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Heavy Duty – Begehren ist Leistungssport

Ein Raum. Zwei Menschen. Und eine Vielzahl an Variationen von Annäherung und Distanz. Dominanz und Unterwerfung. Berührung und Vereinzelung. Heavy Duty nennt der in Wien lebende Choreograf und Tänzer Luca Bonamore seine neueste Arbeit. Die Erstaufführung im Tanzquartier am 31. wurde vom Publikum lautstark gefeiert.

Und so vieldeutig wie der Titel sind sie es auch, die selbst auferlegten Aufgaben, die die beiden Protagonist:innen des rund 70-minütigen Abends haben: Selbstbeobachtung und Fremdbeschau, immer perfekt und doch auf der Suche nach etwas, das darüber hinaus geht. Über alle auferlegten Ziele hinaus geht. Und nie weniger als perfekt ist. Bonamore, der sich bereits in seinen bisherigen Choreografien mit verschiedenen Aspekten queeren Cruisings beschäftigt hat und sich dabei auch dessen unterschiedlichen Verortungen widmet, vom öffentlichen WC über den gut besuchten Club bis zur nächtlichen Promenade, versetzt seine zwei Protagonist:innen in Heavy Duty in den Fitnessclub. Hier Bodenturnen, dort eine Stangenlandschaft, da ein überdimensionaler Vorhang aus orangen Plastikbahnen, eine Pole-Stange. Für Nicht-Fitnessstudio-Affine (wie die Autorin) ist nicht alles sofort lesbar, bleiben die einzelnen zitierten Übungen und Posen namenlos. Dennoch gelingt es Bonamore und Fran Klein auf unsentimental-humorvolle Weise, auch für jene, die in diesem Universum nicht beheimatet sind, die unterschiedlichen zwischenmenschlichen Konstellationen in ihren vielfältigen Ausprägungen nachvollziehbar herauszuarbeiten. Und so auch die sich immer wieder verschiebenden Machtkonstellationen in der Beziehung der beiden Tänzer:innen.
Zu Beginn ist es Klein, die sich, im Rhythmus der kontinuierlich anwachsenden vibrierenden Beats (Musik: Zosia Hołubowska) in immer wieder neuen Posen der Beobachtung der eigenen Perfektion widmet, ehe sich Bonamore in einiger räumlicher Entfernung und mit denselben Bewegungsabläufen dazugesellt. Vorerst scheinen beide in der erotisch aufgeladenen Introspektion zu verharren, diese zu genießen und sich an den eigenen perfekten Bewegungen selbstgenügend abzuarbeiten. Individuen, die, so scheint es, mit sich allein vergnügt genug sind. Langsam jedoch gehen ihre Blicke zum:zur je anderen über, verharren dort, gehen wieder zu sich zurück. Es ist der Beginn eines bald in das Zentrum der Choreografie rückenden Dialogs, der mal angriffiger, dann wieder begehrlicher wird. Ein Spiel, das sich im Zuwerfen eines Kreideballs fortsetzt, später dann an der in unterschiedlichen Höhen und Konstellationen im Raum platzierten Stangenkonstruktion. Zwischen der Weichheit der Bewegungen und der Härte der Stangen, an denen die Performer:innen hängen, balancieren, schwingen, sich wie auch den: die andere dominieren, bezwingen, abwehren, dann wieder, zumal in den immer als Teil der Choreografie erkennbaren Blicken, nach Berührung suchen, entwickelt sich eine Begegnung von intensivster Spannung, die sich auch in der folgenden Sequenz verstärkt und radikalisiert. Nun geht es explizit um Machtkonstellationen, wenn je einmal eine:r auf und über der:dem anderen steht und sitzt, sich des anderen Körpers bemächtigt, um die damit deutlich sichtbar einhergehend Gewalt schließlich wieder in trügerischer Verspieltheit aufzulösen, oder, zuletzt an der Pole-Stange, sich dagegen aufzulehnen. Wenn Bonamore, auf dem Klein zuerst sitzt, dann auf dessen Schultern steht, sich von Boden hinauf und die Stange empor windet, findet die Beziehung der beiden sich für Momente im anderen verlierenden, dann wieder selbstermächtigenden Körper einen ihrer letzte Höhepunkte, ehe Bonamore im abschließenden Teil, hinter dem nun aufgeschlagenen, alles andere als Wärme und Schutz zitierenden durchscheinenden Plastikvorhang sitzend, seine ganz eigene, verzerrt-verlangsamte Version einer Liebeserklärung an ein unerreichbares rebel girl anstimmt, während Klein sich, nun im grauen Hoodie, in ihren eigenen Körperkokon zurückwindet. Ein letzter Blick zwischen den beiden schließt diesen choreografischen Essay über heutige Beziehungsmuster, die ihre Gültigkeit weit über queere Begegnungsräume hinaus haben, ab. Heavy Duty ist ein auch musikalisch eindringlicher choreografischer Essay über die Sehnsucht nach Nähe, die sich angesichts der zur Norm gewordenen zelebrierten Perfektion des Individuums als beständig flüchtiges Ereignis einstellt.

Luca Bonamore: Heavy Duty,
Tanz/Performance, Erstaufführung, Tanzquartier Wien, 31.1. .2.2024
Konzept, künstlerische Leitung, Choreografie: Luca Bonamore; Performance: Luca Bonamore, Fran Klein; Sounddesign, Musik: Zosia Hołubowska; Bühnenbild: Christiane Peschek; Lichtdesign: Leo Kuraite; Styling, Kostüm: amaaenaStudio; Dramaturgie Olivia Axel Scheucher:
Fotos: © Hanna Fasching.