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ImPulsTanz: Pina Bausch „Masurca Fogo“

Breanna O'Mara in "Masurca Fogo" © Karolina Miernik

Heißer Sommer am Lavastrand, heiße Liebe, Meeresrauschen und fröhlicher Tanz: „Masurca Fogo“, vor mehr als 20 Jahren von Pina Bausch mit ihrem Ensemble einstudiert, ist das Richtige für ein Sommerfestival, wie das von ImPulsTanz. Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch ist auch in Wien, im ausverkauften Burgtheater, mit Jubel überschüttet worden.

Wasserspiele am Strand. © Karolina MiernikEs ist auch leichte Kost, die Bausch mit ihrem Ensemble auf Einladung der Expo 1998 in Lissabon für ein auf Unterhaltung eingestelltes Publikum zusammengerührt hat. Wer nach Tiefe such in dieser heiteren Szenenfolge zur mediterranen Musik und ein paar alten Schlagern, findet sie natürlich: Begehren und Eifersucht, aggressive Männer und trotzige Waschlappen, Frauen, die lieber alleine bleiben, als sich mit einem solchen abzugeben, Frauen, die sich den Klaps auf den Po nicht gefallen lassen und eine gluckenhafte Mama. Das lebende Hendel, der künstliche Seelöwe und die über die Videowand stolzierenden Flamingos und die trampelte Rinderherden gehören nicht dazu – zu den tiefen Gedanken. Die ungeküssten Küsse schon.

Trotz des belebenden Wassers auf der Bühne und den Badenixen am Lavastrand wirkt das Tanztheater von Pina Bausch nicht mehr ganz frisch. Ist doch auch das Ensemble bereits zweigeteilt. Bereits die Hälfte hat die Gründerin nicht mehr erlebt und persönlich gekannt. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer mussten in die Haut anderer schlüpfen, die 1998 ihre persönliche Choreografie getanzt haben. Der Unterschied ist nur mit dem Opernglas zu erkennen, wer mit Pina Bausch gearbeitet hat, will das Alter nicht verbergen. Doch Pina Bausch ist 2009 verstorben, sie wird unvergesslich bleiben, doch die Tänzer*innen heute gehören nicht mehr zu der eingeschworenen Familie, sie sind andere und der Tanz ist auch ein anderer geworden. Es ist gut 40 Jahre her, dass Pina Bausch und ihr Tanztheater Wuppertal „Café Müller“ urgeführt haben. Solange die Schöpferin (der Schöpfer) einer Choreografie lebt, kann sie ihre Vorstellungen und Gedanken an die nächste Generation weitergeben. So hat das bei Johann Kresnik mit dem choreografischen Theater, „Macbeth“ und Tanzlin.z bestens funktioniert. Ist aber Nicht alle tanzen brav den Tango, ein Paar schwingt sich im Rock'n Roll. © Emilia Milewskadie Inspirationsquelle versiegt, bleibt nur noch die Erinnerung. Der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham hat das gewusst und testamentarisch verfügt, dass seine Compagnie noch ein Jahr nach seinem Tod 2009 eine zweijährige Abschiedstournee unternehmen und danach aufgelöst werden sollte. Die Aufführungsrechte an seinen Werken vergibt der Cunningham Trust. Das Ballett am Rhein hat Neueinstudierungen von „Pond Way“ (2013) und „Scenario“ (2014) in Erinnerung an Merce Cunningham gezeigt. Neueinstudierungen mit neuen Tänzer*innen, die möglicherweise den Namen Cunningham noch nie gehört haben. So kann Feuer bewahrt werden, ohne die Asche anzubeten.

Noch ist in „Masurca Fogo“ alles da, was die Choreografien von Pina Bausch ausmacht. Sie hat es geliebt, sich selbst zu zitieren, ihren Fans Déjà-vus zu schenken. So können auch im Burgtheater die über die Bühne Spaß in der Wanne samt Geschirr © Karolina Miernik schlendernden Tänzer gesehen werden, die hingeworfen oft banalen Sätze gehört und über die lebenden und schon toten Tiere, die verlockenden Früchte und die ungeküssten Küsse gestaunt werden. Und Wasser gibt es auch, zum Plantschen, Schwimmen (mit Fischschwanz) und Spritzen, bis die verführerisch gelüpften Röcke der Damen triefen. Es ist heiß im Sommer von Portugal. Die Mädchen liegen am Strand, paradieren in der Abendluft am Hauptplatz, die Männer gaffen; die Mama serviert das Essen und streicht ihrem großen Jungen bei jedem Gang über den Kopf. Heiter und romantisch mit einer guten Portion Ironie rollen die bunten Bildchen dieser feurigen Mazurka vor dem begeisterten Publikum ab.

Das einfache, jedoch eindrucksvolle Bühnenbild – ein weißer Guckkasten, der durch Videoeinspielungen scheinbar erweitert wird, ein glatter, begehbarer Lavafelsen im Hintergrund – stammt von Peter Pabst. Die Kleidchen und Anzüge hat die ehemalige Tänzerin und langjährige Kostümbildnerin in Wuppertal, Marion Cito, entworfen. Die Liste der verwendeten Musik ist ellenlang, reicht von Fado über Tango und Bossa Nova bis Jazz. Spaß mit der Klopapierrolle. © Karolina Miernik

Heiß sind nicht nur die Sonne und die Musik, auch die Sehnsucht brennt und das Begehren, die Eifersucht und Rivalität. Es wird mehr getanzt unter der südlichen Sonne als in jedem anderen Pina-Bausch-Stück. Und wie! Doch scheint mir, als hätte sich im Lauf der Jahre die Gags und Pointen etwas überdreht, soviel gelacht wird selten bei Pina Bausch. Manches wirkt schon ziemlich altbacken. Doch am Strand wird das Leben eben nicht so ernst genommen.

Neben Blödeleien wird auch richtig getanzt. © Karolina Miernik Am Ende rauscht bedrohlich das Meer, scheint die Bühne zu überschwemmen, und es wird weitergetanzt, getanzt bis zum Umfallen. Der Himmel hat sich rosenrot gefärbt und die Choreografie landet mit einer abgegriffenen Metapher tief in der Kitschkiste. Popmusik aus den 1990ern (The Hollies: „The air that I breathe“) schmeichelt sich ins Ohr, im Zeitraffer öffnen sich bunte Blüten. Das Publikum schwelgt auch darin. Pina Bausch ist unantastbar.

Tanztheater Wuppertal Pina Bausch: „Masurca Fogo“, 16., 17., 18. und 19. Juli 2019, Burgtheater / ImPulsTanz Festival.