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Leonie Wahl / E. K. Weigel: „Telephone Booth“

Das Ensemble mit Telefonzelle.

Der volle Titel der Show ist lang und auf Englisch: „This is what happened in the Telephone Booth“, klingt aber nicht besser als der Deutsche: „Das ist es, was in der Telefonzelle geschah“. Tanz.Schau.Spiel ist die Kennzeichnung des einstündigen Abends. Die Uraufführung am 14. 11. erheiterte und begeisterte das Publikum im Off -Theater.

Leonie Wahl klettert voll Verzweiflung an der Telefonzelle hoch. Eine Frau erinnert sich an ihre Kindheit und den ersten psychotischen Ausbruch ihrer Mutter. Es geschah so plötzlich, dass die beiden Schwestern, die Erzählerin war 10 Jahre alt, im Schock erstarrt sind. Die Mutter hat von einer Telefonzelle aus ihren Freund angerufen, als sie zurückgekehrt ist, war sie in Panik, fantasierte von Blut an ihren Händen und Stimmen, die sie gehört hätte. Später wurde der Mutter eine Erkrankung an Schizophrenie attestiert. Die Kindheit der Schwestern war mit einem Schlag beendet.

Das ist die Geschichte, die Leonie Wahl auf dem Programmzettel erzählt, als Choreografin und Tänzerin hat sie diese gemeinsam mit Regisseur Ernst Kurt Weigel in ein Tanz.Schau.Spiel umgesetzt. Mit Wahl bewegt sich Hannah Timbrell auf der Bühne, die Herren Kajetan Dick, Gerald Walsberger, Michael Welz sind die Wiener Dialekt sprechenden Darsteller, offenbar Fantasiefiguren der Erkrankten, oder auch der Tochter, die sich in die Mutter hineindenkt. Fremde Stimmen flüstern und schreien, artikulieren und vokalisieren. Tamara Stern, im Schatten, abseits des Bühnengeschehens, vor dem Mikrofon stehend, verstärkt und unterstreicht, hochkonzentriert, die unheimliche elektronische Musikbegleitung von Asfast. Gespenster in der psychiatrischen Anstalt.

Choreografin und Tänzerin Leonie Wahl nennt als Intention ihrer Arbeit (ihres Tanzprojekts orgAnic reVolt), eine „Reflexion über die emotionale Qualität der Bewegung, weg von dem hypothetischen Tanz“ und „hat keine Angst, andere Kunstformen zu integrieren“. Dazu braucht es aber mehr, als Sprache, Schauspiel und Tanz zu vermischen. Die dramaturgischen Bedingungen der beiden Bühnenformen sind ebenso wie die Wirkung auf das Publikum unterschiedlich. Wird nur einfach „integriert“, entsteht halt ein Mischmasch, ein Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen. Wenn Tänzerinnen zugleich heftige, akrobatische Bewegungen ausführen und lange Textpassagen sprechen, haben sie Schwierigkeiten mit der Atemluft. Auf der Bühne zu sprechen, hat nichts mit alltäglichen Geplapper gemein, wie es jede(r) praktiziert. Schauspieler*innen werden dazu ausgebildet und müssen immer wieder trainieren. Hannah Timbrell, Leonie Wahl, Gerald Walsberger: Wer ist real, wer nur eine Halluzination?Dass manche Textzeilen rendundant sind, dem Tanz seine Hoheit nehmen, ist schade. Die exzelltenten Tänzerinnen machen sehr bald klar, dass die Telefonzelle ein unheimlicher Ort ist. Wo zu es auch noch aussprechen. Scheint mir als Vertrauensburch dem Tanz gegenüber.

Die Bewegungen der beiden ausgezeichneten Tänzerinnen, Wahl und Timbrell, sind kaum zu deuten. Dass die Figuren gestört sind, ist zwar an den konvulsivischen Ausbrüchen, den Umarmungen der Leere, den zum Himmel gestreckten Armen zu erkennen, doch die Geschichte, von den beiden auf Englisch erzählt, erschließt sich nicht. Die drei Darsteller erscheinen als Gespenster, spielen ein anderes Spiel, auch wenn sie sich immer wieder synchron mit den Tänzern zu Boden werfen und übereinander kugeln. Die Hintergrundmusik und vor allem das Raunen, Wispern, Rappen und Zischeln der Vokalistin Tamara Stern sagt mehr aus und erhöht deutlich die Spannung.Unheimliches tut sich in der Telefonzelle: Gerald Walsberger, Michael Welz, Kajetan Dick.

Hinderlich mag auch sein, dass Wahl, wie schon in ihrem Stück „Void“, aus dem eigenen Erleben schöpft. Da werden Barrieren spürbar, die nicht überschritten werden können (und auch nicht überschritten werden sollen). Möglicherweise hat Wahl deshalb ihre Erlebnisse auf Englisch erzählt. Hannah Timbrell stammt aus Australien und lebt seit fast acht Jahren in Wien, dass sie sich lieber ihrer Muttersprache bedient, ist verständlich.

Der Abend kann als interessantes Experiment eingeordnet werden, das nicht ganz gelungen ist, wie die Lacher im Publikum bei diesem eher erschütternden Tanz.Schau.Spiel gezeigt haben.

Das.bernhard.ensemble und orgAnic reVolt: „This is what happened in the Telephone Booth“. Choreografie: Leonie Wahl. Regie: Ernst Kurt Weigel. Entwicklung und Performance: Hannah Timbrell, Leonie Wahl, Kajetan Dick, Gerald Walsberger, Michael Welz. Vocals: Tamara Stern. Soundscapes: Asfast. Ausstattung: Devi Saha. Lichtdesign / Technik: Julian Vogel. Uraufführung: 14. November 2019, Off Theater Off Theater im Rahmen von 2019 Out of control.
Weitere Vorstellungen 15., 16. November 2019, sowie 21., 22., 23. und 28., 29., 30. November 2019.
Fotos: © Günter Macho.