„Schwanensee“: Nina Poláková, Denys Cherevychko
Ein begeistertes Publikum hat sich am 19. Februar für eine gelungene Aufführung, es war insgesamt die 239. in der ganz der Musik von Peter I. Tschaikowski vertrauenden Choreografie von Rudolf Nurejew, nicht bei den beiden Solisten, Nina Poláková und Denys Cherevychko, sondern auch beim Corps de ballet und dem Dirigenten Paul Connelly lautstark bedankt. Poláková und Cherevychko haben wunderbar miteinander harmoniert, auch wenn beide erst im 3. Akt so richtig in Schwung gekommen sind.
Poláková, keineswegs eine routinierte Odette / Odile , aber eine zierliche, technisch hinreißend perfekte Ballerina, zeigt, im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen, vor allem im 1. Akt eine durch und durch menschliche Schwanenkönigin. Das ist ja auch das Problem der Odette: Der Zauberer Rotbart hat sie und ihre Freundinnen in Schwäne verwandelt, doch in der Nacht erscheinen sie in ihrer ursprünglichen Gestalt, sind junge Frauen, gefangen vom eifersüchtigen Herrscher im Reich der Finsternis (Eno Peçi schwingt wunderbar die von Luisa Spinatelli entworfenen Drachenflügel), der sich – so eine Version der Vorgeschichte – an ihrer Mutter rächen will, weil sie sich seinem Liebeswerben verweigert hat. Poláková zeigt nur durch ihre unbewegte Miene, dass ihr die irdische Welt kaum mehr etwas bedeutet, und die Hoffnung, dass Prinz Siegfried sie erlöst, gering ist.
Cherevychko ist verträumt und verliebt und erfreut mit seinen hohen, weiten Sprüngen. Das ist erwartet und normal, doch erweist er sich in dieser Aufführung auch als perfekter Partner, hebt seine Angebetete mit Leichtigkeit über den Kopf, balanciert ihre Drehungen.
Die Anstrengungen des 1. Aktes hinterlassen ihre Spuren. Im 2. Akt, wenn Prinz Siegfried eine Braut auswählen soll (unter den Kandidatinnen erstmals Rikako Shibamoto, kein herziges Ballerinchen mehr, sondern ein elegantes, edles Fräulein) und Rotbart Odettes Double, die verführerische Odile, meist von derselben Ballerina getanzt wie Odette, präsentiert, wirkt Poláková etwas unterkühlt und gebremst. Dirigent Connelly passt das (mitunter sehr laute) Staatsopernorchester wunderbar ihrem Tempo an.
Meine Lieblingsvariation im 1. Akt ist der Pas de quatre (de cinq mit dem Prinzen) der Gefährtinnen und Gefährten von Siegfried, konnte mich auch, trotz, oder gar wegen, dreier Debüts begeistern. Nina Tonoli ist als Gefährtin bereits erfahren, feinst geschliffen tanzt sie ihre Solovariation. Madison Young, Navrin Turnbull und Arne Vandervelde sind ganz neu im Quartett. Beeindruckend sind alle vier. Die Damen, leichtfüßig in schöner Haltung; die Herren kräftig und im Gleichklang. Auffallend konzentriert und virtuos: Navrin Turnbull, ein großgewachsener junger Tänzer aus Australien, der erst seit knapp einem Jahr Mitglied der Wiener Compagnie ist.
Eriona Bici, eben aus der Ballettakademie entlassen und Mitglied der Jugendkompanie, die eine Begleiterin der Königin sein darf, erinnert mich daran, dass nicht nur sie, sondern der Großteil ihrer Kolleg*innen noch 24 Stunden zuvor auf der Bühne der Volksoper getanzt haben. Im Ensemble von „Coppélia“ tanzten sie Bauernmädchen und -burschen, stampften in roten oder blauen Stiefeln den Boden und feierten am Ende gemeinsam einige Hochzeiten und das Finale der Oper. Bici wird im Programm als Puppe Coppélia geführt, wann sie in effigie auf der Bühne ist und wann doch nur eine Puppe am Fenster sitzt, ist ohne die Sehkraft eines Adlers nicht auszunehmen. So soll es ja auch sein, etwas Fantasie darf vom Publikum schon verlangt sein.
Zurück zu den bezaubernden Schwänen, die Rotbart gar nicht nötig gehabt haben, um sich von der fröhlichen Dorfjugend in „Coppélia“ in die wegen der fehlenden Aussicht auf Erlösung ziemlich traurigen Entenvögel zu verwandeln. Perfekt mit schöner Linie tanzen nicht nur die „kleinen Schwäne (Elena Bottaro, Alice Firenze, Eszter Ledán, Rikako Shibamoto), auch die großen (Adele Fiocchi, Gala Jovanovic, Oxana Kiyanenko, auch eine majestätisch-schöne Königin, Katharina Miffek) können beeindrucken, wie die gesamte Schwanenschar, die, wenn schon nicht den Zauberer, so das Publikum rühren und zu Beifallsstürmen hinreißen.
Im Finale trumpfen Poláková und Cherevychko noch einmal auf, zeigen ihr Können als klassische Tänzer, können aber auch im innigen Abschied Emotionen wecken. Rotbart schnappt seine gefiederte Beute, die Wellen schlagen hoch (was nicht immer gelingt) und nach einem letzten Winken versinkt der Prinz und mit ihm die Märchenwelt.
Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, Ballett in vier Akten nach Marius Petipa und Lew Iwanow. Musik: Peter Iljitsch Tschaikowski. Dirigent: Paul Connelly. Bühnenbild und Kostüme: Luisa Spinatelli. Einstudierung: Manuel Legris. 239. Aufführung mit Nina Poláková und Denys Cherevychko. 20.Februar 2019, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellungen: 23. Februar mit derselben Besetzung.
25.Februar und 2.März 2019 mit Liudmila Konovalova und Roman Lazik.
Fotos von Ashlex Taylor, © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor