A. Simon, A. J. Etter: „Sepia tanzt allein“, Bildband
Bildbände, in denen der flüchtige Augenblick des Tanzes festgehalten ist, gibt es viele. Die meisten widmen sich einer Tänzerin / einem Tänzer, die mit ihrem Schweben und Drehen beeindrucken. Die Tänzerin und Choreografin Andrea Simon und der Tanzfotograf Andreas J. Etter haben für ihren attraktiven Bildband ein Thema gewählt: Persönlichkeitsprofile, Grundlage der klassischen homöopathischen Diagnostik, bilden den Ausgangspunkt der ins Bild gesetzten Choreografien.
Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, ordnete seine Heilmittel verschiedenen Persönlichkeitscharakteristika seiner Patientinnen zu. Sepia etwa, die Seekatze, der Tintenfisch und im Titel des Bandes angesprochene Persönlichkeit, ist ein Freigeist, bleibt gern für sich, versucht die Menschen und sich selbst zu durchschauen. Arsenicum album, dem weißen Arsenik zugeordnet. Katalin Back tanzt, ganz in Weiß, den kleinen Angsthasen, der vor allem eines füchtet: sich schmutzig zu machen. Um die begeisternden Bilder von unheimlichen, geisterhaften, energiegeladenen und trägen Temperamenten zu genießen, muss man sich gar nicht für die von der Schulmedizin großteils immer noch mit Argwohn beäugte Homöopathie interessieren. Simon hat sich lediglich einen roten Faden für ihre Choreografien ausgewählt und damit den Betrachterinnen einen Impuls gegeben, ihre Fantasie frei fluktuieren zu lassen.
Der Schweizer Fotograf Andreas J. Etter war selbst Tänzer und weiß genau, wann er abdrücken muss und zeigt die 26 Tänzerinnen und Tänzer, auch junge, und sehr junge Tanzbegeisterte sind darunter, als magische Wesen. Oft darf den tanzenden Persönlichkeiten auch ins Gesicht geblickt werden. Wild und angriffslustig wirkt der eine, sanft und verträumt aus himmelblauen Augen die andere.
Wenn Coffea die Samba tanzt, kommt Fröhlichkeit auf, gleich wird sie vor Spannung zerspringen. Die neunjährige Chiara Irani ist dieses Springinkerl, in dem Simon mit ihren Kursen in Hofheim / Hessen die Tanzleidenschaft geweckt hat. Amalie Schröder, Siliceea mit den blauen Augen, ist erst fünf – eine zarte Prinzessin auf der Erbse. Den Buchumschlag ziert die Schülerin Carla Pahle. Als Natrium muriaticum steht sie sicher auf einem Bein und lässt Salz aus beiden Händen rieseln. Die Erwachsenen sind allesamt Profitänzerinnen und –tänzer, arbeiten freischaffend oder fix in Compagnien.
Fasziniert von den Bildern, vergesse ich fast, die teils poetischen, teils sachlichen, auch humorvollen Bilderzählungen von Andrea Simon zu erwähnen. Ich brauche sie eigentlich nicht, doch mögen sie mancher Leserin zur Anregung und Vertiefung dienen.
Eine originelle Idee, in einen faszinierenden Bildband umgesetzt. Nicht nur für Anhängerinnen der Homöopathie.
Andrea Simon / Andreas J. Etter: „Sepia tanzt allein”, Homöopathische Persönlichkeitsprofile in der Tanzfotografie. Mit einem Vorwort von Ulrich Koch. ffPublishers, 2017. 172 S. € 51,40.