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Dror Mishani: „Drei“, Kriminalroman

Autor Mishani mit dem Originalcover von "Drei". © dror-mishani.com

Der israelische Literaturdozent Dror Mishani hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kriminalroman in Israel populärer zu machen. Mit seinem neuen Roman, „Drei“, scheint ihm das tatsächlich gelungen zu sein. Drei unterschiedliche Frauen sind die Hauptpersonen, was sie eint, ist die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.

Mishani meint, dass es zuwenig israelische Autoren geben, die Krimis schreiben, die in ihrer Heimat spielen. Seit Batya Gurs Michael Ochajon ermittelt hat, ist schließlich schon viel Wasser den Jordan hinunter geflossen. Mishanis Roman "Vermisst" wurde 2018  in Frakreich unter dem Titel "Der schwarze Fluß" mit Vincent Cassel und Romain Duris verfilmt. Die gefeierte Kriminalautorin Gur ist 2005 gestorben. Doch Mishani hat einen würdigen Nachfolger Ochajons geschaffen: Avi Avraham. Er ermittelt nicht in Jerusalem, sondern in Tel Aviv. Waren die ersten Romane (erschienen bei Zsolnay) noch etwas schwerfällig, so hat Mishani mit „Drei“, wie die israelischen Kritiker jubeln, einen „Megahit“ gelandet. Im Mai 2019 ist in Israel eine Fernsehserie nach den Kriminalromanen Mishanis gestartet. Kommissar Avi Avrahan ist nicht die einzig serientaugliche Figur Mishanis, der es liebt, sein Personal immer wieder auftauchen zu lassen. Die Sympathischen und die Unsympathischen.

Jedes Mal das gleiche Dilemma: Wie erzählt man den Inhalt eines Kriminalromans, ohne die Spannung der Leserin schon von vornherein zunichte zu machen. Am besten gar nicht. Doch den Rahmen kann ich schon skizzieren. Orna, geschieden und Mutter eines kleinen Sohnes, will es noch einmal versuchen. Sie schreibt sich auf einem Dating Portal ein und beginnt mit dem Rechtsanwalt Gil eine Affäre. Doch dann trifft sie ihn mit seiner Frau, von der er angeblich schon geschieden ist. Auch Emilie, die aus Riga nach Jerusalem ausgewandert ist, lernt Gil kennen. In der israelischen TV-Serie nach Mishanis Romanen spielt Moris Cohen den Ermittler Avi Avraham. © Gun films. Sie hat den Tipp für den Job als Putzfrau in einer Wohnung von ihm, in der er sich selten aufhält, von der Mutter Gils bekommen, die ihr als ehemalige Pflegerin des nun verstorbenen Ehemannes zugetan ist. Gil ist charmant und Emilie findet Trost in ihrer Lebenskrise. Als sie zufällig in einer Schublade gehortete Zeitungsausschnitte findet, wird sie neugierig. Gil gefällt das gar nicht. Schließlich lernt die Leserin auch die dritte Frau, Ella, kennen. Sie braucht dringend eine Pause von ihren drei Kindern. Gil wird sie im selben Café ansprechen, in dem er sich mit Orna getroffen hat. Sitzt Ella mit ihrem Laptop zufällig im Café, in dem Gil jeden Morgen frühstückt, oder mit Absicht?

Buchcover "Drei" © Diogenes VerlagMishani lehrt uns, dass es kaum möglich ist, einen Menschen wirklich zu kennen, dass sich das Böse hinter jeder Maske verbergen kann und zeigt, wie gefährlich die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit sein kann. Seinem Beruf als Literaturfachmann macht Mishani alle Ehre: Kein Wort zu viel, keine üerflüssigen Attribute, und dennoch zeichnet er alle drei Frauen so lebendig, dass ich meine, ihnen schon begegnet zu sein. Ein auf ungewöhnliche Weise spannender, zutiefst menschlicher Roman, dessen Schluss so überraschend ist, dass ich gleich wieder von vorne anfange, um ihn richtig zu verstehen.

Dror Mishani: „Drei“, aus dem Hebräischen von Markus Lemke, Diogenes 2019. 335 S. € 24,70.