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Serapions Ensemble: „… am Abend der Avantgarde“

Maskenball in St. Petersburg als Prolog. © Nick Albert

Die Saison neigt sich dem Ende zu und auch erfolgreiche, hochgelobte Aufführungen verschwinden vom Spielplan. Müssen verschwinden, um Neuem Platz zu machen. Schnell zu handeln, ist das Gebot. Etwa um die zauberhafte Produktion des Serapions Ensembles im Odeon, „… am Abend der Avantgarde“ zu sehen. Dreimal, am 29., 30., und 31. Dezember gibt es noch Gelegenheit dazu. Auch nach einer langen Aufführungsserie sind die letzten Vorstellungen von am Ende begeisterten Zuschauerinnen gut besucht.

Erwin Piplits und sein Team zeigen das noch niemals aufgeführte, als Fragment erhaltene poetische Stück der russischen Dichterin Anna Achmatova, „Enuma Elisch“ in einer magischen Bilderfolge mit träumerisch gesprochenem Text.

Reise ins Nirgendwo, vielleihct  die letzte. © Nick Albert Ende 1913, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, St. Petersburg. Es weht ein scharfer Wind, auf Straßen und Plätzen und im Kopf der Dichterin Anna Achmatova (Ivana Rauchmann). Anna ist bald verdreifacht, Sandra Rato da Trindade ist ihr Schatten, Ana Grigalashvili die alte Frau, die Annas Verse in wunderbarem Russisch spricht. Kein Problem für die Zuschauerinnen, die schnell in das Spiel hingezogen werden: Die Texte werden alle auch auf Deutsch gesprochen. Ivana Rauchmann ist Anna Achmatova © Nick Albert

Piplits und Koregisseur Mario Mattiazzo fügen dem Dramenfragment „Enuma elisch“ auch das postum erschienene „Poem ohne Held“ hinzu. Erzählt wird die Geschichte der von Stalin mit Schreibverbot zum Schweigen gebrachten Dichterin mithilfe ihrer eigenen Texte. Achmatova (1889–1966) wurde zwar nach Stalins Tod schrittweise rehabilitiert, doch blieb sie jenseits des Eisernen Vorhangs weiterhin unbekannt.
In der Bevölkerung Russlands aber war „Anna von ganz Russland“ niemals vergessen. Als ein Gedichtband Achmatovas 1940 erscheinen durfte, prügelten sich die Käuferinnen vor den Buchhandlungen um ein Exemplar.

Die Poetin und ihr Werk in Erinnerung zu rufen, ist das große Verdienst des Serapions Ensembles. Dass dies mit einem fantastischen Traum geschieht, macht den Abend zu einem Erlebnis und erleichtert, auch durch erheiternde Zwischenspiele, den Zugang zu Achmatovas rätselhaftem Werk.

Serapions Ensemble: „… am Abend der Avantgarde“. Nach „Enuma Elisch“ von Anna Achmatova in der Übersetzung von Alexander Nitzberg. Uraufführung April 2016, gesehen am 9.12.2016, Odeon.
Nur noch drei Vorstellungen: 29., 30. und 31. Dezember 2016.