Clara Furey: “When Even The“, ImPulsTanz
Kontemplation mit einer Bahre aus den Krematorien des KZ Mauthausen im Zentrum der Bühne.
Die kanadische Performance-Künstlerin Clara Furey präsentiert mit ihrem Stück „When Even The“, das inspiriert ist vom gleichnamigen Gedicht des Musikers und Poeten Leonard Cohen, eine meditative Arbeit, die, als österreichische Erstaufführung, gezeigt im 3. Untergeschoß des mumok, durch ihre kraftvolle Ruhe, mit einer gar nicht vordergründigen Harmonie aus Skulptur, Körperlichkeit und Klang bewegt. Die von Heimrad Bäcker geschaffene Skulptur aus der ständigen mumok-Sammlung, eine leicht verformte metallisch-rostig-verbrannte Bahre aus den Krematorien des KZ Mauthausen, bildet das optische, emotionale und Deutungs-Zentrum dieser Performance.
Sie betritt den Bühnenraum, nur mit Jeans bekleidet, denn man hatte ihnen alles genommen, nur ihre Würde nicht, und legt sich an die Bahre, der Länge nach, so, als läge sie selbst darauf. Ihre Haare bedecken ihr Gesicht. Denn die Vielen hatten kein Gesicht!
Ganz vorsichtig, sehr langsam, beginnt Clara Furey, sich zu bewegen. Sie dreht sich auf die Seite und liegt wiederum lange still. Nicht mehr tot, jetzt wie schlafend. Langsam erschließt sie sich die Bühne, immer wieder innehaltend und vom sehr allmählich sich verändernden Sound begleitet.
Der elektronisch erzeugte Sound (großartig komponiert und arrangiert von ihrem Bruder Tomas Furey), mit ständigem Crescendo und Decrescendo, harmonisch beginnend und sich in kaum wahrnehmbarer Weise in leichte Verstimmung begebend, erzeugt mit den tiefen, dunklen Flächen und den darüber liegenden helleren Tönen eine Grundstimmung, die, gemeinsam mit dem anfangs nur da liegenden Körper, auf dem Rücken, Ruhe, Einkehr, Lauschen auf das, was in einem passiert, geradezu provoziert.
Das Licht: Eine Zeile von Leuchten an der Decke, die mit langsamem Lauflicht stetig sich wiederholendes Heller-Dunkler auf dem Bühnenboden erzeugen und so das Wabern im Sound ergänzen, sowie zwei Scheinwerfer, die erst später ganz langsam beginnen zu erstrahlen, um am Ende ebenso langsam wieder zu verlöschen.
Einmal liegt sie bäuchlings neben der Bahre, deutete Masturbation an. Die Bejahung des Lebens neben der die Reste menschlicher Existenzen vernichtenden Apparatur! Eines der vielen starken, aber unaufdringlich erzeugten Bilder!
Nach einer Annäherung an die Umsitzenden nähert sie sich wieder der Skulptur. Neben dieser sitzend, beginnt sie zu hospitalisieren. Den Oberkörper vor und zurück wippend, spricht sie hebräische Totengebete. Der emotionale Höhepunkt des Abends!
Lange sitzt sie noch da. Die Musik wird ganz langsam leiser, das Licht verlischt kaum spürbar. Sie steht auf, nähert sich der Wand und küsst diese. Allein. Nicht als einer von zehntausenden Pilgern. Dann verläßt sie die Bühne. Das Publikum, eher jeder mit sich, war allein gelassen mit seinen Empfindungen und Gedanken. Es brauchte lange, bis der Applaus, sehr warm, begann.
Die Dauer (nicht die Länge!) hielt nicht jeder aus. Wenige wurden unruhig, einige verließen den Raum, viele waren gefangen von der Mystik, der Spiritualität dieses eineinhalb Stunden währenden Augenblicks.
Unendliche Schönheit und menschengebrachter Tod, Feier und Anbetung des Seienden und der vernichteten Leben, Biophilie und Nekrophilie beschreiben die Pole dieser äußerst beeindruckenden, tief berührenden Performance. Wiederum ein Manifest der Menschlichkeit, eine deshalb hochpolitische Arbeit, für die Clara Furey und ihren KollaboratorInnen ebenso wie ImPulsTanz größter Dank gebührt.
Clara Furey: “When Even The“, künstlerische Leitung und Performance: Clara Furey; Komposition und Musik: Tomas Furey; Lichtkonzeption: Alexandre Pilon-Guay; Video-Konzeption: Kaveh Nabatian. 28.07.2018, Mumok im Rahmen von ImPulsTanz.
Weitere Vorstellungen: 30. und 31. Juli 2018.