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Michikazu Matsune tanzt im brut

Michikazu Matsune: Bürgt ein Pass für die Identität? © M. Matsune

„Dance, if you want to enter my country!“, nennt der Choreograf und Performer Michikazu Matsune einen Abend, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Begleitet wird die imponierende Vorstellung von einer Gruppenausstellung unter dem Titel „Towards the other side oft he world“, obwohl die Welt rund ist, hat sie zwei Seiten. Matsune erzählt, sinniert und erinnert tanzend an die Alvin Ailey Dance Company.

Der Ausgangspunkt der Performance ist reichlich skurril, aber belegt: Das berühmte afro-amerikanische Alvin Ailey American Dance Theatre war 2008 zu einem Gastspiel nach Israel eingeladen. Mit dabei der Tänzer Abdur Rahim Jackson, dessen muslimischer Vorname (der Vater war zum Islam übergetreten) bei der Passkontrolle irritierte. Jackson wurde in einen Extraraum gebeten und genauestens untersucht. Dann wurde er aufgefordert, zu zeigen, dass er wirklich Tänzer sei: „Dance, if you want to enter my country.“

Wie die Privatvorführung aussah, kann der Performer Matsune nur vermuten. Jedenfalls war der Verdacht, ein Terrorist wolle sich einschleichen, aufgehoben, Jackson durfte trotz seines Vornamens nach Israel einreisen.
Für Matsune ist dieser Bericht, den er in einer japanischen Zeitung gefunden hat, Ausgangspunkt über die Risse in der globalisierten Welt, über Identität und deren Nachweis und die Barrieren, die auf dieser Erdkugel immer noch bestehen, auch wenn sie nicht sofort zu sehen sind, nachzudenken. Michikazu Matsune tanzt Alvin Aily. © Macimilian Pramatarov

Das tut er mit der ihm eigenen Distanz, subtilem Humor, einer guten Portion Selbstironie und überaus komischen Einfällen. Die Zugehörigkeit Jacksons zur Alvin Ailey Company gibt ihm auch Gelegenheit, mit zwei Szenen aus berühmten Choreografien Aileys an die Glanzzeit der rund um den Erdball gereisten Truppe zu erinnern.
Neun Tänzer waren in „Revelations“ auf der Bühne. Matsune tanzt allein, die anderen acht hat sich das Publikum vorzustellen. Das gelingt tatsächlich. Und auch die imaginierten zwei Tänzerinnen des Trios tanzen nur in den Köpfen des Publikums. Mit den nach Videos aus dem Internet und einer dvd einstudierten zwei Auftritten in der imaginären Aily-Company zeigt Matsune auch, wie schnell einst Bejubeltes altbacken und überlebt wirkt.

In den 1970/80er Jahren war das Alvin Ailey American Dance Theatre das Flaggschiff des Modern Dance und auch in Wien bejubelter Gast. Aily ist 1989 mit 58 Jahren gestorben, die Company existiert noch, doch ihr Glanz ist verblasst. Die Augenbrauen wurden zum Schnurrbart: Ist es noch Michikazu Matsune? © Maximilian Pramatarov
Selten ist Michikazu Matsune als Tänzer zu sehen, er spielt gerne mit Worten, fotografiert, installiert und filmt und frönt seinem Hang zum Absurden.

Die Inspiration gab ein Tänzer – also tanzt Matsune auch. Und wie!

Dennoch verliert er nie sein Thema nicht, kehrt immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, unterhält aufs Köstlichste mit Videoaufzeichnungen von Passkontrollen und animiert mit seinen Überlegungen zur „dunklen Seite der Globalisierungsparanoia“ zum Nachdenken. 


Ein Abend, unterhaltsam und klug, abwechslungsreich und verständlich, motivierend und besinnlich, präzise und geistreich – einfach perfekt.

Michikazu Matsune: „Dance, if you want to enter my country!“, 10. Februar 2015, brut. 

Weitere Vorstellungen: 11., 12., 13.2. 2016.