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Julian Gough: „Connect“, Thriller

Autorenbild von der Website: juliangough.com

Ein mit reichlich Spannungselementen aufgeladener Thriller, in dem die sich exponentiell steigernde Action wichtiger ist als die Hauptpersonen: Colt, ein fast Zwanzigjähriger, der sich lieber in der virtuellen Welt aufhält als im realen Leben; Naomi, seine Mutter, durch einen Missbrauch in der Kindheit traumatisiert und Ryan, der geschiedene Mann und Vater von Colt, der, immer unter dem Deckmantel der Liebe, zum Jäger der beiden wird. Julian Gough gibt mit „Connect“ vor allem jungem Publikum, das selbst die Welt durch eine VR-Brille sieht, leicht verdauliches Lesefutter.

Ansichtskarte von Vegas, entworfen von Julian Gough, zur Finanzierung der Literatur. Gefunden auf www. kickstarter.comDer Teenager Colt hat nichts anderes im Kopf als die virtuelle Welt, in die er sich versenkt, mit seinen Codes kann er sie auch verändern und hat deshalb Feinde und Freunde in dieser Welt auf dem Computerdisplay. Seine Mutter, Naomi, arbeitet auch als IT-Spezialistin, doch sie ist Biologin und arbeitet an der Möglichkeit, menschliche Gliedmaßen nachwachsen zu lassen. Ihre Forschungen sind für das Militär von Bedeutung, und dort sitzt Ryan, Colts Vater und Naomis geschiedener Mann, in hoher Funktion beim Geheimdienst.Colt und Naomi werden von einem Drohnenschwarm durch Nevada gehetzt. zdf.de/ Julian Stratenschulte / dpa

Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft und beginnt als SF-Thriller und wandelt sich allmählich zum rasanten Action-Thriller, in dem überflüssige Dialoge die Seiten füllen. Wenn eine Katastrophe auf die andere folgt, und die Leserin ohnehin weiß, dass sich Naomi und Colt wieder herauswursteln, um in die das nächste Problem zu schlittern, weil noch 300 Seiten zu bewältigen sind, ermüdet sie allmählich. Anfangs wird die Welt geschildert, wie sie in 50 oder 100 Jahren funktionieren könnte, das ist nicht uninteressant. Auch wie Colt zwischen den Welten, der virtuellen und der realen, wechselt und die Verfolger in nicht reale Landschaften lockt (Merke: Drohnen sind dumm), ist spannend zu lesen. Doch bald wird auch dieses Hin und Her zum bereits bekannten Einerlei.
Gough erzählt viel über die kleine zerrissene Familie, aber Mutter, Vater und Sohn werden nicht wirklich lebendig. Es scheint, als wären sie Forschungsobjekte, die der allwissende Erzähler durch eine Glaswand beobachtet.
Vielleicht sind Colt und seine Eltern auch Avatare, die sich stolpernd in einer virtuellen Welt bewegen.

Colt hat seine VR-Brille wasserdicht gemacht, damit er sie auch unter der Dusche nicht ablegen muss. © www.echte-erfahrung.derDas Forschungsgebiet von Naomi allerdings ist nicht fiktional. An Universitäten in Europa und den USA, darunter auch  am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie in Wien (IMP), ist das Genom des Axolotls bereits isoliert. Der Schwanzlurch kann seinen Körper auch nach schweren Verlusten wieder vollständig regenerieren. Auch andere Amphibien besitzen das Gen EGR ("Early Growth Response / frühe Wachstumsantwort"), es ist der Hauptschalter, der in einem Netzwerk von mehr als 60 Genen die Regeneration der Zellen reguliert. Der Gecko wirft seinen Schwanz ab, um dem Feind zu entfliehen, er wächst ihm wieder nach und Eidechsen wächst ein Fuß nach, wenn sie ihn im Kampf verlieren. Autor Julian Gough posiert für das Pressebild. © Rainer Hofmann / C. BertelsmannUnd dem Hai wachsen verlorene Zähne wieder nach.
Auch der Mensch hat das Gen EGR, doch scheint es im menschlichen Genom für andere Aufgaben zuständig zu sein. Da hat Gough für seinen Roman sehr genau recherchiert, diesen Erzählstrang hat er jedoch zugunsten der Jagd des US-Geheimdienstes auf Mutter und Sohn mit einem Drohnenschwarm vernachlässigt. 

Gough sagt in einem kryptischen Vorwort: „Das ist ein Roman, der in der Zukunft spielt. Aber er ist auch wahr. Er wird passieren, einfach so, und das bald. Ich weiß es, aus Gründen, die irgendwann klar werden.“ Fürs Erste gibt es ein Finale mit Moral (-Predigt).

Einband der deutschen Ausgabe. © C. BertelsmannDer Roman entpuppt sich endgültig als kitschige Liebesgeschichte. Colt wird erwachsen, verlässt die virtuelle Welt und lebt im Hier und Jetzt, weil er die wahren Werte des Lebens erkannt hat, nämlich, so der Autor: die Liebe.
Glücklich wirft er sich der schönen Sasha in die Arme, und alles ist gut.

Freunde von Hollywood Action-Thrillern ohne wirklichen Tiefgang werden Ihre Freude an „Connect“ haben, für mich war der Roman eine angenehme U-Bahn-Lektüre, deren genauen Inhalt ich bereits vergessen habe.

Julian Gough: „Connect“, aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet, C. Bertelsmann, 2019. 624 S. € 22,70. Auch als E-Book erhältlich.
Julian Gough, geboren 1966 in Irland, aufgewachsen in der Nähe von London, war Sänger der Rockgruppe „Toasted Heretic“, schrieb Romane, Gedichte, Kinderbücher und die Geschichte, die das Computerspiel »Minecraft« abschließt (Minecraft End Game Poem). 2007 gewann er den National Short Story Award der BBC. Der Roman „Connect“ erscheint in zahlreichen Ländern. Gough lebt in Berlin.