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Tanzquartier – Live Erlebnisse nach dem Lockdown

Aus dem Trailer von "Make Banana Cry", Tay & Thompson.

Die künstlerische Leiterin des Tanzquartier und ihr emsiges Team geben sich optimistisch und haben die kommenden drei Monate bereits geplant. Der Start erfolgt noch online. Alexander Gottfarb zeigt mit Tänzerinnen und Tänzeri „Encounters“, einen Versuch zu arbeiten. Dass Tanz nicht nur Vergnügen, sondern auch Arbeit ist, hat er mit 13 Tänzer*innen schon 2019 / 20 ein Jahr lang mit dem Mammutprojekt „Negotiations“ gezeigt. Ein ganzes Wochenende wird er mit zwölf Kolleg*innen in einem Raum außerhalb des Tanzquartier tanzen. Von 4. bis 7. Dezember ist die 60-Stunden-Performance als Stream auf tqw.at mitzuerleben. Und danach gehts auf die Bühne, für 6. Dezember ist ein Ende des harten Lockdowns geplant.

Der iranische Künstler Sorour Darabi posiert in Brüssel. © Bea BorgersSorour Darabi, der von den Wiener Festwochen geadelte iranische Künstler, könnte dann sein neues Solo, „Mowgli“, im Tanzquartier zeigen. Ausgangspunkt der Performance ist der Song „Mowgli“ des französischen Rap-Duos PNL, die das wilde Kind aus Rudyard Kiplings Sammlung von Texten und Gedichten „Das Dschungelbuch“ auf junge Menschen mit Migrationshintergrund projizieren. Die Metapher des Dschungel lässt jedoch auch viele andere Assoziationen und Fantasien zu. Sorour Darabi lässt das Publikum an erlebten und fantasierten Geschichten teilnehmen, die sie in der Dunkelheit mit Musik und Tanz erzählt, während sich die Bühne in einen grünen Dschungel verwandelt. (11. , 12.12.2020)

Michael Turinsky nennt sein neues Solo „Precarious Moves“, „damit" – so der Text in der Programmvorschau des Tanzquartier – „setzt er seine Untersuchungen choreografischer Gesten im Entwerfen handlungspolitischer Ästhetiken fort.“ Verstehe das, wer es kann. Sicher ist, dass Turinsky, der von Geburt an körperlich behindert ist, sich längst sicher auf dem Performanceterrain bewegt und es versteht, das Publikum in Bann zu ziehen und mitunter auch zum Lachen zu bringen. Michael Turinsky in seinem Solo "Heteronomous male", 2017. © Hans SchubertEs geht ihm immer darum, die gängigen Normen für den Körper privat und auf der Bühne zu durchbrechen und die Klischees von Fitness und Schönheit, von gesund und krank als unbrauchbar zu entlarven. (8., 9.1.2021)

