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Vorschau: Ballett-Premieren in der Saison 2017/18
Bestens gelaunt, glücklich und auch stolz auf seine Compagnie, präsentierte Ballettdirektor Manuel Legris seine nächste Saison. „Das Repertoire wächst, die Compagnie wird immer besser“, und, wie die kaufmännische Direktorin, Simone Wohinz, hinzufügt, „die Auslastung stimmt auch.“ Tourneen nach China (mit Nurejews „Schwanensee“) und Japan (mit Legris’„Le Corsaire“) sind geplant, und wie sehr das Wiener Staatsballett an den großen Opernhäusern geschätzt wird, beweisen auch die zahlreichen Gastspiele, zu denen die Tänzer_innen, Solo oder im Pas de deux, eingeladen werden. Keine Gala ohne Gäste aus Wien. Das alles nährt die Hoffnung, dass uns Manuel Legris noch lange erhalten bleibt.
Über das Repertoire (Highlights: fünf Vorstellungen mit „Giselle“ zur Musik von Adolph Adam zur Saisoneröffnung 2017/18); „Josephs Legende“ in der Richard-Strauss-Woche im Dezember 2017 dreimal) habe ich bereits in einem ersten Ausblick im April berichtet, jetzt gilt es die Premieren-Choreografen vorzustellen.
Mit dem jüngsten und aufregendsten Tanzschöpfer beginne ich: Wayne McGregor, geboren 1970 in Stockport, nahe Manchester, Hauschoreograf beim Royal Ballet in London, Chef seiner Compagnie Random Dance, die Resident Company am Sadler’s Wells Theatre in London ist. McGregor hat für viele Ensembles gearbeitet, etwa das Stuttgarter Ballett, das New York City Ballet oder das Australian Ballet. 2011 wurde er als Commander of the Order of the British Empire ausgezeichnet. Der Tänzer (und Choreograf) McGregor ist nicht nur Körper, er ist auch Gehirn. Er hat einen akademischen Abschluss in Semiotik und in Tanz / Choreografie und beschäftigt sich in seinen Werken mit Themen wie Genetik, Klonen, allen Facetten der Neurowissenschaften. Physisch verlangt er von seinen Tänzer_innen Virtuosität, Reaktionsfähigkeit und Energie. Blitzschnelle Beinarbeit, spiralförmige Bewegungen des Torsos, bewegliche Gliedmaßen, die sich oft ineinander verschlingen. Abgesehen von den metaphysischen und moralischen Fragen, die McGregor aufwirft, bietet er auch pures Schauvergnügen, so schnell eben das Auge erfassen kann und das Gehirn verarbeitet.
In Wien zeigt er ein Stück vom Paradies: In „Eden Eden“, uraufgeführt 2005 durch das Stuttgart Ballett, thematisiert er die Rolle der Technologie in der Ethik und lässt Adam und Eva unter dem Apfelbaum aufwachen, während vom Klonschaf „Dolly“ erzählt wird. Die musikalische Begleitung liefert Steve Reich. Valery Ovsyanikov wird dirigieren.
McGregors Ballett ist ein Drittel eines „britischen Abends“, an dem auch die beiden großen Choreografen des 20. Jahrhunderts, Frederick Ashton (1904–1988) und Sir Kenneth MacMillan (1929–1992) vertreten sind.
Die beiden Sirs sind in Wien bestens bekannt, doch sowohl Ahstons „Marguerite and Armand“ (das Kameliendamen-Drama; Musik von Franz Liszt), geschaffen für Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn, wie auch MacMillans „Concerto“ (Klavierkonzert Nr. 2, E-Dur von Dimitri Schostakowitsch) sind echte Premieren, also ein schwieriger Abend für Tänzerinnen und Tänzer, die in allen drei Stücken an der Staatsoper debütieren.
Eine abendfüllende Premiere beschert der rumänische Tänzer /Choreograf Edward Clug. Er hat zur Musik von Edward Grieg ein „Peer Gynt“-Ballett geschaffen, das 2015 in Maribor (SNG Maribor), wo Clug seit 1991 Ballettdirektor ist, uraufgeführt worden ist. Dass der 1973 in Beius / Rumänien geborene Choroegraf auch international tätig ist, versteht sich von selbst. Neben begeisterten Kritiken und Preisen wurde ihm heuer die Ehre zuteil, für den Prix Benois de la Dance nominiert zu sein.
