Josef Hader: „Wilde Maus“, Tragikomödie
Inmitten der unendlichen Schneelandschaft ein Krater. Darinnen sitzt Josef Hader, ist splitterfasernackt und schaut ziemlich betropetzt in die weiße Welt. Eine vielversprechende Einleitung des Regiedebuts von Josef Hader, der auch das Drehbuch geschrieben hat und die Hauptrolle spielt. Intelligent, mit pointierten Dialogen und einer lebensnahen Handlung ist „Wilde Maus“ eine Komödie mit ernsthaftem Hintergrund, die im Gegensatz zu den im Vorjahr in die Höhe gelobten sogenannten Komödien nicht nur an Unterhaltungswert übertrifft. Ganz ohne falsche Zähne.
Josef Hader, als Darsteller längst erprobt, spielt Georg, den renommierten Musikkritiker einer Wiener Zeitung. Dass er seinen Beruf ernst nimmt und von den Lesern geliebt wird, beeindruckt den Chefredakteur, der den Sparstift ansetzen muss, gar nicht. Georg muss gehen. Patschert wie er ist, packt er gleich seine Sachen, ohne an Kündigungsfristen oder Abfertigungsansprüche zu denken. Dieser unfreundliche Akt nagt an seinem Selbstbewusstsein und bald auch an seiner Ehe mit Johanna, einer Therapeutin. Der wird nichts erzählt von der neuen Arbeitslosigkeit und damit legt Georg den ersten Stein für ein Lügengebäude, in dem er sich bald selbst nicht mehr (aus-)kennt.
Mit dem Sinken seines Selbstwertgefühls steigt sein Bedürfnis nach Rache. Diese miese Kreatur von einem Chefredakteur soll so leiden wie Georg selbst. Seine Rache ist leider gar nicht süß, sondern recht kindisch und muss, fortzeugend, immer neue Terrorakte gebären. Schließlicht greift Georg gar zum Gewehr und legt es auf den Ex-Chef an, entdeckt auch zugleich dessen Geheimnis. Abdrücken kann er nicht und landet nach einer wilden Rauferei dort, wo uns der Vorspann bereits hingeführt hat: in einer wunderbar friedlichen, stillen Schneelandschaft. Georg fällt nichts Besseres mehr ein, als sich mit Wodka zuzudröhnen und auf den Erfrierungstod zu warten. Sich nach einem neuen Job umzuschauen, mit seinem Wissen und Können zu wuchern, ist ihm nicht eingefallen. Und so misslingt, wie alles, was er seit dem Rauswurf unternommen hat, auch der geplante Kältetod.
Wie die agierenden Personen, neben Georg und Johanna und dem Ex-Chefredakteur auch ein Schulfreund und arbeitsloser Wiener Strizzi, ein unglücklicher Klient von Johanna und ein Sushi-Koch, der ein böses Auge auf Georg geworfen hat, miteinander vernetzt sind, klärt sich erst im Lauf der Handlung und gibt einen weiteren Grund, sich an der subtilen Komik Josef Haders zu erfreuen.
Die Rollen sind perfekt besetzt, alle Mitspieler_innen sind urkomisch, rutschen jedoch niemals in billigen Klamauk. Die österreichische Schauspielerin und Autorin Pia Hierzegger ist Johanna, die ratlose Ehefrau; Jörg Hartmann (Kommissar Faber im Dortmunder Tatort-Team) der terrorisierte Chef; Georg Friedrich, der Praterstrizzi; Denis Moschitto der unter Liebesentzug leidende Therapie-Klient. Hinter der Kamera das exzellente Team Andreas Thalhammer & Xiaosu Han.
Georg, sitzt nicht in der Stadthalle sondern im Konzerthaus oder im Musikverein, also ist auch die Filmmusik vornehmlich klassisch, von Vivaldi und Händel über Mozart und Beethoven bis Schuhmann und Stravinsky. Zum Drüberstreuen gibt es Pratermusik und den Hit „Maschin“ von Bilderbuch zu hören.
Ein Soundtrack, wie ich ihn mir wünsche, ein Film an dem ich nichts zu beklagen finde. Die „Wilde Maus“ ist übrigens nicht nur der verbohre, rabiate Georg sondern auch eine Praterattraktion, die sich rasend schnell dreht, wie das Karussell des Lebens, aber wesentlich schönere Bilder hergibt.
„Wilde Maus“ ist sowohl im Wettbewerb der 67. Berlinale um den Goldenen Bären, wie auch bei „Berlinale Special“. Das Filmfestival von Berlin dauert heuer vom 9. bis 19. Februar. Der Filmstart ist zur rechten Zeit angesetzt.
„Wilde Maus“, ein Film von und mit Josef Hader. Mit Pia Hierzenegger, Jörg Hartmann, Georg Friedrich und anderen. Produziert von Wega Film im Vertrieb von Filmladen. Ab 17.2. 2017 in den Kinos.