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Neujahrkonzert im TV – Musik im Hintergrund
Ein Kommentar.
Ja, ja, so sind’s die Wienerinnen und die Wiener, tanzen auf der Straße und backen Torten, sind immer verliebt und fahren mit der Kutsche. Walzen den ganzen lieben Tag und die halbe Nacht und klopfen im 3/4 Takt auf Leder und Eisen. Blondgelockte Mädchen spielen Cello und selbst der Straßenarbeiter lächelt glücklich, schaufelt fröhlich den Sand im Takt. Wien poliert die güldenen Ringlein und lebt glücklich in der Vergangenheit. Zukunft? Die gibt es nicht. Weil’s wahr is!
Honig aus Wien. Verlogen und trotz des Schmalzes langweilig ungenießbar, war nicht nur der Pausenfilm des Neujahrskonzertes 2017, auch alles was drum herum gezeigt und geplappert worden ist, dient nur als Lockmittel für Touristenl. Sind die Philharmoniker wirklich so strahlend, weil sie nach der Silvesterfeier am Pult sitzen dürfen und der Dirigent (Gustavo Dudamel) der jüngste aller Zeiten ist? Ich meine sie hören den Rubel rollen und denken an die Tantiemen – die Schnellpressung der CD / DVD stapelt sich bereits nächste Woche in den Onlineshops. Bestellen Sie heute noch!
Das wahrhaftige Strahlen zeigten die Tänzerinnen und Tänzer in der Hermesvilla. Obowhl jede Schusterin und jeder Bratenkoch einen Namen hat (in diesem grässlichen Pausenfüller), werden die Tänzer_innen, die in ihren Sommerferien zur Aufzeichnung antreten, nicht vorgestellt. Aber die (Ersten) Solist_innen verdienen es auch genannt zu werden: Liudmilla Konovalova, immer auf Spitze, gestützt von Robert Gabdullin, Eno Peçi wirbelt Ketevan Papava über Parkett und Gartenweg, Denys Cherevychko hebt Nina Poláková in den blauen Himmel und schließlich, gli Italiani: Alice Firenze mit Davide Dato –perfetto!
Perfekt sind auch die Kostüme, von Christof Cremer entworfen, in den Werkstätten von ART for ART hergestellt. Die Herren in blauem Taft und die Damen in fließenden Stoffen, zarten Farben, zugleich Ballettkostüm und Abendkleid, schmeichelnd und im Walzertakt fliegend. Choreograf Renato Zanella, als langjähriger Ballettchef in Wien mit vielen Tänzer_innen bestens vertraut, hat es vermieden, die Damen ununterbrochen über Treppen zappeln und von Balkonen winken zu lassen, er läasst die Paare einfach so schwungvoll tanzen, dass man meinte, es seien viermal so viele. Ein Genuss.
Warum dann Pferde zur Illustration des Strauß-Walzers „Die Extravaganten“ über die Koppel hoppeln müssen, ist mir nicht ganz klar. Im Goldenen Saal zappeln dann keine Pferde sondern Schülerinnen und Schüler der Ballettakademie schnell zur Polka. Mit Publikumsbetatschen.
Ach so, vergessen!. Das Neujahrskonzert ist eine PR-Veranstaltung für 50 Millionen Zuschauer_innen in mehr als 90 Ländern. Also liebe Japaner, Amerikanerinnen, Venezolaner und Indianerinnen (Verzeihung, die waren nur im Galopp von Johann Strauß Vater im Musikverein anwesend), auf in die Hermesvilla und in die barocke Winterreitschule in der Hofburg zu den weißen Pferden! Wo waren eigentlich die Sängerknaben?
Und die Musik? Vor lauter Einspielungen und Zwischenschnitte habe ich sie gar nicht gehört, auch nicht den Donauwalzer, bei dem Vladimir Malakhov im Kronleuchter walzen durfte. Aber ich bin sicher, des Dirigenten Gustavo Dudamels Temperament hat gezündet.
Neujahrskonzert 2017, Wiener Philharmoniker unter Gustavo Dudamel im Wiener Musikverein. 1. Jänner 2017, TV-Übertraugung: ORF 2.