Zum Hauptinhalt springen

Ballettpremiere: Balanchine, Cunningham, Schläpfer

Schläpfer benötigt ein großes Ensemble für seine Choereografie „Pathétique“

Die Saison neigt sich dem Ende zu und Martin Schläpfer präsentiert seine letzte Premiere in Wien. Der vertanzten Symphonie Nr. 6 h-Moll von Peter I. Tschaikowski setzt er für den Abend ein Repertoirewerk von George Balanchine, Divertimento Nr. 15, und Merce Cunninghams Erfolgskreation Summerspace voran. Als Pars pro Toto dient der Titel des Abends, „Pathétique“, zugleich der Beiname der Tschaikowski-Symphonie. Das Publikum, das zuvor in jede wichtige Pause, jede Fermate hinein gepascht hat, zeigt sich nach der Premiere am 9. April enthusiasmiert.

Balanchine: „Divertimento“ Alisha Brach mit dem Damensensemble.Balanchines Divertimento Nr. 15, zur Musik von W. A. Mozart (KV 287)ist 1956 vom NYCB uraufgeführt worden und war 1969 zum ersten Mal in Wien zu sehen. Das Ballett der Staatsoper hat Divertimento (KV287) im Theater an der Wien in fünf Vorstellungen getanzt, bis das Ballett im Dezember in die Staatsoper übersiedelt ist, wo es bis 1973 gezeigt worden ist. 1990 hat die Tänzerin und Kurzzeitdirektorin Gerlinde Dill (1933–2008) die Choreografie wieder auf die Bühne geholt. Hyo-Jung Kang mit Davide Dato  in „Divertimento Nr. 15“.Das Besondere an dieser Neueinstudierung, nun mit dem Titel Divertimento Nr. 15, in der Saison 1990/91 ist, dass Suzanne Farrell für die Einstudierung gewonnen werden konnte. „Sie ist wie eine Geige, die Musik kommt direkt aus ihrem Körper,“ hat Mr. B. die vielfach preisgekrönte Ballerina beschrieben. Was für ein Glück für die Wiener Compagnie, die Muse Balanchines kennenlernen und mit ihr arbeiten zu dürfen. Dennoch, bei all den eingebauten Schwierigkeiten, mit Balanchines zur selben Zeit entstandenem Allegro brillante zur Musik von Tschaikowsky ist Mozarts Divertimento Nr. 15 nicht zu vergleichen. „Divertimento Nr. 15“: Kiyoka Hashimoto mit Davide Dato. Es mag auch daran liegen, dass die Tänzerinnen (fünf Solistinnen, drei Solisten und ein Miniensemble von acht Damen) müde und auch demotiviert sind und deshalb die 35 Minuten eher uninspiriert dahinplätschern lassen. Die Regel bestätigenden Ausnahmen müssen nicht aufgezählt werden.
An frischer Energie mangelt es auch den fliegenden Vögeln am Sommerhimmel in MeSchon schön: Die acht Tänzerinnen des die Solistinnen begleitenden Ensembles. rce Cunninghams Summerspace. Was muss das für ein Erlebnis gewesen sein, als Summerspace 1958 beim American Dance Festival im Connecticut College (New England / Connecticut) zum ersten Mal zu sehen war! Doch auch heute noch verdient dieses Glanzstück der Methode Merce Cunninghams (1919–2009) ein mehrfaches „Wow“. Cunninghams bevorzugte Methode war es, Ausstattung und Musik erst knapp vor der Premiere mit der Choreografie zu vereinen. Cunningham: „Summerspace“.  Rebecca Horner, nach der karenzzeit wieder in Bestform.Sämtliche Künstler, im konkreten Fall der bildende Künstler Robert Rauschenberg und der Komponist Morton Feldman wussten nichts voneinander und auch nicht, was Cunningham und die Tänzerinnen probierten. Cunningham :Summerspace“ Wie aus der Tapete gesprungen sind Rauschenbergs Kostüme. Im Bild François-Eloi lavignac. F E LavignacCunningham ab einen ungefähren Zeitrahmen vor, doch jeder der drei arbeitete für sich. Und doch! Am Ende waren 20 Minuten aus einem Guss zu sehen: Bühne, Bewegung und Klang waren zu einer Einheit verschmolzen. Rauschenbergs bunter Pointillismus für die Bühne und die Kostüme machen so fröhlich wie das Springen und Fliegen, das Erscheinen und Verschwinden der Tänzerinnen (Zwei Männer, vier Frauen). Morton Feldmans Komposition, Ixion, für zwei Klaviere klingt wie Wassertropfen. „Summerspac“ mit Sveva Gargiulo und Eszter Ledán, zwei verlässlichen