ in die Geschichte eingegangen ist, als erste Frau Englands mit allen Rechten eines Souveräns auf den Thron. Ihre schwächliche Konstitution hat ihr jedoch keine lange Regierungszeit beschieden. Nach fünf Jahren ist sie an Grippe erkrankt und 1558 im St. James’s Palace gestorben. Als Nachfolgerin hat sie ihre Halbschwester Elisabeth, Tochter der hingerichteten 2. Ehefrau Heinrich VIII., Anne Boleyn, bestimmt. Nur sechs Stunden nach Marys Tod ist diese als Elizabeth I. zur Königin gekrönt worden. Der Königinwitwe Katharinas Saat war aufgegangen. Elizabeth regierte als letzte des Hauses Tudor und hat sämtliche Gesetze Marys, die Religion Englands betreffend, widerrufen. Ab nun hatte England seine eigene Religion.
Katharina, die nach der Heirat mit dem eitlen und machthungrigen Hohlkopf und Frauenjäger Thomas Seymour, nach der Geburt einer Tochter 1548 gestorben ist, hat diesen Triumpf nicht mehr miterlebt. Dass ihr Fremantle ein Denkmal gesetzt hat und dem nach außen hin eher unspektakulären Leben Wärme und Emotionen eingehaucht hat, ist trotz aller romantischen Klischees ein Gewinn.
Der Originaltitel „The Queen's Gambit“ bezieht sich auf eine Eröffnung im Schachspiel, bei der ein Bauer geopfert wird, um einen strategischen Vorteil zu gewinnen. Etymologisch wird der Begriff aus dem Italienischen hergeleitet: „Dare il gambetto“ könnte ein Fachausdruck aus dem Ringsport sein und bedeutet „ein Bein stellen“. Katharina verstand sowohl vom Schachspiel eine Menge als auch davon, ein Opfer zu bringen (was meist bedeutet hat, den Mund zu verschließen), um ihren Kopf auf dem Rumpf zu behalten.
Elizabeth Fremantle: „Das Spiel der Königin“, aus dem Englischen von Sabine Herting; Penguin Tb, 2020. 464 S. € 10,30.
Gebundene Ausgabe: "Spiel der Königin", C. Bertelsmann, 2014. 448 S. € 20,60. Auch als E-Book erhältlich.