In der Jury sitzt diesmal (als ehemaliger Preisträger) auch Manuel Legris, und so verwundert es nicht, dass auch aus dem Wiener Staatsballett ein Stern, der Erste Solotänzer Davide Dato, nominiert ist.
Die Entscheidungen werden Ende Mai veröffentlicht, auf „Peer Gynt“ müssen Ballettfreundinnen noch bis Jänner 2018 warten. Das ist nicht gar so lang, wenn man bedenkt, wo sich der untreue Kerl überall herumtreibt.
Weit kommt Romeo Montague aus Verona nicht, auf der Flucht vor dem Gefängnis muss er in Mantua umkehren, weil die Pest umgeht, statt im Ehebett findet er Julia in der Gruft. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt und der Leichen gibt es einige. Zumindest bei Shakespeare und auch in John Crankos wunderbarer Choreografie.
Manuel Legris aber lässt sich die Geschichte von Davide Bombana – Erinnerung: 2009 wurde er für sein Ballett „Carmen“ an der Wiener Volksoper gelobt und geliebt; 2012 und 2015 hat er die Balletteinlagen für das Neujahrskonzert geschaffen – neu erzählen und empfiehlt ihm französische Musik: Hector Berlioz hat eine Symphonie dramatique mit dem Titel „Romeo et Juliette“ geschrieben. Die wird das Volksopernorchester unter Gerrit Prießnitz mit den Sängerinnen und Sängern einstudieren. Klar ist schon: Julia steht auf dem Balkon, die Veroneser Familien sind einander spinnefeind und die Liebe ist tödlich. Mehr gibt es über eine Uraufführung einstweilen nicht zu sagen. Bis 9. Dezember, wenn das französisierte Liebespaar (stimmt nicht ganz: der Choreograf ist ja Italiener, geboren 1958 in Mailand) zum ersten Mal auftritt, ist Patrick De Banas aufgefrischte „Marie Antoinette“ wieder in der Volksoper zu sehen und die Choreografen aus dem Haus (Andrey Kaydanovskiy, Eno Peçi und András Lukács) können ihre Strawinsky-Ballette mit immer neuen Protagonist_innen polieren. Schon am 13. September ist die erste Reprise von „Der Feuervogel / Petruschka / Movements to Strawinsky“.
Tanz im Mai und Juni. Doch auch diese Saison bietet noch Ballett im Überfluss: vier neue Prinzen, eine neue Prinzessin und ungezählte debütierende Schwäne (kleine und große) und Gäste aus Ost und West in den 12 Schwanensee-Aufführung ab 12. Mai 2017. Und danach, am 29. Juni 2017, Höhepunkt und Abschluss der Saison: Die Nurejew-Gala, vier Stunden, viele Gäste, bekannte und weniger bekannte Stückausschnitte, aus dem Repertoire oder eigens einstudiert. Nina Tonoli und Davide Dato erlauben mit einem Pas de deux einen Blick auf Clugs „Peer Gynt“ und der viel gepriesene britische Jungchoreograf Liam Scarlett lässt Alice Firenze mit Mihail Sosnovschi und Nina Poláková mit Eno Peçi auf den Regen warten („With a Chance of Rain“ zur Musik von Rachmaninow). Mit dem vom Norwegischen Nationalballett kürzlich im Theater an der Wien gezeigten abendfüllenden Ballett „Carmen“ hat das Wunderkind aus Ipswich allerdings schwer enttäuscht. Gut, es ist sein erster ganzer Abend, und er ist grade 30 geworden. Eigentlich ist die Gala schon ausverkauft, doch auf Restkarten darf immer gehofft werden.
Auch John Neumeier hat in Hamburg eine Gala-Tradition zu bieten, alljährlich während der Balletttage Anfang Juli. Auch dabei sind die Wiener Gäste willkommen: Mihail Sosnovschi, Maria Yakovleva, Nina Tonoli und Denys Cherevychko werden in Hamburg einen Ausschnitt aus dem Nijinskij gewidmeten Ballett „Le Pavillon d’Armide“ tanzen.
Wiener Staatsballett: Die Premieren der nächsten Saison 2017/18. Pressegespräch am 9. Mai 2017, Wiener Staatsoper.