Weltstar-Gala ’19 – Ballett im Volkstheater
Ein Fest! Ballettstars aus den großen Compagnien Europas und dem Bolschoi Ballett in Moskau haben am 1. Dezember im knallvollen Volkstheater dem begeisterten Publikum einen erlebnisreichen Abend beschert. Zum dritten Mal ist es Kirill Kourlaev, ehemaliger Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts, und Olga Esina, aktive Erste Solotänzerin in der Wiener Compagnie, gelungen, Wien eine Gala mit Weltstars zu bescheren, die keine Wünsche offen gelassen hat. So herzlich, so laut und langhaltend tönen Applaus und Bravorufe selten im sonst dem Wort huldigenden Theaterhaus.
Die „Weltstargala“, veranstaltet von Kourlaev & Esina Production, ist aus Wien nicht mehr wegzudenken.
Sehr klug hat Kourlaev mit den Tänzer*innen die Dramaturgie des Abends geplant. Höhepunkte des klassischen und romantischen Balletts, hinreißender Spitzentanz und zeitgenösssiche Choreografien junger Tänzer sind zu einem abwechslungsreichen Abend zusammengefasst. Eröffnet hat eine Ballerina, die Wiener Ballettfans jedes Mal von neuem mit Staunen bewundern. Liudmila Konovalova, Erste Solotänzerin im Wiener Staatsballett, versetzt mit Young Gyu Choi, dem mehrfach preisgekrönten Principal Dancer im holländischen Nationalballett, durch den zauberhaften Pas de deux aus dem 2. Akt des Balletts „La Bayadère“ das Publikum gleich zu Beginn in Hochstimmung. In Wien war das Werk von Marius Petipa zur Musik von Ludwig Minkus zum letzten Mal 2008 zu sehen. 1999 hat Vladimir Malakhov "Die Bajadere“ neu choreografiert und mit der Wiener Compagnie einstudiert. Malakhov selbst hat bei der Premiere im März die Hauptpartie, Prinz Solor, getanzt. Der aktuelle Prinz ist der aus Südkorea stammende Tänzer Young Gyu Choi, der sich die Liebe des Publikums mit perfekter Sprungtechnik bereits im Vorjahr ertanzt hat. Entfesselt fegt die Konovalova über die Bühne, deren Maße, für das Sprechtheater ausgelegt, für viele Tänzer*innen als Bremse wirken. Doch alle meistern mit Bravour diese Hürde. Tänzer*innen tanzen, wo immer sie dürfen, auf kleinen Bühnen, auf schlechtem Boden, mit den Füßen im Wasser und auch mit Blut im Schuh. Da ist der fehlende Auslauf das geringste Übel.
Auch das zweite Paar, Erste Solotänzerin Olga Esina und der Erste Solotänzer des Wiener Staatsballetts Jakob Feyferlik, darf sich der Begeisterung und Zuneigung aller Ballettfreund*innen sicher sein. Die Choreografie des Compagnie-Kollegen András Lukács, „Luminous“ zur Filmmusik von Max Richter, ist ein ästhetischer Genuss, dessen innige Schönheit die Tränendrüsen öffnet.
Aus Moskau sind Evgenia Obraztsova und Alexander Volchkov angereist, um mit dem Pas de deux aus „Dornröschen“ (Musik: Peter Tschaikowski, Choreografie: Marius Petipa) Märchenstimmung herbeizuzaubern. Wie „Luminous“ ist auch der Pas de deux "IN2" von Fabio Adorisio, Mitglied des Stuttgarter Balletts, zur Musik von Philip Glass eine Beziehungsgeschichte. Elisa Badenes, Erste Solotänzerin im Stuttgarter Ballett, und der Choreograf selbst überzeugen mit Stringenz und ausgefeilter Bewegungssprache. Halbsolist Fabio Adorisio gehört zu den interessanten jungen Choreografen des Stuttgarter Balletts, dessen Kreationen nicht nur in Stuttgart gezeigt werden. „IN2“ ist 2015 vom Stuttgarter Ballett uraufgeführt worden.
Herzlich begrüßt werden auch Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru, Erste Soltänzerin, Erster Solotänzer im Staatsballett Berlin. Tamazlacaru, aus Moldawien stammend und zum Teil in Wien ausgebildet, ist seit 2017 treuer Star der Wiener Weltstar-Gala, dementsprechend freudig wurde der fröhliche Werbetanz im Schottenrock mit der zierlichen Sylphide („La Sylphide“, Choreografie: August Bournonville, Musik: Herman Severin Løvenskjold) beklatscht. Mit dem galaerprobten „Grand Pas Classique“ von Victor Gsovsky, Musik von Daniel-François Esprit Auber, beendeten Nicoletta Manni , Prima Ballerina am Teatro alla Scala und Claudio Coviello, Primo Ballerino ebendort, den ersten Teil des Galaabends. Das Blättern im Programmheft verspricht auch als Abschluss des zweiten Teils einen "Grand Pas". Der aber ist von ganz anderer Art.
