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„Shiny Shiny“, Liquid Loft in Bild, Text & Musik

Titelmodell Hannah Timbrell. © Chris Haring

Liquid Loft, die Tanzformation, die der Tänzer und Choreograf Chris Haring im Quartett gegründet hat, feiert Jubiläum und macht sich ein Geschenk, einen Bildband mit vielen Texten und einem alles beinhaltenden Interview mit den Speerspitzen der Compagnie, das alles aussagt, was die Fangemeinde in 15 Jahren erfahren hat und die neue LL-Fan-Generation wissen muss.

Was die Musik von Andreas Berger betrifft, so gibt es im Bildband einen Code, um das neueste Album herunterzuladen, oder es bei Ventil Records als Vinylplatte zu kaufen. Im Rahmen von ImPulsTanz ist an einem Abend Anfang Oktober, mitten in der Aufführungsserie von Liquid Loft, der schöne Bildband vorgestellt worden, zugleich hat Andreas Berger die Musik seines neuen Albums, „Work for Liquid Loft“, als Live Konzert hören lassen.
Chris Haring / LIquid Loft. © Ella Esque /impulstanz.comIm Oktober feierte Liquid Loft / Chris Haring das 15jährige Bestehen mit einer Performancereihe im Rahmen von ImPulsTanz Special im Odeon. ImPulsTanz berichtet voll Stolz, dass das übliche ImPulsTanz Festival auch heuer mit vollem Erfolg stattgefunden hat. Vom 9. Juli bis 30. August finden in ganz Wien die nahezu immer überfüllten Public Moves statt, danach ab 1. September locken ImPulsTanz Specials die Besucher in Scharen an. Allein vom 1. September bis 17. Oktober kommen 2.400 Zuschauerinnen in die 20 Vorstellungen. Zur Erinnerung: Tino Sehgal, „This Joy (Preview)" im KHM; Alain Franco, Klavierabend im Odeon, Chris Haring / Liquid Loft, inclusive der Buchpräsentation mit Konzert elf Mal im Odeon. Stephanie Cumming / Liquid Loft, fotografiert vor etwa 10 Jahren von David Payr, gefunden auf impulstanz.comFalls jetzt zufällig ein Alien aus einer anderen Galaxis mitliest, ergänze ich auch das Überflüssige: ImPulsTanz Specials müssen als verkürztes Festival herhalten (abgespeckt war dieses Festival keineswegs, denn auch die normale Version von 31 Tagen war nie zu fett), Beschwerden, wie etwa über die verordnete reduzierte Anzahl von Besucher*innen, sind beim Corona-Amt einzureichen. Im vorigen Jahrhundert wurde man in ähnlichen Fällen zum Salzamt geschickt, das gab es tatsächlich in Zeiten des Salzmonopols, heute ist das Salzamt nur noch eine Metapher für überflüssiges wie sinnloses Beschweren.

Sei's drum, reden wir von etwas Schönem, Gelungenem, Erfreulichem, dem Bild- und Textband über die Arbeitsweise von Liquid Loft. Da haben gescheite Leute gescheite Artikel geschrieben, professionelle Fotografen, vor allem der Hausfotograf Michael Loizenbauer und Chris Haring, einprägsame Bilder geliefert und Irmela Kästner, die künstlerische Leiterin der Tanzinitiative Hamburg hat ein ausführliches Interview mit den Gründungsmitgliedern – Chris Haring (Choreografie, künstlerische Leitung), Andreas Berger (Komposition, Sound), Stephanie Cumming (Tanz, Choreografie), Thomas Jelinek (Licht, Szenografie) – ­ geführt. Die Zuordnungen in Klammer sind für alle jene gedacht, die keine Programmzettel lesen oder sich Namen nicht merken können.

Thomas Jelinek / Liquid Loft. ©  Wolfgang WögererDenn: „Alles, was bis jetzt entstanden ist, das konnten wir nur miteinander machen“, und mit diesem „miteinander“ sind nicht nur die vier Gründungsmitglieder gemeint, sondern immer alle Tänzerinnen und Tänzer, ob seit vielen Jahren im Stamm von Liquid Loft, oder kurzfristig oder erst neu dabei. Die Anfänge mit Andreas Berger schildert Cumming so: „Wir haben zusammen gearbeitet und etwas ist dabei passiert. Wir sind jetzt eine feste Konstellation und es gibt etwas Besonderes daran.“ Im Lauf von 15 Jahren haben sich Wortschatz und Aussprache der Kanadierin Stephanie Cumming wesentlich verbessert. Für jene, deren Verständnis der österreichischen Sprache sich noch nicht verbessert hat, ist jeder Text im Buch auch auf Englisch zu lesen. 

