Makemake / Just Oldenburg: „AndersLand“
Das Kollektiv Makemake hat sich mit „AndersLand“ wieder einmal selbst übertroffen. Puppen und Objekte, Gesang und Musik, Scherenschnitte, Modelle und Projektionen wachsen mit Sprache und Bewegung zu einem perfekten Ganzen zusammen. Inspiriert von Shaun Tans Grafic Novel „The Arrival“ ist dem Team unter der Regie von Sara Ostertag eine intensive Vorstellung gelungen, in der in wohltuendem Minimalismus von Flucht und Wanderschaft, von einer verlassenen und einer gesuchten neuen Heimat erzählt wird. Die Uraufführung hat im Frühjahr im Staatstheater Oldenburg (JUST) stattgefunden; die Österreich-Premiere war am 13.12. im Dschungel und wird ebendort am 14.12. festlich begangen.
Gehen, rennen, niederfallen, aufstehen, schlafen, weitermachen; hungern, dürsten, Schmerzen spüren, nicht jammern, weitermachen; weggeschickt werden, Unterschlupf suchen, um einen Pass betteln, angepöbelt werden, nicht verzagen, weitermachen; Arbeit finden, an die Eltern denken, trauern, auf Wärme warten, weitermachen : „Anderswo ist es sicher sicher.“ Sicher!
Sicher?
Mit ihrem Koffer voll Erinnerungen (die zerstörte Stadt, zerbombte Häuser) reist eine junge Frau über die Meere und durch fremde Länder, muss eine neue Heimat finden, die alte existiert nicht mehr. Sie fliegt wie die Vögel, die sind winzig klein, aus Papier gefaltet, suchen einen wärmeren Ort, wenn der Schnee fällt und das Futter rar wird.
Suse Lichtenberger ist diese junge Frau, Simon Dietersdorfer macht die atmosphärisch dichte Musik dazu und spielt auch verschiedene Rollen; Birgit Kellner und Christian Schlechter haben mit Liebe und Gefühl die Puppen und Objekte gebaut, die plastisch Stationen der Reise der Emigrantin unmittelbar auf der Bühne oder per Projektor auf den Hintergrundprospekt geworfen, zeigen. Schlechter ist nicht nur als Puppenspieler auf der Bühne sondern auch als Rollenträger auf der Bühne.
Mitunter treten die beiden Darsteller, wie es bei makemake üblich ist, aus der Rolle, unterhalten sich miteinander. Damit ich mich nicht in Tränen auflöse. Auch wenn das makemake-Team alles andere im Sinn hat, als Drüsen zu drücken und Herzen zu erweichen. Sie wollen lediglich ein wenig die Augen öffnen, zum Nachdenken anregen und auch unterhalten, denn es darf auch gelacht werden. Besonders über eine grantige Person, die ein Tier mit einem großen Maul ist. Das Chamäleon, von Schlechter so perfekt geführt, dass es seinen Ausdruck verändert und zugleich widerlich und auch liebenswert ist. Wird der Kerl aufgeregt und zornig stellt er seinen Helm auf. Ich mache mir keine Gedanken, wen das Großmaul repräsentiert, doch ein junger Schüler in der Vorpremiere sagt es: „Das ist der Wiener“.
Nicht einmal eine Stunde benötigen Künstler*innen, um ein ganzes Universum an Geschichten und Gefühlen herbei zu zaubern. Echt makemake eben.
Wieviel Liebe und Einsatzfreude das Kollektiv für seine Produktionen, nen aufbringt, zeigt die Liste der Mitwirkenden. Die Erwähnung von Simon Dietersdorfer, Musikant, Darsteller und Sänger, oder Sara Ostertag, die Regisseurin, ist kein Irrtum. Sie sind zugleich in der Produktion „Das große Heft“ (Kosmos Theater) beschäftigt. Der Rest der Crew sitzt bei der Vormittagspremiere im Publikum und freut sich mit den Kollegen und besonders mit Kollegin Lichtenberger, die in Wien ihr Rollendebüt zu feiern hat, über den verdienten Applaus.
„AndersLand“. Makemake Produktionen & JUST des Oldenburgischen Staatstheaters. Regie Sara Ostertag. Bühne, Kostüm, Figurenbau: Birgit Kellner, Christian Schlechter: Musik: Simon Dietersdorfer: Dramaturgie: Anna-Theresa Schmidt: Mit: Simon Dietersdorfer, Suse Lichtenberger, Christian Schlechter.
Uraufführung: Oldenburg, 28.4. 2019. Premiere in Wien: 14.12.2019, Dschungel.
Aufführungstermine: 14. und 15.12. 2019, 16 Uhr. 16. – 19.12. 10 Uhr. 5 weitere Termine im April, 22. –26.4. 2020.
Fotos: © Bettina Frenzl