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Thomas Sautner: „Das Mädchen an der Grenze“

Autor Thomas Sautner © Archiv

Malina, ein sonderbares Mädchen, lebt mit ihrer Familie an der österreichisch-tschechischen Grenze. Noch trennt der Eiserne Vorhang die beiden Länder. Der Vater ist vielleicht Zollbeamter oder auch Schmuggler, so genau erfährt man das nicht. Dem Waldviertler Autor, Thomas Sautner, geht es auch nicht um eine plausible Geschichte, sondern um seine Idee, dass wir uns im Denken, Fühlen und Handeln in viel zu engen Grenzen bewegen. Sautner lässt Malina diese Grenzen überschreiten.

"Achtung! Sperrgebiet. Zutritt verboten". Erhaltenes Warnschild im ehemaligen Sperrgebiet an der Grenze zur ČSSR. © gemeinfrei  Seit seinem Debüt mit „Fuchserde“ verblüfft der Autor immer wieder durch seine Ausflüge in die Metaphysik. In einem Teil seines Werkes will Sautner erklären, dass es eben mehr gibt als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Malina, die viel mehr sieht als unsere Sinne uns wahrhaben lassen, lässt Sautner selbst ihre Geschichte erzählen. Beim Spielen übertritt sie auch die reale Grenzlinie, befindet sich unversehens in der ČSSR taucht zugleich in eine Welt, die sich über die greifbaren Realität hinaus dehnt. Am Ende der kleinen Geschichte von knapp 150 Seiten, ist der Eiserne Vorhänge gefallen, Vaclav Havel ist Präsident der tschechisch-slowakischen föderativen Republik. Malina liegt im Krankenbett, der Vater liest ihr aus dem Märchenbuch vor, sie scheint auf dem Weg der Besserung zu sein. Reste des Grenzzauns bei Čižov © gemeinfrei

Doch dass Malina krank ist, glauben nur die Anderen, die in ihre Welt nicht vordringen können. Malina aber begegnet jenseits der Grenze nicht nur dem realen, überaus menschlichen, General, sondern taucht in eine Welt voll geheimnisvoller Figuren ein, die sie ein Jahr lang begleiten. Sie erzählen ihr von Güte und Liebe, der Kunst des Verzeihens und dem Frieden auf Erden. Für Malina sind die liebevollen Begleiter_innen, Selatura, Zenon und Berkeley, reale Wesen.

Sautner ist kein Esoteriker, eher ein Aufklärer, der die Welt verbessern möchte. So wie sie ist, hektisch, gedankenlos, voller gleichgeschalteter Bewohner, die nach Erfolgen jagen, gefällt sie ihm nicht. Das gibt manchen Passagen etwas Bedeutungsvolles und unangenehm Belehrendes.Buchcover: "Das Mädchen an der Grenze". © Picus Verlag Der Hauch von Paul Coelho der diese scheinbar lebensweisen Bücher umschwebt, gefällt mir nicht.

Andererseits kann Sautner erzählen und berichtet (im konkreten Fall ist es Malina selbst) auch vom Unglaublichen als wäre es das Normale. Seine poetische Sprache entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. So liest man ohne Anstrengung bis zum Ende und hat ein wenig Mut gesammelt, auch mal eine Grenze zu überschreiten.

Thomas Sautner: „Das Mädchen an der Grenze“, Picus, 2016. 148 S. € 18,00