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The Loose Collective – The Music of Sound

Im Collective: Hollmann, Gottfarb, Vittucci,Navaridas, Deutinger. © W. Silveri

In einer bunten Montage aus Text, Bildern, Musik, Gesang und Tanz befassen sich die Tänzer_innen von The Loose Collective mit der nationalen Identität, besonders des jodelnden Alpenlandes Österreich. „The Music of Sound“ arbeitet mit Klischees und bietet ein unterhaltsames Heimatmusical als Puzzle aus einzelnen Szenen. Die Uraufführung fand beim steirischen herbst ’15 statt, bei der Wien-Premiere konnte sich das Publikum im Tanzquartier unterhalten.

Der Beginn ist offen. Die Darsteller_innen stehen am Rand, manche arbeiten am Tisch, wissen nicht wirklich welches Stück sie spielen wollen. Der Musiker Stephan Sperlich sucht auf der Ziehharmonika seine Töne zusammen, Tänzer Alexander Gottfarb zerreißt einen Supermarktprospekt in winzige Schnipsel und versucht sich als Foley–Artist (Geräuschemacher);Bühnen- und Kostümbildnerin Hanna Hollmann versucht ein Alpenpanorama zu zeichnen, Alexa Deutinger, Marta Navaridas, Teresa Vittucci und Thomas Kasebacher beraten, wie sie die Performance angehen wollen. Musiker Guenther Berger spielt mit den Reglern. 
Ein angenehmer Duft von Selbstironie hängt im Raum.

Offen ist auch das Ende. Eine aufblasbare Hupfburg (Trutzburg, Luftschloss?) erscheint unter Getöse und Gestank auf der Bühne, wieder wird beraten: Wer geht hinein, sollen die Zuschauerinnen aufgefordert werden, es wird sich wohl keiner melden, außerdem der Eingang ist viele zu klein … Schließlich verlässt eine nach dem anderen die Bühne, nur Vittucci beschließt auf der Matte vor der Festung (Europa?) ein wenig zu ruhen. Hollmann dreht unermüdlich ihr Karussell. Während der Vorstellung hat sie es gebaut, auf der Filmleinwand war die Arbeit zu sehen. Blüten und Vögel, Heimattreue und die Darsteller, alles aus buntem Papier ausgeschnitten, schwingen sich im Kreis.

Und in der Mitte? Auch alles offen. 
Kompakte Szenen wechseln mit plätscherndem (englischen) Text und getanzten Impressionen. Gut abgeschmeckt ist eine wider Willen ins Ohr gehende Persiflage auf ein Volkslied. Drei Väter singen ein Liebeslied für ihren „Buam“. Wärs nicht eine Kreation des Collectives, man würde diesen Vaterstolz glatt ernst nehmen. Auch der von Navaridas in ihrer Muttersprache Spanisch vorgebrachte und von Deutinger nahezu synchron flüssig ins Deutsche übersetzte Bericht mit der Einmischung der amerikanischen Urheberrechtsbewahrer für den das Österreichbild in den USA prägenden Kinofilm „The Sound of Music“ ist überaus komisch und fragt zugleich, welches Image dieses Land jenseits der Alpen tatsächlich hat. Hoffentlich das zwitschernder Vögel, die den lästigen Interviewer in allen Tonlagen niederzirpen, -flöten und –schilpen. Eine künstlerische Pfeifdarbietung von höchstem Rang. Allmählich wird klar: National Branding ist Kitsch, Nationalstolz eher lächerlich. Dazu braucht es keine hochintellektuelle Diskussion, verkrustete Klischees werden durch Unterhaltsames viel schneller bloßgestellt. Heimatlied: "Mei Bua" (Deutinger, Kasebacher, Gottfarb) © Wolfgang Silveri

Zusammengehalten wird der Bilderbogen von den grellbunten Kostümen (unvergesslich Alex Deutinger im Rosendirndl mit grasgrüner Schürze), die Hanna Hollmann jeder / jedem Einzelnen auf den Leib geschneidert hat und auch von ihrer stummen Arbeit unter der Live-Kamera. Mannerschnitten fallen vom Himmel und werden zur Panier vorbereitet, in der dann Männlein und Weiblein, gewälzt werden, um in der Pfanne zu brutzeln. Das Wiener Schnitzel ist ohnehin längst nicht mehr, was es einmal war. Der Rest der papierenen nationalen Schablonen darf dann Karussell fahren bis … nein, das will ich mir nicht vorstellen.

Alexander Gottfarb: Wiie tanzt man Nation? © Wolfgang SilverieAuch wenn esimmer wieder schrille Erinnerungen und leise Anklänge an das gestellte Thema gibt, so zeigt The Loose Collective eigentlich, wie schwierig es ist, gemeinsam ein Stück zu machen. Der Preis der Demokratie, von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (auch so eine nationale Fälschung) ist hoch. Er heißt nahezu immer Kompromiss. Das getanzte Musical „Sieben Personen suchen ein Stück“ (die achte, Hollmann, hat das ihre bereits gefunden) ist eine abwechslungsreiche, farbige, selbstironische Persiflage. Ich freue mich wenn das Stück gefunden ist.

The Loose Collective: „The Music of Sound“, Wien-Premiere am 12.11. im Tanzquartier. Weitere Aufführungen: 13., 14. 11. 2015.