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Michikazu Matsune: „All Together“, brut

Ward, Poelstra, Matsune: "All Together". © Emilia Milewska

Gemeinsam mit Frans Poelstra und Elizabeth Ward widmet sich der Tänzer und Choreograf Michikazu Matsune Erinnerungen an geliebte und weniger geliebte Menschen, an glückhafte und peinliche Situationen und an die Anfänge des Lebens als Künstler*innen. „All Together“ ist eine intime Performance, die schon im Sommer 2018 im ImPulsTanz Festival gefallen und nun im Studio brut wieder begeistert hat.

Eine Performance ist keine starre Kiste, die unverändert jeden Abend aufgestellt wird. Wenn Matsune, Poelstra und Ward ihre persönlichen Tagebücher und Alben für das Publikum öffnen, dann sind auch alle jene dabei, an die sie sich gerne, mitunter auch gar nicht gerne, erinnern: Geschwister und erste Lieben, Lehrer*innen und Künstlerfreund*innen, Großeltern und wichtige Begegnungen, die ihr Leben geprägt haben. Auch die Toten erhalten ihren Platz.

"All together": Matsune, Ward, Poelstra. ©  Elsa Okazaki Im kleinen Raum des Studio brut bildet sich eine Gemeinschaft aus den Anwesenden und den Entfernten, aus den Lebenden und den Toten, aus Frohsinn und Melancholie, aus Komik und Kunst. Es wird erzählt und getanzt, gelacht und gesungen, mitunter reden alle drei gleichzeitig, so viele Erinnerungen drängen sich auf, manchmal erklingt Musik. Von J. S. Bach etwa, wenn Matsune sich an eine Performance Poelstras von 2004 erinnert. „Franciscus“ ist auch 15 Jahre nach der Erstaufführung ein Gedicht. Splitternackt, blinzelt er kopfüber durch die gegrätschten Beine ins Publikum und lässt die Glöckchen bimmeln. Unschuldig, blutjung mit 65, ist dieser Franciscus kein Heiliger, nur einfach Franciscus Poelstra.

Elizabeth Ward fegt über die Bühne, während die Männer staunend am Rand stehen. Später wird sie von Michikazu Matsune mit einer herrischen Geste zum Schweigen gebracht: Er will in Ruhe seinen Burger mampfen. Niemals noch habe ich so fasziniert einem kauenden, schluckenden Menschen zugesehen wie dem Künstler Matsune. Michikazu Matsune Selbstporträt: © Matsune

Die Choreografie / Regie ist streng, Matsune ist der Chef, das ist deutlich zu spüren, und doch hat sich die Aufführung verändert, ist kompakter geworden, verständlicher, leichter. Das liegt zum einen am angenehmen Raum, tief unter der Erde des Studio brut, bereits mehr als ein Ausweichlokal für die brut-Baustelle am Karlsplatz, zum anderen aber auch an der Strahlkraft und Bühnenpräsenz von Matsune, Poelstra und Ward. Die drei sitzen (stehen, tanzen, gehen) im Wohnzimmer und erzählen einander Geschichten, lassen eine bunte Palette von Gefühlen zu, sind in der bisweilen vergoldeten Vergangenheit und zugleich im Hier und Jetzt. Bewegung hilft dem Erinnern: Matsune, Ward, Poelstra. © Emilia MilewskaÜberzeugungskraft und Intimität verbieten jegliche Nostalgie. Ich darf dabei sein, zuhören, zuschauen, den eigenen Erinnerungen nachhängen.

Das Rätsel, wie Matsune als Regisseur und Darsteller samt Poelstra und Ward es schafft, dass ich gebannt mitten in der Runde sitze und zugleich die perfekte Vorstellung dreier Künstlerinnen (in diesem Wort sind sämtliche Geschlechtsbezeichnungen, Einzahl und Mehrzahl enthalten) genieße, bleibt das Geheimnis jeder großartigen Performance.

Michikazu Matsune mit Frans Poelstra und Elizabeth Ward: „All Together“, erdacht und geleitet von Michikazu Matsune. Performer: Matsune, Frans Poelstra, Elizabeth Ward. Neue Aufführungsserie vom 11. bis 13. Jänner 2019. Studio brut.