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Georg Blaschke & Jan Machacek: „ani_male“, brut

Jan Machacek & Georg Blaschke: "ani_male" © Lisbeth Kovacic

Der Tänzer und sein Abbild, der Videokünstler und das Auge der Kamera: Georg Blaschke und Jan Machacek nennen ihre dritte gemeinsame Arbeit „ani–male“. Ein Kunstwort, das unterschiedlich zu lesen ist. Auf Englisch gehört, könnte es „irgendein Mann / jeder Mann“ heißen. Oder kommt es aus dem Lateinischen und bedeutet Tierwesen? Nicht wichtig: Sowohl der Mann wie das Tier sind im Raum, die von Machacek gesteuerte Kamera fängt den Körper ein, verdoppelt und fragmentiert ihn, beobachtet jede Bewegung, beleuchtet jede Pore. Sound, Videobilder und der Tanzkörper werden zu einer untrennbaren Einheit, wenn der Videokünstler Jan Machacek mit dem Tänzer Georg Blaschke zusammenarbeitet. Am 20.2. war Premiere des neuen Spiels im studio brut.

Ein wildes Tier, ein Urzeit-Mensch? An der Wand lauert der Schatten. Alle Bilder: ©  Lisbeth Kovacic Noch bevor sich die Tür in den Zuschauerraum öffnet, scannt Jan Machacek das Foyer, spielt die Bilder wieder zurück auf den Boden, an die Wand, die kleine Kamera beobachtet. Auf der Bühne liegen gegerbte Häute, Haare und Fellstücke, geschälte Baumstämme simulieren Natur, Vögel kreischen, Wölfe heulen, Elefanten trompeten, das Publikum befindet sich im Tiergarten. Auf einem kleinen Tisch kauert ein Körper in Fellhose, halb Tier, halb Mensch. Eigenbewegungen sind ihm noch versagt, Kameramann Machacek richtet den Körper auf, bewegt seine nackten Arme, bis der Tänzer sich von alleine zu regen beginnt, sich ganz in ein Tierwesen verwandelt, zu vielen Tieren wird. Gefangen im Raum, wird es vom Auge der Kamera beobachtet und verfolgt. Die Kamera, auf einem von Machacek selbst gebauten Kran montiert, lässt dem tanzenden Körper keine Ruhe, ist immer hinter ihm her und wird mit ihrem langen, schwenkbaren Arm selbst zum Tier, einem bösen Tier. Das Tier hat sich aufgerichtet: Georg Blaschke

Der Tänzer wird immer mehr zum Tierwesen, mit einem Schweif im Nacken und verhülltem Gesicht. Der Tiergarten schweigt, ein Psalm, von Vivaldi vertont, erklingt, süß und klagend: Das Glück ist nicht erzwingbar, besagen die biblischen Verse. Das Tier entkommt seinem Gefängnis nicht, unheimlich und betrüblich ist die Szenerie. Der in seinem Käfig gefangene Wolf läuft im Kreis, findet keinen Ausweg, verfolgt vom blitzenden Auge der Kamera, sucht er die Freiheit, stößt immer nur auf Wände.

Man könnte meinen, ein Mensch wird geboren, wenn Georg Blascke mit den Polstern kämpft. Ruhe kehrt ein, Machacek, auch er ist sichtbar Teil der Performance, deckt den liegenden Körper mit Häuten und Fellen zu, als würde er das Tier begraben. Wenn Blaschke sich wieder erhebt, ist er nur noch Mensch. Blank und hilflos steht er da, auch er ein von der Kamera Verfolgter.

Doch der Mensch kann Waffen verwenden, kann sich wehren, ist ein starker Mann, der die Welt beherrschen will. Die Bilder, voreingespielt und zugleich live aufgenommen, sagen das Gegenteil, bedecken die Wände und den Boden, der Körper des Tänzers wird zerlegt, in Nahaufnahmen sieht man jede Pore, der Blick ruht auf dem Tanzkörper, festgehalten von Geschmeidigkeit und Präsenz.
Die lange Pause, bevor nach seinem Verschwinden der Applaus einsetzt, zeigt den tiefen Eindruck, den „ani_male“ im Publikum hinterlassen hat. Unter Beobachtung, auch im Schlaf (Jan Machacek, Georg Blaschke)

Obwohl die dramaturgisch durchstrukturierte Aufführung auch von der Kommunikation zwischen Kamera und Körper (Machacek und Blaschke) vom Zufall und spontanen Einfällen lebt, ist „ani_male“ nach „Bodies in Accidents“ und „I don’t remember this body“ die dritte gemeinsame Arbeit von Blaschke & Machacek, ein überaus emotionales und, wenn man will, auch politisches Stück, in dem viele Gedanken und Geschichten stecken. Georg Blaschke, fotografiert von Laurent ZieglerFragen, Assoziationen und Emotionen sind keine Grenzen gesetzt. Man darf sich einfach den Bildern des realen Körpers und auch des virtuellen, der Kamera generierten, hingeben, den eigenen Emotionen freien Lauf lassen. Oder über das Verhältnis von Mensch und Tier, über Macht und Unterdrückung, Jagen und Gejagtwerden und über den Großen Bruder, der uns nicht aus den Augen lässt nachdenken und sich zugleich an der Körperbeherrschung und dem großartigen Tanz und am Einfühlungsvermögen des Videokünstlers Machacek erfreuen. Und daran, dass Bühne, Kostüme, Licht, Musik, Bilder und Bewegung zu einer schmerzlich schönen Einheit verschmelzen.

„ani_male“ von Georg Blaschke & Jan Machacek. Choreografie und Performance: Georg Blaschke; Medienkunst und Performance: Jan Machacek; Kostümgestaltung und Bühne: Hanna Hollmann; Musikgestaltung: Christian Schröder; Lichtgestaltung und technische Leitung: Sabine Wiesenbauer; Videoprogrammierung: Oliver Stolz; Produktion M.A.P. Vienna Raffaela Gras. Premiere: 20. Februar 2020, Studio brut.
Folgevorstellungen: 21., 22., 24., 25. Februar 2020, 19 Uhr. 22. Februar auch um 16 Uhr.