Suche
Wiener Staatsballett: Die kommende Saison
Nach einer fulminanten Ouvertüre hat Bogdan Roščić am vergangenen Sonntag dem Opernpublikum in einer abwechslungsreichen Schau das Opernprogramm für die kommende Saison vorgestellt. Einige wenige Minuten sind auch dem Ballettprogramm gewidmet worden. Zwei Premieren in der Staatsoper und zwei in der Volksoper, die schon mit dem Volksopernprogramm angekündigt worden sind, mischen sich in die Repertoire-Vorstellungen.
Eröffnet wird die Ballettsaison 2024/25, die letzte von Direktor Martin Schläpfer, am 16. September mit dem Ballettklassiker schlechthin: Schwanensee. Gedächtnisstütze: Choreografie von Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Ivanov, Musik von Peter I. Tschaikowsky. Weiter acht Vorstellungen bis zum 24. Oktober garantieren volle Auslastung der Staatsoper. Ein Märchen von Liebe und Verrat, Eifersucht, Reue und Verzeihung, dramatisch und lebensnah, zaubert der Choreograf Christopher Wheeldon als erste Premiere der Saison auf die Bühne. Geschrieben hat The Winter’s Tale / Das Wintermärchen William Shakespeare. Zu dessen 450. Geburtstag hat der sowohl als Tänzer als auch als Choreograf mehrfach ausgezeichnete Künstler Shakespeares dramatische Komödie für das Royal Ballet adaptiert. Stante pede wurde die Choreografie vom Bolschoi-Ballett ins eigene Repertoire übernommen. Den 2. Prix Benois gab’s auch dafür. Zehn Jahre nach der Uraufführung studiert Jason Fowler das hochgelobte Werk mit dem Wiener Staatsballett ein. Fowler kennt zumindest einen Teil der Compagnie, war er doch bereits 2015 in Wien, um Wheeldons Ballett The Fool’s Paradise einzustudieren. Ballettdirektor Manuel Legris hatte Wheeldon nach Wien eingeladen. Wie für Das Narrenparadies hat der englische Komponist Joby Talbot auch für Das Wintermärchen die Musik geliefert. Zeitgenössische Ballettmusik zu zeitgenössischem Spitzentanz, ausgeführt von einer (damals) bestens trainierten und geführten Compagnie. Am 17. November kann das Publikum sich in der Einführungsmatinee informieren, am 19. November ist Premiere und danach sind bis zum 20. Dezember acht Vorstellungen eingeteilt.
Siebenmal haben Ballettfreundinnen zwischen 19. Februar und 22. März wieder Gelegenheit, John Neumeiers modernen Klassiker Die Kameliendame zu genießen. Der Rest ist Repertoire, wenig aufregend, aber Publikums-kompatibel. Die Abonnentinnen und besonders die Besucherinnen auf Städteurlaub, die in manchen Vorstellungen die Mehrheit bilden, lieben die Tripelabende. Zwei Pausen und drei unterschiedliche Stückerl: Dazu meint die Lateinerin: Variatio delectat. Das Gesicht der Compagnie prägen diese Puzzlespiele kaum. Wie dem auch sei: Auch die zweite Premiere des Staatsballetts hat drei Falten. Pathétique hat am 9. April 2025 in der Staatsoper Premiere. Der wenig originelle Titel Pathétique weist darauf hin, dass Direktor Schläpfer noch einmal als Choreograf auftrumpfen will und dazu Tschaikowskys 6. Symphonie gleichen Namens benützt. Davor ist in einer Neueinstudierung von George Balanchines Choreografie Divertimento Nr. 15 (der Titel ist Musik) ein bissel Mozart zu hören. Die Musik zu Summerspace von Merce Cunningham stammt von Morton Feldman. Beide Ballette sind unterhaltsame, locker-leichte Tanzstücke. Dennoch ist der Abend ein schwer zu bewältigender Brocken, dauert doch die Pathétique, Tschaikowskys letzte Symphonie – bei der Premiere dirigiert von Christoph Altstaedt – allein an die 50 Minuten. Wozu noch die beiden Meisterchoreografen bemühen? Braucht Schläpfers Choreografie eine „Sättigungsbeilage“ (dixit Bogdan Roščić)? Bereits 2007 hat er Tschaikowskys Opus 74 in h-Moll für das Ballettmainz choreografiert. Im druckfrischen Spielzeitheft der Staatsoper ist das Ballett als „Uraufführung“ bezeichnet. Eine Seltenheit, dass ein Choreograf sich einem so überwältigenden Musikwerk zweimal widmet. Wenn Schläpfer bisher frühere Choreografien in geteilte Abende gepresst hat, waren sie meist „aufgefrischt“, mit neuer Ausstattung und frischen Kostümen leicht verändert. Sei’s drum, eine echte Uraufführung präsentiert der Tänzer und Choreograf Andreas Heise mit einem Abend, der aus zwei ineinander verschränkten Werken besteht. Kaiser-Requiem heißt das Ballett, das aus der einaktigen Oper Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung von Viktor Ullmanns und Mozarts Requiem besteht. Dirigent Omer Meir Wellber hat eine Verschränkung der beiden Kompositionen geschaffen. Der große Abend mit dem Staatsballett, dem Chor der Volksoper, Sängerinnen und Sängern hat am 25. Jänner 2025 Premiere.
