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Filmfestival Viennale’17 – Zwei Wochen im Kino

Filmstill aus "Opuntia" von David Fenster © Viennale

Noch ist das sachkundige und liebevolle Wirken des verstorbenen Direktors Hans Hurch zu spüren. Die aktuelle Viennale ist teils von, auf jeden Fall jedoch für Hans Hurch konzipiert. Die Mischung ist bunt wie immer, neu ist lediglich das Festivalzentrum in der Kunsthalle Wien im Museumsquartier. Als Stargast ist Christoph Waltz geladen. Sein Kommen hat der Oscarpreisträger bereits zugesagt. Bemerkenswert ist der aktuelle Trailer von Abel Ferrara. Er verknüpft einiges, das Hans Hurch wichtig war, mit traumartigen Sequenzen und verdichtet die Bilder zu einer fantastischen Vision.

„Ein kleines Dankeschön für jemanden, der den Traum vom ewigen Kino konstant und konsequent aufrechterhalten hat“, schreibt Ferrara in seiner Begleitnote für den als Nachruf gestalteten Signalfilm der Viennale’17. Mit „Piazza Vittorio“ ist Ferrara auch in meiner Auswahl von Dokumentarfilmen vertreten. Die Aufmerksamkeit, die den Spielfilmen gegönnt ist, verdient auch der Dokumentarfilm. Die Viennale widmet sie ihm jedes Jahr.

Abel Ferrara: "Piazza Vittorio", ein multikultureller Treffpunkt. Alle Bilder © ViennaleAlso Ferrara aus der mit mehr als 60 Titeln reichlich gespickten Liste ausgewählt. „Piazza Vittorio“ erzählt vom Leben und Treiben auf dem gleichnamigen Platz in Rom, so etwas wie ein zweites Hau des Amerikaners in Rom. Die Piazza Vittorio ist ein multikulturelles Sammelbecken, afrikanische Musiker, obdachlose Männer und Frauen und auch Mitglieder der rechtsextremen CasaPound sind dort zu treffen. Jedoch keine Touristen, Piazza Vittorio hat einen schlechten Ruf.

90 Minuten Nachthimmelsbilder aus der gesamten Filmgeschichte zeigt der Wiener Experimentalfilmer Johann Lurf. „Johann Lurf“ ist auch der Titel des Films, den Lurf selbst „fast reines Cinéma verité“ nennt. Auf meiner Watchlist steht auch „Ex Libris – The New York Public Library“. Frederick Wiseman, Pionier des Direct Cinema, ist längst eine Institution geworden. Wiseman, geboren 1930, dringt tief in die innere Struktur einer Institution ein, um ihr Innenleben zu erforschen. Die Bibliothek ist für ihn kein Ort, Bücher zu archivieren, sondern einer, Wissen zu vermitteln. Becoming Cary Grant von Mark Kidel

Viel zu viel Sehenswertes gibt es in der Dokumentarfilmauswahl! Ich werfe die Angel des persönlichen Interesses aus und ziehe einige bunte Fische an Land:
Etwa „78/52“ von Kammermann Alexandre O. Philippe, der die 78 Shots und 52 Cuts, in die die berühmt-berüchtigte Duschszene aus Hitchcocks „Psycho“ aufgelöst ist, von Kennern zerlegen und analysieren ließ. Oder „A L’ouest du Jourdan / Westlich des Jordan“ des israelischen Filmemachers Amos Gitai, der in Spielfilmen und Dokumentationen für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern eintritt. Diesmal befragt er Frauen und Männer in den Dörfern auf beiden Seiten des Jordan über ihre Hoffnungen und Ängste.

Amos Gita "A L’ouest du Jourdan". Aus dem Leben der Bewohner*innen rechts und links des Flusses.Als der Hollywood-Film noch Substanz hatte, im 20. Jahrhundert, war der elegante Cary Grant, ein Star, nicht nur in Filmen Alfred Hitchcocks, auch in Komödien wie „Leoparden küsst man nicht“. Mark Kidel nähert sich dem 1986 Verstorbenen filmisch an und zeigt, wie aus dem Engländer Archibald Leach der Amerikaner Cary Grant wurde und wie der Mensch sein Leben meisterte. „Opuntia“, ein Titel der reizt, sind die Opuntien doch Kakteenarten. Den Geist eines Kaktus lässt David Fenster von Cabeza de Vaca erzählen, einem spanischen Seefahrer und Eroberer. Doch ist der Film weniger historische Dokumentation als vielmehr eine intime, persönlich gestaltete Reflexion.Nachthimmel von Johann Lurf.

Zum Abschluss sei noch auf den jüngsten vierteilen Film von Claude Lanzmann hingewiesen: „Les quatres Soeurs / Die vier Schwestern“ Mit diesen vier Frauen hat Lanzmann bereits vor 30 Jahren gesprochen, als er 1985 seinen Dokumentarfilm „Shoah“ gedreht hat. Logoe Viennale'17Die vier Teile („Baluty“, „La Puce Joyeuse“, „L’Arche de Noe“, „Le Serment d’Hippocrate“) sind ein Blick in die Hölle und zugleich ein Blick auf das Leben.

Einen kurzen Blick auf das Spielfilmangebot erlaube ich mir auch, weil ich mit Hans Hurch und dem Choreografen und leidenschaftlichen Cinéasten Nikolaus Adler eine Liebe teile. „Au Hasard Balthazar“ von Robert Bresson († 1999) hat Tilda Swinton in Memoriam Hurch ausgewählt. Man kann das Portrait des malträtierten Esels, als Gleichnis für die Welt, nicht oft genug erleben. Auch wenn die Tränen fließen, macht dieser Film irgendwie glücklich.

Viennale’17: 19. Oktober bis 2. November 2017. Detaillierte Informationen: viennale.at.