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Anna Mendelssohn: Die Liebe zur Sprache

Anna Mendelssohn auf dem Eisberg. © TimTom / www. annamendelsohn.net

Anna Mendelssohn ist ab 12. März in der Produktion „Oceans of Notions (swimming)“ von Anna Maria Nowak im Wiener WUK zu sehen. Daneben ist sie seit 2004 Ensemblemitglied von toxic dreams, spielt derzeit am TAG und schließt nächstes Jahr ihr Studium der systemischen Familientherapie ab. Geboren ist sie als Tochter des Psychoanalytikers Felix des Mendelssohn und der Theaterschaffenden Jutta Schwarz in Wien. Über ihren beruflichen Weg erzählt sie im Gespräch mit Angela Heide.

Haben dich deine Eltern oder auch deine Großmutter, die Autorin und Journalistin Hilde Spiel, schon während deiner Kindheit in der Wahl deines Berufes beeinflusst?

Interessiert hat mich früh schon der Tanz, und meine Mutter hat mich darin von klein auf unterstützt. Mein Herz schlägt aber für die soziale Arbeit, und so habe ich gleich nach der Matura begonnen, Psychologie zu studieren. Auf einer Reise nach New York, die ich mit 21 Jahren für ein Projekt gemacht habe, lernte ich einen amerikanischen Dichter kennen – und erst damals habe ich eigentlich die Kunst für mich entdeckt. Dabei wurde mir klar, dass das Lehrangebot an der Universität nichts für mich war, und mit 23 Jahren habe ich dann mein Psychologiestudium hingeschmissen und bin nach England gegangen, um dort Schauspiel zu studieren, zuerst in Dartington und danach in Bretton Hall.

Anna Mendelssohn: vielschichtige Offenheit. © ImpulsTanz Archiv / Thomas Marschall

2004 bist du aus England zurückgekehrt und hast gleich mit der Arbeit im Ensemble von toxic dreams begonnen. Wie kam es dazu?

Ich war kurz vor dem Abschluss und gerade am überlegen, was ich nun tun sollte, da kam der Anruf von Kornelia Kilga, ob ich bei einer Produktion einspringen würde, eine Kollegin war krankheitsbedingt ausgefallen – und die Begegnung mit Yosi Wanunu war dann Liebe auf den ersten Blick. Yosi liebt die Ensemblearbeit, und ich habe in diesen Jahren gelernt zu verstehen, warum, denn es entwickelt sich ein derart großes Vertrauen, eine Intimität, die vieles erleichtert. Man erspart sich so viele Missverständnisse.

Ein weiteres Standbein als Performerin sind deine Kollaborationen mit anderen Künstler*innen, Ensembles und Häusern.

Bis heute hat die Ensemblearbeit mit toxic dreams den größten Stellenwert, doch es tut gut, daneben und neben den eigenen Projekten immer auch in unterschiedlichen neuen Konstellationen das persönlic“Oceans of Notions (swimming)“ (Anna Maria Nowak, Karin Pauer, Anna Mendelssohn). Probenfoto von Ulli Koch.he künstlerische Feld zu erweitern. So habe ich schon früh in Wien mit dem israelischen Regisseur David Maayan zusammengearbeitet, dann mit der internationalen Formation Superamas, und aktuell spiele ich am TAG in der sehr bösen Realsatire Dorian Gray – Die Auferstehung, einer Koproduktion mit dem Ensemble The Practical Mystery, bei der die Avantgardefilmemacherin Mara Mattuschka Regie geführt hat, mit der ich zum ersten Mal zusammengearbeitet habe. Hier gab es, wie auch bei Yosi Wanunu, ein „klassisches“ Skriptum, also einen Text, von dem ausgegangen wird.

Aktuell probst du mit Anna Nowak für die Produktion Oceans of Notions (swimming). Was werden wir zu sehen bekommen?

Es ist ein Tanzprojekt, bei dem es um Sprache geht. Key-Foto zur Performance "oceans of Notions (swimming)" © Kati GöttfridIm Zentrum steht die Beeinflussung von Metaphern auf den menschlichen Körper. Wie sehen diese Sprachgebilde aus, wenn sie sich in unsere Körper einschreiben, ganz unter dem Motto, „metaphors we live by“ (George Lakoff). Etwa, „Probleme mit sich herumschleppen“ oder „Eine ruhige Kugel schieben“. Das Konzept und die letztgültigen Entscheidungen kommen bei diesem Projekt von Anna Nowak, doch wir improvisieren gemeinsam sehr viel, und jede von uns kann sich einbringen.

Du hast vor mehreren Jahren mit dem Studium der systemischen Familientherapie an der Sigmund Freud Privatuniversität begonnen. Weshalb?

Das war eigentlich mein alter, ursprünglicher Weg, zu dem ich zurückgekommen bin. Mir war immer klar, dass ich so um die 40 einen anderen Weg beginnen muss, ein neues Standbein aufbauen muss.

Sprache ist ein großes Thema in deiner künstlerischen wie auch in deiner therapeutischen Arbeit.

Ich habe im Laufe der Jahre, vor allem in der Arbeit als Schauspielerin mit toxic dreams und ganz stark auch durch meine eigenen Projekte Sprache immer mehr zu lieben begonnen, etwa wenn es um politische Themen geht. Anna Mendelssohn : Ein Herz für die soziale Arbeit. © Anja ööManfrediSprache ist mit den Jahren für mich immer wichtiger geworden und spielt auch in der Psychotherapie eine ganz große Rolle: Das genaue Hinhören und noch mal genauer Hinhören – wie reden wir, was meinen wir eigentlich damit, was passiert in den Nuancen, wenn man etwas ein wenig anders sagt oder die, den anderen missversteht …

War das auch mit ein Grund, dich für die systemische Familientherapie zu entscheiden?

Ja, diese Art zu denken liegt mir sehr. Sie basiert auf einem (de-)konstruktivistischen Denken, dem ich mich sehr nahe fühle. Und es passt auch sehr gut zu der Kunstrichtung, aus der ich komme. Dieses Denken kenne ich, die Sprache, die verwendet wird, die Perspektive auf die Welt ‒ und auch das Kollaborative. Ich fühle mich hier sehr zuhause.

Anna Maria Nowak: “Oceans of Notions (swimming)". Konzept, künstlerische Leitung: Anna Maria Nowak; Entwicklung und Performance: Anna Mendelsson, Karin Pauer, Anna Maria Nowak; Musik: Stephan Sperlich; Licht: Peter Thalhammer; eine Koproduktion von Archipelago ‒ Verein für performative Künste und WUK performing arts. 12. bis 14.3.2020. WUK, Projektraum.