Nach der Pause darf Tamazlacaru in einem Pas de deux mit Salenko aus der Burleske „La Halte de Cavalerie“ aus dem Jahr 1896 von Petipa zur Musik von Ivan Armsheimer tanzen. Erzählt wird von der von der Ankunft der Husaren in einem österreichisch-ungarischen Dorf, die feschen jungen Herren verdrehen den jungen Frauen den Kopf. Dass auch beim Ballett gelacht werden darf, erkennt das Publikum erst später. Im Ballett „Sylvia“ in der Choreografie von Manuel Legris gibt es nichts zu lachen. Doch zum Träumen, wenn Olga Esina mit Jakob Feyferlik über den Boden gleitet und schwebt. Igor Zapravdin, der Maestro am Piano, begleitet live und der Stargeiger Yury Revich, der an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (muk) studiert hat und auch hier lebt, brachte das Adagio auf vier Saiten zum Schmelzen. Dass er den Bogen auch zum tanzen bringen kann, zeigt er mit dem Säbeltanz aus „Gayaneh“ von Aram Chatschaturjan. Maestro Zapravdin lässt die Tasten springen.
Obraztsova und Volchkov zeigen das Happy End der Liebesgeschichte zwischen Raymonda (Titel des Balletts) und dem Kreuzritter Jean de Brienne. Die schöne Musik Alexander Glasunows und die strahlend weißen Kostüme haben Zauberkraft. Noch einmal springt Young Gyu Choi herbei, diesmal mit der Ersten Solotänzerin des Wiener Staatsballetts Nikisha Fogo, deren Avancement übrigens nach der Premiere von „Sylvia“, in der sie Titelrolle getanzt hat, stattgefunden hat. „Diana and Actaeon“ ein Pas de deux von Agrippina Jakovlewna Waganowa (1879–1951) zur Musik des Ballettkomponisten Cesare Pugni (1802–1870) ist ein richtiges Galastück, bei dem die Tänzerin und der Tänzer mit Spitzentanz und kräftigen Sprüngen glänzen. Nicoletta Manni und Claudio Coviello zeigen einen Ausschnitt aus Mauro Bigonzettis Choreografie „Caravaggio“, ein abendfüllendes Ballett, das mit Malakhov in der Titelpartie 2008 an der Berliner Staatsoper zum ersten Mal gezeigt worden ist. Der Pas de deux aus dem zweiten Akt geht unter die (nackte) Haut.
Zum Abschluss endlich die versprochene Komik: „Le Grand Pas de Deux“ ist eine Parodie auf sämtliche gesehenen Pas de deux von Christian Spuck zur Giacomo Rossinis Ouvertüre "Die diebische Elster". Elisa Badenes und Yoel Carreño, Principal dancer im Norwegischen Nationalballett, Oslo, der wie Adorisio für den kurz vor der Gala verletzten Jason Reilly aus Stuttgart im wahrsten Sinn des Wortes eingesprungen ist, tun sich keinen Zwang an, zerlegen die Bewegungen das klassischen Balletts in ihre Einzelteile und setzen es nach ihrem Gusto wieder zusammen. Ein großes Vergnügen, das auch die gefleckte Kuh mit Krönchen und Tütü im Hintergrund genießt. Dennoch, tierischer Ernst ist dem Tanz fremd, das haben schon viele renommierte Choreografen gezeigt. Doch Heiterkeit und eine kleine Portion Klamauk fördern den Applaus. Der ist nach dem Spitzentanz der Spitzenstars spontan und emotionsgeladen, und will gar nicht enden. Hat doch an diesem Abend alles geklappt, auch die Bühnengestaltung, die Musikeinblendungen und das Licht. Die Dankesbezeugungen gelten daher nicht nur den versammelten Stars und dem Spiritus Rector, Kirill Kourlaev, sondern dem gesamten Team, das diese Wiener Weltstar-Gala möglich gemacht hat.
Weltstar-Gala 2019, veranstaltet von Kourlaev & Esina Production, Mit Iana Salenko, Dinu Tamazlacaru (Staatsballett Berlin); Evgenia Obraztsova, Alexander Volchkov (Moskauer Bolschoi Ballett); Young Gyu Choi (Holländisches Nationalballett); Elisa Badenes, Jason Reilly (Stuttgarter Ballett); Nicoletta Manni, Claudio Coviello (Teatro alla Scala und den Tänzerinnen und Tänzern des Wiener Staatsballett: Olga Esina, Liudmila Konovalova, Jakob Feyferlik, Nikisha Fogo. (Aufzählung nach dem Programmheft). Außerdem: Yury Revich, Violine; Igor Zapravdin, Klavier. 1. Dezember 2019, Volkstheater Wien.
Fotos: ©Jack Devant