Die zweite Premiere des Staatsballetts in der Volksoper besteht aus drei Kreationen, und so einfallsreich ist der Abend auch benannt: Kreationen. Mit -Choreografien von Alessandra Corti, Louis Stiens und Martin Chaix. Die Choreografinnen werden für das Staatsballett neue Werke schaffen und zeigen zur Musik von Beethoven (Corti), Bruch (Chaix) und Lisa Streich (Stiens) drei Uraufführungen. Premiere ist am 14. Juni 2025. Hoffentlich besiegt die Neugier auf diese Werke die Lust, im Garten eines Heurigen zu sitzen. Der Rest der Vorstellungen wird vom jüngeren Repertoire bestritten. Auf einen eleganten Abschluss seiner Amtszeit verzichtet Schläpfer. Doch das Programm wäre bereit dafür. Am 18. und 23. Juni 2025 wird die Eröffnungsvorstellung der neuen Direktionspreriode noch zweimal gezeigt. Mit Live, dem außergewöhnllichen Videoballett von Hans van Manen und seiner eigenen Choreografie zur 4. Sinfonie von Gustav Mahler hat der neue, noch unbekannte Ballettdirektor 2020 seinen Einstand gefeiert. Wäre der Anfang auch das Ende, gäbe es Applaus für den Esprit. Der Kreis würde sich schließen, ein eleganter Abgang wäre möglich. Aber nein! Zweimal noch muss Schläpfers nicht wirklich geglückte Dornröschen-Bearbeitung nachgeschoben werden. Und so rinnt diese Direktionszeit mit zwei von Reisegruppen gekaperten Vorstellungen am 26. und 29. Juni 2025 einfach aus.
Operndirektor Bogdan Roščić hat mit einer öffentlichen Inszenierung in der Staatsoper das Opernprogramm vorgestellt, der Ballettdirektor war auch dabei, ist auf die Bühne gehuscht, durfte ein paar Worte sagen. Auch die Volksoperndirektorin hat ihr Programm öffentlich vorgestellt, eine Woche vor Roščić. Auch dort war Martin Schläpfer ein paar Minuten präsent. Marketingmässig ein Flop. Dass das Wiener Staatsballett, die Company und jede einzelne Tänzerin, die Ballettmeisterinnen und Korrepetitorinnen und alle Mitarbeiterinnen auf und vor und hinter und neben der Bühne ihre Energie und Lebe dem Ballett widmen, respektiert und geschätzt werden, ist mit der Haltung „Ach ja, Ballett gibt’s auch noch!“ nicht bewiesen.
Ceterum censeo: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es unsinnig ist, die Vorstellungen des Staatsballetts auf zwei Websites zu verteilen. Das Wiener Staatsballett verdient eine eigene Website. Und auch eine eigene Programmpräsentation, damit klar wird,: Das ist ein Tanzkörper, der in zwei Häusern auftritt. Internationale Beispiele sind zu finden.
Die Spielzeit 2024 / 25 in der Volksoper und Staatsoper
Öffentlich vorgestellt in der Volksoper von Direktorin Lotte de Beer am 22. April 2024. Zusätzlich Übertragung via Livestream.
Öffentlich vorgestellt in der Staatsoper von Direktor Bogdan Roščić am 28. April 2024. Zusätzlich live übertragen von ORF III und via Livestream.
Das Ballettprogramm wurde von Martin Schläpfer in beiden Häusern als Zusatz der inszenierten Präsentationen zwischendurch angesagt.