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Dunkelheit und Stille, beschützend oder bedrohlich

Fast eine Hexenversammlung, es wird gebacken und gebraut.

Eine Art von Höhlengleichnis zeigt Georg Blaschke, Tänzer und Choreograf, gemeinsam mit dem bildenden Künstler, Bühnenarchitekten, Filmemacher Daniel Zimmermann im brut. Die Black Box, das schwarzen Loch, die Enge in einer Höhle, in die Forscher:innen kriechen, haben die beiden Künstler zur Performance black inspiriert. Die Uraufführung der dunklen und stillen Choreografie war am 11.1. im brut nordwest.

Der Raum weitet sich, verschiebt sich, die Erde wird flach. Im Mittelpunkt der Performance mit drei in schwarzen Lack gehüllten Tänzerinnen und einem Tänzer schwebt eine silbrige Plane, die den Raum, die Black Box, teilt. Die Installation wird zur Mitwirkenden, tanzt und schwebt, faltet und wellt sich, wird zu Kuppel am Himmel, teilt den Raum und gibt ihn wieder frei. Die vier menschlichen Mitwirkenden sind die Diener dieser höchst lebendigen Konstruktion. Nach dem Blackout, der Himmel liegt wieder am Boden und schimmert im fahlen Licht.
Eingehüllt in die Dunkelheit sitzt das Publikum an den vier Wänden der schwarzen Schachtel, sieht nur eine Hälfte des Raumes, weiß jedoch, dass hinter der beweglichen Konstruktion spiegelgleich das Gleiche vor sich geht. Die beiden Tänzerinnen, die an den Ecken kauern, sind kaum wahrnehmbar, der silbrige Sound, Naturtöne imitierend, ist kaum hörbar, die Bewegungen der Tänzerinnen kaum wahrnehmbar. Dunkelheit, Stille, Bewegungslosigkeit erfordern eine neue Konzentration der Sinne. Die Stille, die Dunkelheit, die Bewegungslosigkeit sind Täuschung, die Tänzerinnen bewegen sich auch für die Zuschauerin quälend langsam, auf die Mitte zu, der Sound schleicht sich allmählich ins Gehirn, die Dunkelheit ist nicht vollständig. <in dr echen Höhle: Ausschnitt aus der Dokumentantion „Die Höhle der vergessenen Träume“ von Werner Herzog, 2O10. Die Höhle von Chauvet ist wieder verschlossen, lediglich ausgewählte Forscher:innen dürfen sie betreten. Licht gefährdet die Zeichnungen, Quelle: https://www.imdb.com ww.imdb.com Ganz oben leuchtet ein kleiner Stern, unten schwebt das Zelt auf einem Leuchtsockel, der verschwindet, wenn alle Vier ihr Ziel, die Mitte, erreicht haben, die an Fäden hängende Installation sich zum Himmel aufbläht. Um die totale Finsternis sichtbar und die Welt unsichtbar zu machen, gibt es echtes Blackout – Schock, ein Filmriss. Mehr erlaubt das Wiener Theatergesetz nicht, die Notbeleuchtung muss einen Fluchtweg zeigen, wenn das Dunkel bedrohlich wird.
Vier Hexen versammeln sich um den Mittelpunkt (der Erde?), brauen und backen. Das Gebräu verteilt ich um das wieder herab gesunkene, mitunter blau schimmernde Tuch. Zurück bleibt ein silberner Schatz im dunklen See. Die Tänzerinnen verschmelzen unbemerkt mit der Dunkelheit.Die Materie tanzt, die Konstruktion ist lebendig.
Dem Publikum bleibt Zeit zum Nachdenken. Was hat es gesehen? Was hat es nicht gesehen?  Die Stille, der Sound, die Dunkelheit, das fahle Licht, die Langsamkeit, die kaum sichtbare Bewegung und die lebendige Installation verkünden keine Botschaft, sie sind pure Kunst, Hexenwerk vielleicht, Sinnen verwirrend auch, verstörend für die Einen, beruhigend für andere.  Eine magische Performance mit mehr als vier Mitwirkenden jedenfalls. Sehenswert ist wohl der falsche Ausdruck, weil es ja eher um das Ungesehene geht. Eher meine ich, verführend, magnetisch, verlockend und für manche auch beängstigend, herausfordernd, auch rätselhaft. Eine anregende Stunde, wortlos aussagekräftig, formvollendet und perfekt ausgeführt.

Georg Blaschke & Daniel Zimmermann: black. Performance und Rauminstallation. Uraufführung, 11.1.2024, brut nordwest.
Künstlerische Leitung: Georg Blaschke, Daniel Zimmermann.
 Performance, Choreografie: Alina Bertha, Masoumeh Jalalieh, Rotraud Kern; Bühnenkonstruktion: Daniel Zimmermann, Victor Duran; Komposition, Klangregie: Christian Müller; Lichtgestaltung, Bühnenbauten: Victor Duran; Kostüme, Ausstattung: Hanna Hollmann, Assistenz Ausstattung: Thomas Reisinger. Fachliche Begleitung: Mag. Barbara Wielander, Vizepräsidentin des VÖH (Verband Österreichischer Höhlenforschung). Produktion Raffaela Gras / M. A. P. Vienna; Fotos: © Christine Miess
Eine Koproduktion von brut wien und M.A.P. Vienna Movement Art Programmes
Weitere Vorstellungen: 12., 13., 14. Jänner 2024.