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Georg Blaschke – Bosch Experience III

Georg Blaschke: "Stains" © Laurent Ziegler

Zwei Jahre lang hat sich der Tänzer / Choreograf Georg Blaschke mit Hieronymus Boschs „Weltgerichtstriptychon“ auseinandergesetzt. Mit dem Solo „Stains“ hat er nun das choreografische Triptychon vollendet. Der Körper dient als Medium, Bewegungs- und Choreografie-Möglichkeiten, die das detailreichen Flügelbild bietet, auszuloten, zusammenzufassen und zu reduzieren. Zu sehen war die Premiere im Kulturraum Brick-5.

In aller Stille schwingt der Bischof den violetten Ornat, wirft sich auf den Boden, kniet, betet, bekennt stumm seine Sünden, hebt segnend die Arme. Der religiöse Inhalt, die Darstellung der Peinigungen und Foltergeräte auf dem figurenreichen Dreifachbild von Hieronymus Bosch († 1516) bevölkern das Gedächtnis.

Auch Georg Blaschkes Performances „Stains – Bosch Experience part III“ hat drei Teile. Entwirft er im ersten vollständig bekleidet ein bewegtes barockes Bild, so legt er in den beiden folgenden Teilen mit Mantel und Schuhen nach und nach alle Hüllen ab, entkleidet nicht nur den Körper sondern auch seine Darstellung aller Dramatik und möglicher Bedeutung. Aus den Kleidern werden, gelassen und in vollkommener Ruhe, Objekte geformt. Der violette Mantel wird zu einem kleinen Männchen, aus der Wäsche wird – Folterszenen werden wieder sichtbar – ein Bein geformt, dem später auch der Schuh angezogen wird.Blschke: Bosch Experience, part III © laurant Ziegler
Bosch verbunden mit den modernen Tötungsmaschinen.
Schrecken und Schauder beuteln mich nur kurz, zu schön ist die Musik, die Blaschke gewählt hat: Tanzmusik aus der Renaissance, Crimson King (Epitaph aus dem ersten Album, 1969). Am Ende ist der Körper frei gelegt, der Kopf von der Bilderfülle geleert, ein Mann bewegt sich nackt im Raum, ist nur noch er selbst, lässt den Körper tanzen. Auch wenn mancher Bewegung Bedeutung unterlegt werden kann, der von Bosch gemalte Jesus (in der Himmelshöhe am Bildrand findet er kaum Beachtung, so fesselnd ist das grausige Geschehen auf Erden) kurz auftaucht, Büßer-Haltungen eingenommen werden, das Ende der Performance braucht Bosch nicht mehr.

Wie es sich für ein Bild gehört, hat der Abend auch einen Rahmen gehabt: Zu Beginn hat Iris Dittler mit Tänzer_innen aus dem Burgenland (trainiert von Liz King) eine „performative Installation“ als Spiel mit kleinen Objekten gezeigt. „A_Body Construction“ ist als „work in progress“ bezeichnet. Mehr eine Übung als eine tänzerisch-performative Darbietung.

Fertig und durchdacht, fesselnd und die volle Aufmerksamkeit des Publikums fordernd hingegen die Choreografie der jungen italienischen Künstlerin Giorgia Nardin. „All Dressed Up With Nowhere To Go“, zeigt zwei nackte Körper (dass es ein Mann, Marco D’Agostin, und eine Frau, Sara Legissa, sind, scheint mir unerheblich, so wie so sind die Gender-Vorurteile – wer darf was? – umgedreht), die ihre kurzen Hemden abgelegt haben, im Duett. Langsam fallen sie, versuchen die Balance zu halten, helfen einander, prüfen einander, suchen Vertrauen, sind nur Körper, provozieren nicht, wecken kein Begehren. Der Titel sagt es schon: Wo es hingehen wird, weiß man nicht. Matteo Fantoni hat den Raum in weiches Licht getaucht und erzählt, dass er sich von Boschs Bildern inspirieren ließ: „In den blassen Tönungen der Körper und dem sanften Leuchten einer Idee von Wärme scheint etwas vom Farbton, von den Mustern und der Seele des Malers zu verweilen.“ Kann sein.

Der Theaterraum im Brick-5 ist klein und wirkt angenehm intim, nahezu familiär. Allerdings ist er für Tanz- und Performanceveranstaltungen, nur bedingt geeignet. Bewegen sich die Tänzer_ und Performer–innen, wie diesmal, sehr viel in der Vertikalen, zusätzlich nahe an der ersten Reihe, sind sie von den hinteren Reihen nicht auszunehmen. Blaschke hat versucht, diesen Umstand mit einzubeziehen, ein Handikap für die freie Entfaltung einer Darbietung.

Georg Blaschke /scapes: „The Bosch Experience part III: Stains“, Georg Blaschke; „All Dressed Up With Nowhere To Go“, Giorgia Nardin; „A_Body Construction“, Iris Dittler. Gesehen am 13. Dezember 2015, im Brick-5.