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Begegnungen: Debüts in „24 Préludes“

Vier Paare (im Bild drei) tanzen zu 24 Péludes.

Begegnung“ nennt Martin Schläpfer den dreiteiligen Abend mit der doppelten Uraufführung „Lux Umbra“ von Andrey Kaydanovskiy, Choreografie und Christof Dienz, Musik, sowie der Uraufführung „in Sonne verwandelt“ von Martin Schläpfer zur Musik von Ludwig van Beethoven und der für das Wiener Staatsballett neu eingerichteten Choreografie „24 Préludes“ von Alexei Ratmansky zum gleichnamigen Klavierzyklus von Frédéric Chopin. Ratmansky zieht der Originalfassung eine Bearbeitung für Orchester des französischen Komponisten Jean Françaix vor.

Hyo-Jung Kang: Debüt  in Ratmanskys Choreografie "24 PréludeIn der 6. Vorstellung (4.3.) lässt Dirigent Gerrit Prießnitz auch in der Orchesterfassung von Chopins Klaviermusik die Intentionen des Komponisten hören, das Orchester spielt Chopin. Prießnitz  läßt die Streicher feinfühlig phrasieren und beachtet Takt und Tempo der acht Tänzer:innen. Doch wenn die Trompeten, die Tuba und die Pauken loslegen, wird auch auf der Bühne zum Kampf gerüstet. Dann verlangt Ratmansky ein Prestissimo, das in die Beine geht und auch den Taktstock tanzen lässt.
Ratmansky / Chopin, bearbeitet von Françaix eröffnen den Abend, an dem es drei Debüts zu beklatschen gibt: Allen voran und unvergleichlich, auch an diesem Abend, Davide Dato. Überflüssig, seine Technik und die Körperspannung hervorzuheben, was Dato so einmalig macht, ist sein Rollenverständnis, auch wenn mangels vorgeschriebener Handlung gar keine Rollen zu spielen sind. In jedem der Solos, Pas de deux, ob zu viert oder zu dritt, er weiß immer, wer er gerade sein will, ist einmal kecker Charmeur, der es schafft zwei Damen zugleich zu küssten und sich dann schnell davonmacht, das nächste Mal gibt er Ton im Herrenquartett an. Ioanna Avraam mit Davide Dato: Perfekte Körperspannung.
Auch die Erste Solotänzerin Hyo-Jung Kang tanzt an diesem Abend in der Volksoper ihren Part zum ersten Mal. Sie hat im Herbst dieser Spielzeit das Stuttgarter Ballett verlassen. Dort hat sie ihre Karriere 2003 als Elevin begonnen, 2011 ist sie zur ersten Solotänzerin ernannt worden. Mit ihren präzisen, geschmeidigen Bewegungen und ihrer prickelnden Lebendigkeit entzückt sie auch das Wiener Ballettpublikum.
Die Besetzung von „24 Préludes“ an diesem Abend könnte aus einer Wohngemeinschaft stammen, die Paare spielen Bäumchen wechsle dich, fröhliches Geturtel wechselt mit wilder Eifersucht und muskelgeschwelltem Machogehabe. Doch die Damen haben das Sagen, werden auch dementsprechend respektiert und auf Händen wie auf den Schultern getragen.Rollendebüt für Davide Dato in "24 Préludes".
Erst nach dem letzten Kostümwechsel, erkennt man im Finale an den korrespondierenden Farben, wer mit wem tanzend liiert ist. So steht es auch auf dem Programmzettel: Hyo-Jung Kang mit Marcos Menha; Ionna Avraam springlebendig mit Davie Dato; Aleksandra Liashenko mit dem formidablen Géraud Wielick und Ketevan Papava mit dem Alexey Popov. Auch die Erste Solotänzerin Papava hat die 24 abwechslungsreichen Préludes zum ersten Mal getanzt, sehen kann man das nicht, Papava beherrscht die Bühne allein durch ihre Haltung, ob definierte Rolle oder wie bei Ratmansky plotlos aber dennoch inhaltsreich, Ketevan Papava überzeugt und fasziniert. Ketevan Papava tanzt zum ersten Mal in Alexei Ratmanskys Choreografie zu "24 Préludes" von Frédéric Chopin.
Ein ebensolches Vergnügen wie an diesem Abend die Tänzer:innen und die Musik, bereitet auch Andrey Kaydanovskiys neueste Kreation „Lux Umbra“. Zwar, so steht es im Programmbuch, hat er diesmal nicht an eine Handlung gedacht, sondern sich mit dem Komponisten Christof Dienz zusammengetan, um eine echte Ballettmusik. zeitgenössische Musik für ein zeitgenössisches Ballett zu erhalten und die Tänzer:innen dazu auftreten zu lassen. Doch Kaydanovskiy ist ein begabter Erzähler, so bleibt es nicht aus, auch in diesem Tanzstück, wo der Solotänzer (Masayu Kimoto) vom Dunkel eines Kellers ins Licht geht und danach wieder ins Dunkel entschwindet, ein Narrativ zu sehen, sich eine Geschichte auszudenken. Auch die Kostüme von Karoline Hogl erzählen sie samt dem Ensemble aus zwölf Tänzer:innen sowie Claudine Schoch und Lourenço Ferreira als weitere Figuren.
Ausschnitt aus dem dritten Stück des Abendes "Begegnungen": "In Sonne verwandelt" von Martin Schläpfer. Nicht geringen Anteil an der Wirkung dieses Choreografie hat auch das Licht von Christian Kass. Wie auch immer, Kaydanovskiy verrät nicht alle Geheimnisse, die seine Werk und die Musik bergen, und so kann ich auch einen Krimi sehen, bei dem nicht verraten wird, wer Opfer und wer Täter ist. Neben dem Choreografen selbst hat auch Ballettmeisterin Louisa Rachedi, die seit 2020 im Wiener Staatsballett arbeitet und zugleich stellvertretende Ballettdirektorin ist, mit den Tänzer:innen gearbeitet.

„Begegnungen“: Orchester der Volksoper Wien, Dirigent Gerrit Prießnitz, Wiener Staatsballett in der Volksoper.6. Vorstellung, 4. März 2022.
„24 Préludes“, Choreografie: Alexei Ratmansky, Kostüme: Keso Dekker, Licht: Wolfgang Könnyü, Einstudierung: Amanda Eyles.  Ketevan Papava mit AlexeyPopov: "24 Préludes".
„Lux Umbra“, Choreografie: Andrey Kaydanovskiy, Musik: Christof Dienz, Auftragskomposition.
„In Sonne verwandelt“, Choreografie: Martin Schläpfer, Musik: Ludwig van Beethoven, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op.48. Solist Johannes Piirto. Kostüme Hélène Vergnes.
Noch zwei Vorstellungen: 9., 15. März 2022.
Fotos: Ashley Taylor © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor