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„Onegin“ – Besetzungsvariationen

Tatjana mit Lenski: Bitte kein Duell (Papava, Dato) © Ashley Taylor

Wie zeitlos John Crankos Ballett „Onegin“ (nach Puschkin) ist, zeigt in der Wiener Staatsoper jede neue Besetzung. Mit prickelnde Lebendigkeit reißen Natascha Mair und Davide Dato (Rollendebüt als Olga / Lenski) auch das Corps mit. Ketevan Papava ist als Tatjana weniger naiv als selbstbewusst und überaus erotisch. Vladimir Shishov ein düsterer, gefühlskalter Onegin. Beide Paare ernteten verdienten Applaus.

Zwei Paare, zwei tragisch endende Liebesgeschichten. Crankos „Onegin“ lebt auch vom Gegensatz zwischen dem anfänglichen Frohsinn von Olga und Lenski und der Gefühlskälte Onegins, die an der schwärmerischen Naivität Tatjanas abprallt. Im ersten Akt wird das durch die frische Rollengestaltung durch Mair und Dato, die das fröhlich verliebte, übermütige Paare Olga / Lenski ohne Nervosität und Hektik tanzen, so recht klar. Mair ist eine spritzige Olga, der Liebe ihres Lenski sicher und daher einem Flirt mit dem düsteren Onegin nicht abgeneigt ist.

Olga und Lenski (Mair, Dato): Jung, frisch, übermütig. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Dato gibt den Dichter Lenski als romantische Figur, zerrissen und auch todessehnsüchtig, packt ihn die kalte Wut, als er zusehen muss, wie sich die Braut mit dem Freund vergnügt. Sie ist es ja, die sein Leben erst erträglich macht, mit Frohsinn erfüllt. So ist er durch des Freundes Benehmen in seinem Stolz gekränkt, durch Olgas Getändel aus der Balance geworfen. Emotionell und elegisch überzeugt Dato in der lyrischen Variation vor dem erzwungenen Duell und dessen tödlichem Ausgang. Dato ist nicht nur technisch auf der Höhe, er zeigt auch eine reiche Gefühlspalette vom ersten freudig getanzten Pas de deux mit Olga über Verzweiflung und unbeugsamen Zorn bis zum sentimentalen Abschied vom Leben.

Ketevan Papava ist alles andere als das versponnene in ihre Romane vergrabene Mädchen. Tatjana ist nicht mehr jung, die Mutter will sie unbedingt verheiraten, dient sie im 2. Akt dem zum Fest geladenen Fürsten Gremin an, doch die von Papava durchaus selbstbewusst dargestellte Tatjana will den abweisenden Onegin erobern und verfolgt ihr Ziel mit allen Mitteln.

Tatjanas Traum von der Liebe Onegins (Papava, Shishov). © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Papava ist eine Frau, die weiß was sie will und pulsierende Erotik ausstrahlt. Klar wird das vor allem im Spiegel-Pas de deux, wenn Tatjana sich Onegins Liebesgeständnis erträumt.
Traumhaft ist dieses sich wild umschlingende Paar gar nicht, dieser Traum sprüht vor Sinnlichkeit und Liebesgier. Shishov ist ein großartiger Partner, kann heben, fangen, werfen, ein Wunder, dass Papava nicht auch physisch in den Himmel fliegt. Doch es ist ihr Traum – Onegin weiß nichts davon. Eiskalt demütigt er sie in der Realität des nächsten Morgen. Und geniert sich doch. Wenn er ihren Brief zerreißt und in die Hände drückt, soll ihn niemand dabei sehen. Um diese Gemeinheit zu kaschieren, beginnt der dieses hektische Spiel mit Olga und wird zum Mörder.

In allen drei Akten beherrscht auch das Corps de Ballet mit den festlichen Tänzen die Bühne. Die Herren sind mit Eifer dabei, machen, vor allem im Finale des ersten Bildes des 1. Aktes „Auf dem Land“, gute Figur. Die Damen haben den Takt noch nicht gefunden, erst die Polonaise in Fürst Gremins Palais (3. Akt) gelingt ohne Stolpern und Zittern.

Im dritten Akt, zehn Jahre nach den unglückseligen Ereignissen und Lenskis Tod, ist Tatjana mit Gremin (Kirill Kourlaev, ein liebevoller und sorgsamer Ehemann) verheiratet. Eine reife Frau im stillen Glück. Onegin nutzt Gremins Abwesenheit, um Tatjana zu umwerben. Onegin (Shishov) fleht um Liebe. Zu spät.  © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor

Ein letzter Pas de deux, fast scheint es als würde sie erliegen, ungern weist sie ihm die Tür. Papava macht diese hin und her gerissen Sein zwischen immer noch vorhandener Liebe und der Treue zu Ehemann und Familie in ihrem Tanz recht deutlich. Der Zwiespalt ist körperlich zu spüren. Tatjana versucht sich  zusammenzunehmen, ihre Emotionen nicht zu zeigen und sie doch nicht verbergen kann. Die Zurückweisung ist anfangs halbherzig, erst beim zweiten Mal kapiert Onegin. Keine Chance. Tragisch für ihn, doch ein Glück für sie: Mit diesem Mann wäre sie nicht glücklich geworden. Das weiß Papavas Tatjana auch.

Zerbrochene Herzen und tote Dichter können das begeisterte Publikum nicht davon abhalten den beiden Paaren lautstarke Ovationen zu bereiten.

John Cranko: „Onegin, mit Ketevan Papava, Vladimir Shishov, Natascha Mair, Davide Dato, Kirill Kourlaev. 8.2. 2016. Wiener Staatsballett.
Nächste Vorstellung: 27.2. 2016 Staatsoper.