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Dewey Dell Sleep Technique im brut Wien, imagetanz

Dewey Dell: Sleep Technique in der Höhle von Chauvet. © John Nguyen

Finale von imagetanz im brut: Dewey Dell feierten die Österreich-Premiere ihrer neuesten Produktion Mit Sleep Technique zeigt das italienische Kollektiv seine Vorliebe für Düsteres und bringt eine durchdringende Horrorshow mit großartiger Musik und einer klaren Dramaturgie auf die Bühne.

Agata, Demetrio, Teodora Castellucci sowie Eugenio Resta schicken vier Figuren auf eine Exkursion durch die Chauvet-Höhlen in Frankreich, die bekannt ist für ihre prähistorischen Höhlenmalereien. Die PerformerInnen (Agata und Teodora Castellucci, Ivan Björn Ekemark und Enrico Ticconi) bewegen sich von Kammer zu Kammer durch die Höhlen, als Hilfestellung werden deren Namen mit Übertiteln eingeblendet. In die unterschiedlichen Räume gelangen sie durch den wellenförmigen Eingang am hinteren Bühnenrand, dessen Form sich durch eine Wölbung im weißen Tanzboden widerspiegelt. Ansonsten ist die Bühne leer und mit schwarzen Vorhängen abgehängt. Sleep Technique – in der dunklen Höhle von Chauvet © John Nguyen

In den Höhlen ist es düster, nur wenig aber sehr gezielt eingesetztes, simples Licht (Eugenio Resta) unterstreicht die Atmosphäre. Stimmungsträger ist jedoch zweifelsohne die bis in die Knochen durchdringende und bis in kleinste Detail ausgeklügelte Musik von Demetrio Castellucci und Massimo Pupillo. Sie changiert zwischen Electronica-, Ambient- und Noise-Musik. In manchen Momenten glaubt man Aphex Twin oder Björk zu hören, durchzogen mit Geräuschen, Pfeifen und ungeheuerlichen und monströsen Schreie aus dem Off. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen banalen Soundtrack, der die Bewegungen begleitet. Der Sound hat mindestens denselben Stellenwert wie die Live-Performance. Er dient als maßgeblicher Impulsgeber für die Choreografie (Teodora Castellucci).

Höhlenmalerei von Chauvet: Wollnashörner © Screenshot aus dem Film "Die Höhle der vergessenen Träume" von Werner Herzog, gemeinfreiDas Bewegungsmaterial, inspiriert von den Höhlenmalereien, ist in großen Teilen grotesk. Durch Bewegungsabläufe und Verrenkungen wird der menschliche Körper bis zur Unkenntlichkeit entstellt und animalische oder sogar übernatürliche Gestalten und Monster erscheinen. Sie erzählen abstrakt die fiktiven Geschichten der gemalten Figuren und die empfundenen Emotionen der BetrachterInnen der Malereien der Chauvet-Höhlen, ohne sich auf symbolische Codes zu stützen. Musik und Choreografie sind minutiös aufeinander abgestimmt.

Im Sinne des Schauplatzes und der Atmosphäre sind die Kostüme (Guoda Jaruševiciute) in Erdtönen gehalten und mit Fetischen aufgeladen. Sie scheinen von Bondage inspiriert und erinnern an Zwangsjacken, womit sie auch den in den Bewegungen dargestellten Wahnsinn oder Besessenheit unterstreichen. Sleep Technique: Von Bondage inspiriert. © John Nguyen

Als besonders bemerkenswert erweist sich die Schlussszene, die die Funktion einer Art Epilog einnimmt. Für einen Moment wird der Raum in völlige Dunkelheit gehüllt, bis zum Einsatz sanfter Gitarren-Klänge. Ein Performer mit Helm und Stirnlampe kriecht mit Blick zum Publikum durch den Höhleneingang in die „Entrance Chamber“, wodurch das Ende zum Anfang und der Verlust des Zeitgefühls in der Dunkelheit verdeutlicht wird. Gleichzeitig wird das Publikum mit einer visuell beeindruckenden Atmosphäre behutsam zurück aus der Dunkelheit ins Licht verabschiedet.

Dewey Dell: Wesen aus prähistorischer Zeit. © John NguyenDas Zusammenspiel von Choreografie, Musik, Kostüme und Licht führt die ZuschauerInnen in die Finsternis der Chauvet-Höhlen und hinterlässt einen Eindruck, der nicht nur an die prähistorischen Malereien erinnert, sondern erstaunlich zeitgenössisch oder sogar futuristisch wirkt. Der etwas verhaltene Applaus am Ende der Performance ist nicht nachzuvollziehen bei diesem gelungenen Gesamtkunstwerk, das Dewey Dell hier präsentieren.

Dewey Dell: Sleep Technique, 24.März 2017, brut Wien im Rahmen von imagetanz.