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Yewande Omotoso: „Die Frau nebenan“

Autorin Yewande Omotoso © Victor Dlamini

Die südafrikanische Autorin Yewande Omotoso erzählt in ihrem Roman „Die Frau nebenan“ von zwei alte Frauen in Johannesburg, die einander nicht leiden können. Auch wenn ihre Häuser neben einander stehen, stehen sie selbst nicht auf derselben gesellschaftlichen Stufe. Die weiße Innenarchitektin Marion Agostino verachtet die dunkelhäutige Nachbarin Hortensia James, eine überaus erfolgreiche gut betuchte Textil-Designerin. Hortensia, Witwe wie Marion, sieht keinen Grund, sich an die eingebildete Tussi anzubiedern, lieber sticht sie mit ihrer spitzen Zunge gezielt zu.

Hortensia ist misanthropisch und manchmal sogar etwas boshaft, dass ihr Mann Peter, Golfspieler, Jäger, weiß, tot ist, stört sie gar nicht. Am liebsten würde sie ihm ins Grab spucken. Sie hat damit gelebt, dass Peter sie betrogen hat und auch mit der Last, die einzige Schwarze im wohlhabenden Viertel Johannesburgs zu sein. Die gesetzliche Aufhebung der Rassentrennung in Südafrika, hat Rassismus und Diskriminierung nicht ausgelöscht.
Johannesburg im Sonnenaufgang. © Paul SaadMarion ist ebenso wenig glücklich. Sie kann zwar der kinderlosen Hortensia mit vier Sprösslingen aufwarten, doch die führen ihr eigenes Leben und wollen mit der alten Mutter nicht allzu viel zu tun haben. Ihre Karriere hat sie nach der Geburt des ersten Kindes aufgegeben, doch dass sie das erste selbst entworfenes Haus nicht kaufen konnte, ist ihr ein Dorn im Fleisch, den sie nicht herausziehen kann. Genau in diesem Haus wohnt die ungeliebte Nachbarin Hortensia James. Dieses soll jetzt renoviert werden und damit beginnt eine ungewollte Annäherung der beiden einsamen Frauen.

Schuld an der weiteren Entwicklung ist ein wild gewordener Kranwagen auf Hortensias Baustelle. Er rollt davon, der Kran schwingt aus, bohrt sich in Marions Haus, Hortensia wird von herabfallenden Steinbrocken niedergeworfen, bricht sich das Bein. Yewande Omotos, Architektin, Designerin, Autorin  © privat

Jetzt brauchen beide Frauen Hilfe: Marion, weil ihr Haus unbewohnbar ist und sie kein Geld für ein Hotel. Der verstorbene Ehemann hat alles durchgebracht, sie wird das Haus verkaufen müssen, doch zuerst muss wes wieder instand gesetzt werden. Hortensia braucht, geschwächt wie sie nach dem Unfall ist, Pflege und Betreuung, doch sie überwirft sich mit jeder Pflegerinnen. Ihre Versicherungen, dass sie niemanden brauche, beeindrucken den Arzt nicht: Entweder zurück ins Spital oder Betreuung. Die Lösung drängt sich auf und die Nachbarinnen fangen die Fliegen: Marion zieht bei Hortensia ein und Hortensia kann eine Betreuerin vorweisen.

Marion sucht Gesellschaft, ist nicht so wortkarg wie Hortensia und dringt immer weiter vor in Hortensias Bereiche. Ganz allmählich erkennen die zwei Frauen, dass sie mehr verbindet als trennt. Ob schwarz oder weiß, sie sind zwei Frauen, die gelitten und gekämpft haben, die viele ihrer Träume nicht erfüllen konnten und sich in der Männerwelt gegen Anfeindungen und Spott durchsetzen mussten. Dicke Freundinnen werden sie nicht, aber sie bringen Verständnis füreinander auf und Hortensias Verbitterung lockert sich.

Buchcover: Die Frau nebenan © Ullstein Verlage Weder Hortensia noch Marion werden von Omotoso als liebenswürdige oder gar liebenswerte Frauen geschildert, doch je mehr ich von ihrer Kindheit und Jugend, von ihren geplatzten Hoffnungen und dem Leben in der von Männern dominierten Welt erfahre, desto besser kann ich sie verstehen, ja mich teilweise, besonders mit Hortensia, die unterschwelligen Rassismus schmerzhaft spürt, auch identifizieren. Dabei spart die Autorin nicht an Komik und witzigen Dialogen und zeichnet aus eigener Erfahrung ein authentisches Bild vom heutigen Leben in einer Großstadt Südafrikas.

Yewande Omotoso ist 1980 in Barbados (Teil des Commonwealth of Nations) geboren und hat ihre Kindheit in Nigeria verbracht. Als sie 12 war ist sie mit der Familie zuerst nach England, dann nach Südafrika gesiedelt. Ihr erster Roman, „Bom Boy“, hat zahlreiche Preise gewonnen. Omotoso lebt als Architektin, Designerin und Autorin in Johannesburg. Auch wenn Hortensias Biografie der ihrer Schöpferin ähnelt, so hat Omotoso keine Autobiografie geschrieben sondern das Porträt zweier Frauen, die wissen, dass sie nicht ewig leben und versuchen, die Nachbarin aus neuer Perpsektive zu betrachten.

Yewande Omotoso: „Die Frau von nebenan“, aus dem Englischen übersetzt von Susanne Hornfeck, List 2017. 272 S. € 18,50.