Apropos Ö-Sprache, auch Irmela Kästner hat Schwierigkeiten damit, vor allem wohl mit dem „berühmten Wiener Schmäh“. Cumming erklärt es, nachdem sie gefragt worden ist, ob es „so etwas gibt wie eine Methode von Liquid Loft“. „Man muss wirklich sehr sensibel sein. Für Sound, für Kontext, für Humor. Es ist unmöglich mit jemanden zu arbeiten, der oder die keinen Humor hat. Das geht nicht.“ Da Fragt Kästner, ob das denn der Schmäh sei: Cumming: „Ja, das ist der Schmäh. Man braucht Schmäh.… Wir arbeiten seit 2007 zusammen …. Die Bewegungssprache ist tief in unseren Körpern, der Humor, die Ästhetik. Es gibt eine ganz tiefe Basis, auch in der Arbeit mit Andi.“ (Berger natürlich)Andreas Berger / Liquid Loft. © Chris Haring

Zum Abschluss, bevor ich das ganze Buch nacherzähle, noch eine Antwort auf die Frage, was überhaupt der Name Liquid Loft bedeuten soll. Nach den ersten Stücken („My private Bodyshop“, „Kind of Heroes“) wollte / konnte Haring nicht allein auf dem Programzettel stehen, von Beginn an sind die Aufführungen in einem kreativen Prozess, an dem alle beteiligt sind, entstanden und entstehen auch heute noch so. „Leute, das bin nicht nur ich, wir sind eine Gruppe. Ich will nicht, dass es nur heißt: Chris Haring. Das stimmt einfach nicht.“ Dieses "wir" hat einen Namen benötigt. Ein Name schafft Identifikation, innen und außen, und außerdem brauchen auch die unterstützenden Hände, öffentliche wie private, einen Namen samt Adresse, damit die Förderung auch richtig ankommt. Ausschnitt aus "Posing Project B", Uraufführung 2007, Wiederaufführung im Rahmen von ImpulsTanz Special im Odeon 2020. © Chris Haring"Liquid Loft" hat sich der neue Verein ab 2005 offiziell gennant, und jede / jeder legte die eigene Bedeutung hinein. Die Filmemacherin Mara Mattuschka, auch eine, die  mitunter an LL andockt, liefert mit einer wörtlichen Übersetzung eine verständliche Deutung: „Flüssige Hütte“. Außerdem, das muss schon auch gesagt werden, war das Wohnen im Loft (aufgelassenen Fabrikhallen) um die Jahrhundertwende nicht nur für Künstler*innen attraktiv, sondern geradezu ein Trend in Wien oder Berlin. Das letzte Wort hat jetzt Stephanie Cumming mit ihrer Deutung von Liquid Loft: „Das klingt jetzt etwas kitschig“, meint sie: „for me Liquid Loft is a loving dysfunctional family.“ Kein Kitsch, und wenn der kreative Prozess Bühnenreife erlangt hat, ein Stück daraus geworden ist, dann funktioniert Liquid Loft auch ohne jegliche Vorsilbe.

Liquid Loft (Hrsg.): „Shiny Shiny“, Verlag für moderne Kunst, 2020. 120 S., Deutsch / Englisch, zahlreiche Abb. in Farbe: € 25,00.
Konzept: Chris Haring, Irmela Kästner, Marlies Pucher. Redaktion: Irmela Kästner; Sound: Andreas Berger, via Download Code; Übersetzung ins Englische: Tim Sharp, Jennifer Weidenholzer; Gestaltung: metaphor: Natalie Dietrich, Michael Jung. Autor*innen: Thomas Edlinger, Lorenzo De Chiffre, Stefan Grissemann, Irmela Kästner, Uwe Mattheiß, KT Zakravsky.
Bildrechte: Alle Bilder © Chris Haring, so nicht © Michael Loizenbauer, David Payr, Aldo Giannotti. Titelbild: © Chris Haring, Modell Hannah Timbrell.