Elio Gervasi hat gemeinsam mit der Fotokünstlerin Mira Loew und dem Multitalent (Sound und Video, Film und Installation) David Altweger und sieben Performer*innen ein Stück über die Unentschiedenheit entwickelt. Warum das Projekt einen englischen Titel – „On Abeyance“ erhält, kann ich nicht erklären, zumal die Übersetzung von „in abeyance“ / „In der Schwebe“ so schön und aussagekräftig klingt. Sei’s drum. Aus dem Trailer für "Make Banana Cry" von Andrew Tay und Stephen Thompson. © youtubeDie Künstler*innen zeigen diesen Schwebezustand auf der Bühne mit Bildern und Texten, Bewegungen und Klängen und erzählen von den Zeiten der Unsicherheit. (14.,16.1.2021)
Gegen allerlei Klischees und Stereotypen treten auch die beiden kanadischen Künstler Andrew Tay und Stephen Thompson auf. Als Choreografen und Tänzer haben sie mit vier weiteren Tänzer*innen die fröhliche Show „Make Banana Cry" , in der westliche Vorstellungen über asiatische Kultur bloßgestellt werden, 2017 in Montreal zum ersten Mal gezeigt. In 90 Minuten wird auf die Biografien der Mitwirkenden eingegangen und die Vorstellungen von Identität zertrümmert, um Vorurteile abzubauen und neue Definitionen vorzuschlagen. (22., 23.1.2021) Chris Haring / Liquid Loft: "Blue Moon you saw …", ImpulsTanz Spezial, Oktober 2020 im Odeon. ©  Michael Loizenbauer.
Mit Chris Haring / Liquid Loft assoziiert man nicht nur Körper auf der Bühne,  sondern auch Bilder im Kino. Haring ist (auch) ein Cineast und hat für die kommende Produktion einen Filmtitel ausgesucht: „Stranger than Paradise“ (Original,1984 von Jim Jarmusch). Mehr ist darüber noch nicht zu sagen, doch sicher arbeiten Luke Baio, Stephanie Cumming, Dong Uk Kim, Katharina Meves, Dante Murillo, Anna Maria Nowak, Arttu Palmio und Hannah Timbrell mit Haring bereits an der Entwicklung des neuen Abends. Wir warten neugierig und geduldig. (28.–30.1.2021)
Christine Gaigg / 2nd nature zeigt mit „Go for it let go“, dass sie ihr Nachdenken über Sexualität und deren gesellschaftlichen Bedingungen noch nicht beendet hat. Die Vorstellungen sind nicht jugendfrei. (11.bis 13.2.2021).
Suelem de Oliveira da Silva (Cullberg) tanzt in der Coreografie von Jefta van Dinther. © Nina Andersson Jefta van Dinther hat nach großen Gruppenstücken mit Cullberg für eine einzelne Tänzerin des Ensembles ein Solo geschaffen. Ich zitiere aus dem Vorschauheft des Tanzquartier: „Im Tanzsolo ‚Mountains‘ widmet sich Jefta Van Dinther der Frage, 'wie wir uns in diese ständig wandelnde Welt verlieben können'". Durch die Austreibung von Worten, sowohl vertrauten als auch fremden, fungiert die Tänzerin Suelem de Oliveira da Silva als Ventil, das sich stellvertretend für andere auslässt, klagt und schimpft. Ihr Wesen löst sich auf im Nexus zwischen dem Physischen, dem Biologischen und dem Anthropologischen – zwischen Gravitationskräften, Instinkt und Verlangen.“ (19., 20.2.2021)
Wenn Krokusse und Schneeglöckchen ihre Nasen aus der Erde stecken, wird die algerisch-französische Choreografin Nacera Belaza
Nacera Belaza: "Le Cercle" mit Meriem Bouajaja, Mohammed Ech Charquaouy, Mohamed Ali Djermane, Magdalena Hylak. © Zedmit ihrer Compagnie auftreten. Sie hat mit „Le Cercle“ eine Choreografie aus Sufismus, Breakdance und anderen zeitgenössischen Tanzformen erarbeitet, Traditionelles und Zeitgenössisches sind gleichberechtigt. Belaza lässt sich in keine Kategorie pressen. Wie eine Musikerin eine Symphonie entwickelt, interpretiert sie in „Le Cercle“ Motive einer früheren Choreografie neu. „Ein Stück ist für mich niemals fertig“, sagt sie, „Ich bin immer auf der Suche nach größerer Genauigkeit“. (26., 27.2.2021)

Natürlich werden auch Theorieveranstaltungen, Trainingseinheiten und Workshops angeboten. Neu ist die Reihe „Knödel mit Ei – Meet & Greet“ im Café Sperl. Einmal pro Monat können dort Zuschauer*innen (geplant sind einstweilen jeweils vier) Choreograf*innen am Tag ihrer Premiere zu einer Plauderstunde samt einer Stärkung treffen.

Der Zwetschkenfleck im Café Sperl, aktuell: € 3,70. © Cefé Sperl

Die Kosten für den Besuch im Café Sperl (Getränk + Süßes oder Pikantes) übernimmt das Tanzquartier. Am 12. Dezember erwartet Sorour Darabi ihre Gäste; Elio Gervasi empfängt am 16. Jänner; die Kanadier Andrew Tay und Stephen Thompson sitzen am 23. Jänner im Kaffehaus in der Gumpendorferstraße, und Jefta van Dinther gibt am 19. Februar Auskunft über sich und seine Arbeit.

Vorschau auf die nächsten drei Monate, Dezember 2020 bis Februar 2021 im Tanzquartier (Bettina Kogler, künstlerische Leitung & Programm, Christa Spatt, Programm). Details unter tqw.at. Anmeldungen für „Meet & Greet“ bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., Vermittlung.