Halbsolistinnen. Vorsichtig, ja rücksichtsvoll  vereinen sich die Töne, teils silberhell, teils golddunkel, aus dem Orchestergraben mit dem Geschehen auf der Bühne. Übrigens, 1991 hat Cunningham noch einmal Vögel fliegen lassen, diesmal am Strand. In Beach Birds  – Musik von John Cage, Bühne und Kostüme von Marsha Skinner – lässt der Choreograf den elf Tänzerinnen viel Freiheit. In schwarz-weißen Kostümen, dürfen sie ihre eigene Phrasierung finden. „Beach Birds for Camera“ ist eine filmische Adaption des Bühnenwerks, entstanden 1993 unter der Regie von Elliot Caplan, der schon 1991 für den Dokumentarfilm Cage/Cunningham mit dem Choreografen zusammengearbeitet hat. Ein Platz im „Summerspace“ iaauch für den gelenkigen Halbsolisten Jackson Carroll.1995 wurden beide Filme im Rahmen von ImPulsTanz gezeigt. Mir scheint das wechselnde Licht auf der Bühne in meinem Gedächtnis einen Strand entstehen lassen, auch der Film ist auf der weißen Bühne Skinners gedreht worden.  
Inzwischen sind durch zwei Pausen nahezu zwei Stunden vergangen, die als Hauptwerk des Abends gedachte Choreografie steht noch bevor. Peter Tschaikowskis 6. Symphonie, Pathétique genannt (auf Russisch bedeutet der Begriff Патетическая / Patetitscheskaja pathetisch, aber auch leidenschaftlich, komponiert für das Konzertpodium, vom Ballettdirektor in den Graben verbannt, wird zu hören sein. Wie gewohnt?  Giovanni Cusin, Masayu Kimoto, Arne Vandervelde in Sclaepfers Choreografie zu Tschaikowskis 6. Symphonie.Die Erfordernisse an die Raumakustik sind für ein Opernhaus völlig andere als in für einen Konzertsaal. Sei’s drum, es geht eigentlich nicht um ein Konzert, sondern um den Tanz. Nur wenn Konzertmusik großer Komponisten (ob Mahler oder Beethoven, Schostakowitsch oder Tschaikowski) eine Choreografie begleiten soll, dann empört sie sich, erhebt ihre Vielstimmigkeit und drängt sich nach vor, übernimmt die Führung.Der Tanz ist jetzt die Begleitung. Déjà-vu! Diesmal mit Stehgeiger.  Schläpfer ist in statu abeundi und die neue Ballettdirektorin, Alessandra Ferri, bereits ante portas. Also, wie es so üblich ist: nihil, nisi bene.Ein gelngenes Foto von Ashley Taylor. Im Sprung erwischt: Natalya Butchko und  Phoebe Liggins.
Auf so ein Bene muss vorsorglich aufmerksam gemacht werden. Nur zwei Termine gibt es für Hans van Manens außergewöhnliches Video-Ballett LIVEOlga Esina beeindruckt im Video-Ballett „LIVE“ von Hans van Manen.Am 18. Juni ist Olga Esina, die auch die Premiere im Dezember 2020  getanzt hat, die Frau in Rot auf der Bühne und im Video. Marcos Menha ist wieder ihr Partner. Balázs Delbó führt die Live-Kamera. Am 23. Juni wird Eno Peçi der Mann sein, Claudine Schoch ist die Tänzerin, Delbó der Kameramann. Die Musik zu diesem einmaligen Werk aus dem Jahr 1979, als die Videotechnik noch im Kinderzimmer gespielt hat, ist von Franz Liszt. Shino Takizawa interpretiert sie am Klavier. Nach der Pause: Martin Schläpfer lässt das Wiener Staatsballett zu Gustav Mahlers 4. Symphonie tanzen.

Dreiteiliger Abend mit Choreografien von George Balanchine, Merce Cunningham und Martin Schläpfer, benannt Pathétique.
Divertimento Nr.15:
Choreografie von George Balanchine
Musik: W. A. Mozart, musikalische Leitung: Christoph Altstaedt
Kostüme. Karinska
Hyo-Jung Kang, gehoben von Davide Dato.Summerspace: Choreografie von Merce Cunningham.
Musik: Ixion für zwei Klaviere von Morton Feldman; Klavier: Johannes Piirto und Milica Zakić
Bühne, Kostüme und Licht: Robert Rauschenberg
Pathétique: Choreografie von Martin Schläpfer, Uraufführung, 9.4.2025
Musik: Peter I. Tschaikowski, Georg Friedrich Händel; musikalische Leitung: Christoph Altstaedt;
Bühne: Thomas Mika, Kostüme: Catherine Voeffray; Licht. Robert Eisenstein.
Wiener Staatsballett, Orchester der Wiener Staatsoper.
Folgevorstellungen: bis 10.6. 2025
Fotos: © Ashley Taylor