Performance-Doppelabend im Tanzquartier
Posthumane oder auch prähumane Wesen treiben auf der Bühne ihr Unwesen. Am 28. Februar zeigte das Trio Anna Prokopová, Costas Kekis, Andrea Gunnlaugsdóttir im Tqw Studio „Knuckles become clouds“, was so viel heißt wie „Knödel werden Wolken“. Den großen Abend in der Halle haben Oleg Soulimenko, Magdalena Meindl und Michael Franz Woels mit der Show „Origins“ bestritten.
Sind die posthumanen Knödel noch als menschliche Figuren zu erkennen, mit Kopf und Armen, Bauch und Beinen, so haben die drei Origines in Oleg Soulimenkos Performance, die auf der Bühne trippeln, trampeln und schlurfen, kaum noch (oder noch kaum) Menschliches an sich. Ein schwarzer Mann, in dem eine Frau steckt, schleppt mit schweren Schritten allerlei Zeug, Kabel, Schläuche, Steckkontakte, Seile herbei. Das bunte Gewirr dient nur dazu, wieder zusammengeballt mit Krach auf den Boden zu donnern und wieder weggeräumt zu werden. Der Mann, in dem eine Frau steckt, hat kein Gesicht, ist ein schwarzer Gnom, zur dauernden Arbeit verdammt. Auch eine graue Frau, in der ein Mann steckt, taucht auf. Sie hat einen metallenen Rüssel statt eines Gesichts und versucht emsig, bunte Platten in Dauerdrehung zu versetzen. Ein sinnloses Unterfangen. Das dritte Wesen ist weder Mann noch Frau, trägt statt des Kopfes eine wolkenartige Riesenperücke, in der eine Lampe eingebaut ist. Mit der kann die weiße Riesin / der weiße Riese nicht nur sich selbst, sondern auch ein wenig den Saal, der im Dämmerlicht liegt, erleuchten. Sorgfältig und bedächtig zündet er / sie ein Öllicht an, zieht mit Stäben einen Kreis. Erleuchtung: Ein Schamane bereitet sich auf sein Ritual vor. Aus seinem Körper dringen Piepstöne.
Ritualisiert sind auch die Auftritte und das Tun der beiden anderen Wesen. Sie müssen immer wieder das Gleiche tun, tun dies ernst und behutsam mit Aufmerksamkeit und einer guten Portion Ironie. Oleg Soulimenko, künstlerischer Leiter des Unternehmens, das kein Ziel hat, meint dichtend:
Ich finde es immer hübsch, nach vorn zu gehen, mich ins Unbekannte zu bewegen. Doch dann gehe ich ein wenig zurück, in die Vergangenheit. Denn wenn du schon irgendwo warst, fühlt sich der Platz wärmer an als andere.
Die Soundmeisterin, Mimu Merz, zerrt ihren Rucksack auf die Bühne, holt die Musik heraus, um mit unheimlichen Tönen, Playback-Gesang und eigenen Kehllauten und gewittrigem Krachen die Arbeit der Drei zu unterstützen. Gegen Ende wird die Bühne, um die das Publikum, zur Strafe für das Vergnügen des Teilhabens, stehen oder auf dem harten Boden sitzen muss, immer heller. Der schwarze Mann, in dem eine Frau steckt, will die Schultern der grauen Frau, in der ein Mann steckt, als Plattform benutzen, um den Plafond zu erreichen, noch einmal kracht das Schlauch-Kabel-Gewirr auf den Boden. Der Zauber ist gebrochen. Aufwachen! Bei der Premiere haben nur wenige den verschmitzten Humor genossen, der in Soulimenkos Œuvre steckt. Die Applausspende war dennoch reichhaltig.
Obwohl ich bei der Polsterverteilung durch die graue Frau, in der ein Mann steckt, leer ausgegangen bin, habe ich die Performance genossen. Die Genauigkeit von Soulimenkos Arbeitsweise, die Gelassenheit, mit der die Performer (Performerinnen) ihr Werk erledigten, obwohl ihre Sicht ziemlich beschränkt ist und der Unterhaltungsfaktor ergeben einen feinen Abend. Und wer will, kann tiefe Gedanken aus den „Origins“ holen. Etwa, dass da eine Metapher auf das Leben zu sehen war: Immer dasselbe und alles völlig sinnlos.
Prokopová, Kekis und Gunnlaugsdóttir lassen es auch an Humor nicht fehlen. Sie bekennen sich als Figuren in einem Computerspiel, das sie selbst spielen. Anfangs wird gerangelt und gerauft, man kennt einander nicht, jeder will das Sagen haben. Dabei ist die Präzision der Körperarbeit zu bewundern. Die Figuren im Spiel müssen sich anfreunden, und so tanzen sie im zweiten Teil einen nahezu lieblichen Reigen, bewegen sich als Kette quer durch den Studioraum. Zärtlich sind sie miteinander in Kontakt, mit Händen und Füßen, irgendwie kleben sie immer aneinander. Das nächste Level ist erreicht, die Figuren ruhen sich aus, sitzen um eine Lichtfunzel und produzieren Töne, unterstützt vom DJ Peter Plos. Auch der Lichtdesigner Jan Wagner ist (unsichtbar) beteiligt. Das Lämpchen flackert, als würde es von den sprechenden Figuren gesteuert.
Das Licht spielt neben den Tönen, zart und glockenhell zwitschernd, dumpf knarrend und rauschend, eine wesentliche Rolle. Von den roten Leuchtröhren baumeln Glassteine, die später, wenn das Licht in Weiß aufstrahlt, zu funkeln beginnen. Die Kostüme erregen ebenfalls Aufmerksamkeit. Lidija Livrinović und Magdalena Jurišić haben auch den fleissig arbeitenden Soundmaster eingekleidet, in ein goldglitzerndes Hemd (mehr ist nicht von ihm zu sehen).
Das Spiel scheint verloren, die Figuren fallen wieder auseinander, jede tanzt ihr eigenes Solo, mit schwingenden Armen oder vorsichtigen Fingerbewegungen, in sich selbst versunken oder mit den Augen die anderen suchend. Stopptaste. Das Spiel ist aus, das Publikum hat gewonnen.
Doppelabend am 28. Februar 2019, Tanzquartier:
Anna Prokopová, Costas Kekis, Andrea Gunnlaugsdóttir: „ Knuckles become clouds“, Konzept: Prokopová, Kekis. Performance: Prokopová, Kekis, Gunnlaugsdóttir. Sound: Peter Plos. Dramaturgische und künstlerische Beratung: Chris Standfest. Bühne & Kostüme: Lidija Livrinović, Magdalena Jurišić. Licht: Jan Wagner, Produktion: Almud Krejza.
Oleg Soulimenko: „Origins“, Konzept und künstlerische Leitung Oleg Soulimenko; Choreografie und Performance Magdalena Meindl, Oleg Soulimenko, Michael Franz Woels; Sound und Performance Mimu Merz; Bühne Alfredo Barsuglia; Kostüme und Objekte Till Jasper, Santo Krappmann; Licht Sveta Schwin.