„Schwanensee“: Liudmila Konovalova, Roman Lazik
Ein gefühlvoller, nobler Prinz, eine zauberhafte Odile, eine verführerische Odette und viele anmutig flatternde Schwäne. Die Aufführung des Balletts „Schwanensee“ in der Choreografie von Rudolf Nurejew am 25. Februar war ein bewegendes Erlebnis. Dirigent Paul Connelly zelebriert mit dem Staatsopernorchester Peter. I. Tschaikowskis Musik als emotionales Schaumbad, festlich, aufwühlend, elegisch und wehmütig. Musik, die man sehen kann.
Roman Lazik hat den Prinzen Siegfried schon geraume Zeit nicht interpretiert. Ich meine, zuletzt hat er mit Olga Esina im Bühnenbild von Jordi Roig, das 2014 durch die helle, dezente Ausstattung von Luisa Spinatelli ersetzt worden ist, am Schwanensee geliebt und gelitten. Er kann immer noch durch Technik, Eleganz und Rollengestaltung überzeugen. Lazik ist ein in sich gekehrter Prinz, der an rauschenden Festen und der Weiblichkeit nicht interessiert ist. Lediglich der Tanz mit seinen Gefährtinnen und Gefährten (Pas de cinq) hebt seine grüblerische Laune. Zum ersten Mal im Pas de cinq tanzen Rikako Shibamoto und Scott McKenzie – es gibt keine Rolle, die die beiden jungen Halbsolisten nicht mit Bravour bewältigen. Die Freude des Prinzen als Mittänzer teilt das Publikum beim Zuschauen.
Die Lust am Fest vergeht ihm schnell, er verlässt es und streift im Mondenschein umher. Dieses erste lyrische Solo gibt Lazik Gelegenheit, seine Qualität als wahrer Danseur noble zu zeigen. Mit eleganter Linie, weich schwingendem Port de bras, tanzt er einen einsamen jungen Mann, der nicht genau weiß, wonach er sich sehnt. Die Schwäne rauschen über seinen Kopf, begeistert blickt er in den Himmel, und legt den Bogen an. Doch er schießt nicht, Lazik macht klar, dass das Töten nicht sein Element ist.
Ein noch nie erblicktes zartes Wesen schwebt auf ihn zu, seine Miene lichtet sich, das Publikum hält den Atem an: Liudmila Konovalova erscheint in Gestalt der Schwanenkönigin, stolz und anfangs abweisend, zu oft ist sie schon getäuscht worden. Dass der Auftrittsapplaus nur zaghaft erklingt, liegt an den Wiener Gewohnheiten: Auftrittsapplaus für die Ballerina ist nicht üblich, auch Gäste werden kaum begrüßt. Konovalova wird danach für jede Variation und vor allem die Pas de Deux mit Lazik entschädigt.
Sowohl die Ballerina als auch Roman Lazik (beide tanzen in der Riege der Ersten Solotänzer*innen) können sich auf ihre makellose Technik verlassen und tun dies auch. Gelassen und entspannt widmen sie sich ihrem Spiel und begeistern vor allem durch Harmonie und Ausdrucksstärke. Lazik ist kein Springteufel und Konovalova keine Zirkusprinzessin, auch wenn das klassische Ballett dieses erlaubt und oft genutzt wird. Schnell wird die märchenhafte Erzählung zur Nummernrevue. An diesem feinen Abend sind die beiden Solisten ganz in ihren Rollen, Konovalova eine fast gebrechliche, jedenfalls vorausschauend schon gebrochene Odette, als von Rotbart herbeigezauberter Avatar im 3. Akt die berechnende, verführerische Odile. Verständlich, dass Siegfried hinter ihr herrennt. Hand in Hand verschwinden sie gemeinsam, während die Königin (Oxana Kiyanenko) und Rotbart (eindrucksvoll und kräftig, sich seines Sieges sicher: Andrey Teterin) die Divertissements genießen. Die rollen ein wenig konturlos über die Bühne, einzig die Ungarn begeistern. Alice Firenze und Géraud Wielick haben soviel Paprika im Blut, dass auch die Gruppe davon profitiert. Connelly dirigiert einen Csárdás, der auch dem Publikum Wallungen beschert. Ich frage mich allerdings, was das verschwundene Paar, Siegfried und Odile so treibt, während die Folkloregruppen für Unterhaltung und Ablenkung sorgen.
Danach geht alles schief. Der Prinz ist in die Falle getappt, Odette muss auf immer Schwan bleiben und ihre Gefährtinnen ebenso. Ein wunderbarer Pas de deux zum herzzerreißenden Abschied, am Rand die großen, die kleinen und die anderen Schwäne, aus weißem Marmor gemeißelte Trauer en Arabesque.
Rotbart kann diesen schönen Zauber nicht ertragen, brutal hebt er seine Beute hoch, des Prinzen Flehen, Odettes Zappeln lässt ihn kalt. Siegfried stürzt sich in die Welle, einmal noch berührt er Odettes Fingerspitzen, dann schlagen die Wellen im Orchestergraben und auf der Bühne hoch und das Publikum ist bereit zum tosenden Applaus.
Ballettchef Manuel Legris hat in Hamburg auf der Bühne mit dem Hamburg Ballett John Neumeiers Geburtstag gefeiert, was das Wiener Staatsballett nicht gehindert hat, mit Freude am Tanzen und bestens trainiert präsent zu sein. Nur der grantige Beckmesser würde auf kleine, leicht zu übersehende Ausrutscher hinweisen. Die kleinen Fehler sind der Charme der Vorstellung, sie zeigen, dass die Tänzer*innen keine Maschinen sind.
„Schwanensee“, Ballett in vier Akten, Choreografie von Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Iwanow; Musik von Peter Iljitsch Tschaikowski; Bühnenbild und Kostüme: Luisa Spinatelli; Dirigent: Paul Conelly. Mit Liudmila Konovalova und Roman Lazik in den Hauptrollen. 241 Aufführung, 25. Februar 2019, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellung in dieser Besetzung am 2. März 2019.
Fotos von Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor