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Osterfestival Tirol 2020 – Hall i. T. / Innsbruck

"Routes" im Salzlager in Hall. © Chris Rogl

Wie seit 31 Jahren findet auch heuer das renommierte Osterfestival Tirol in den letzten zwei Wochen vor Ostern statt. Am 27. März wird das Festival mit einer Tanzperformance im Salzlager / Hall i. T. eröffnet und nach dem reichen Programmangebot von Alter und Neuer Musik, Gesprächsrunden und Filmen mit „The show must go on“, dem Tanzklassiker von Jérôme Bel, beendet. 20 Tiroler Performer*innen, Profis und begeisterungsfähige Laien, bewegen sich zu ebenso vielen Liedern aus 30 Jahren Popgeschichte und scheren sich wenig um die Bühnenkonventionen. Ein Fest, das den Tanz und das Ende der Fastenzeit feiert.

Absolvent*innen des Lehrgangs Bodhi Project tanzen im ehemaligen Salzlager. © Bernhard Müller.Im stimmungsvoll zum Veranstaltungsort adaptieren Salzlager von Hall gehen sechs Tänzer*innen auf Reisen: „Routes“ (Wege) heißt das Stück, das Guy Nader und Maria Campos (GN/MC) mit den Teilnehmer*innen des Postgraduate-Lehrgangs „Bodhi Project“ im Rahmen der Salzburger Experimental Academy of Dance (SEAD) einstudiert haben. Zwischen den Säulen der alten Saline erforschen sie Zeit und Raum, gemeinsam und getrennt und mit verblüffender Körpertechnik. „Bodhi“ ist ein Begriff aus dem Buddhismus für einen Erkenntnisvorgang. Erkenntnis (Erleuchtung) ist auf dem vom Buddha gelehrten Weg der Erlösung von zentraler Bedeutung. Die gemeinsamen Wurzeln der Bezeichnungen Bodhi und Buddha gehen bis auf das altindische Sanskrit zurück (27. März).

Ebenfalls im Salzlager frönt der Pianist Markus Hinterhäuser (zugleich Intendant der Salzburger Festspiele) dem Klavierspiel. Markus Hinterhäuser, Pianist und Intendant. ©  Franz Neumayr Mit den sechs Klaviersonaten von Galina Ustvolskaya (1947–1988). Beschreibungen und Analysen ihres Werks hat sich die bedeutende russische Komponistin verbeten. „Alle diejenigen, die meine Musik lieben, bitte ich, auf eine theoretische Analyse zu verzichten.“ Hinterhäuser analysiert nicht, er vermittelt Klage und Wut, Schmerz und Hoffnung (2. April).
Und schon probt die Compagnie Massala aus Frankreich im Innsbrucker Congress ihr Stück „Näss“, das heißt „Mensch“. Sieben Männer erinnern sich an folkloristische Tänze aus Marokko, einem Land, das auf der schmalen Brücke zwischen Tradition und Moderne balanciert. "Näss" / "Mensch", eine Choreografie von Fouad Boussouf mit seiner Compagnie Massala.© Charlotte AudureauDer Tänzer und Choreograf Fouad Boussouf stammt aus Marokko und findet diese Brücke in seiner Tanzsprache, in der er sämtliche Idiome vereint. Mit nicht nachlassender Energie bewegen sich die Männer, angetrieben von den hypnotischen, rhythmusbetonten Klängen der Gnawa Musik. Die Gnawa (Französisch: Ggnaoua) sind eine ethnische Minderheit in Marokko, die in einem jährlichen Festival uralte Rituale pflegen. Die klappernden und dröhnenden Laute lassen die Teilnehmer dieses 12stündigen rituellen Festes in Trance geraten, wie möglicherweise auch das Publikum bei der Tanzvorführung von „Näss“ (4. April). Christliche Karfreitagsliturgie in der Herz-Jesu-Basilika in Hall mit den Cantori Gregoriani Milano. 10. April, 15 Uhr.  © zVg

Am Palmsonntag treffen einander die Festivalgäste wieder in der Saline Hall, um dem Pionier der Laute und Spezialisten für Alte Musik Hopkinson Smith und der Mezzosopranistin Tanja Vogrin zu lauschen, die Passionsmusik abseits der üblichen Konzertliteratur entdeckt haben. „Du Leben, meine Hoffnung“ ist der Titel des außergewöhnlichen Konzerts mit Werken von Dowland, Frescobaldi, Monteverdi sowie „Lamentaciones“ der kaum bekannten spanischen Komponisten Bartolomeo Tromboncino (1470–1535) und Pedro Ruimonte (1565–1627) (5. April).
"Sarab" – "Fata Morgana" , eine Choreografie mit der Palästinensischen Zirkusschule aus Ramallah © Veronique VerchevalAm Karfreitag zeigt eine palästinensische Truppe im Innsbrucker Congress, dass auch Artist*innen des Nouveau Cirque, des Neuen Zirkus, Aussagekräftiges vermitteln können. Die körperbetonte Performance erzählt unter dem Titel „Sarab“ (Fata Morgana)“ von der Not der Flüchtlinge und Heimatlosen und deren oft vergebliche Hoffnung auf ein besseres Leben. Das schöne Leben, wissen die Künstler*innen aus Palästina, ist nur eine Illusion, eine Luftspiegelung. Mit dem vom britischen Regisseur Paul Evans Einprägsame Bilder im Neuen Zirkus aus Ramallah: "Sarab". © Veronique Verchevalmit jungen Frauen und Männern der Palestinian Circus School einstudierten Tanzstück tritt das Ensemble seit der Uraufführung 2018 in Ramallah auch in Europa auf. Bei den Osterfestspielen feiern die jungen Künstler*innen der Circus School Österreichpremiere und vermitteln mit ihrem Auftritt, dass Kunst und Kultur dem Frieden gewaltlosen einen Weg bereiten können (10. April). Auch das Prager Barockorchester Collegium 1740 unter Václav Luks, feiert Premiere im Osterfestival. Am Karsamstag spielen die Musiker*innen in Hall Lamentationes (Klagelieder) des böhmischen Komponisten Jan Dismas Zelenka (1679–1754) und ein „Stabat Mater“ von Domenico Scarlatti (11. April).

"The Show must go on", ein Dauerbrenner von Jérôme Bel. © Mussacchio Laniello„Friede?“. Die Frage, ob Frieden möglich sei und was selbst dazu beigetragen werden kann, ist das anregende Motto des heurigen Osterfestivals Tirol, in dem Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt ihren Beitrag zu einer friedlicheren Welt leisten. Das Osterfestival Tirol, gegründet von Maria und Gerhard Crepaz, aktuell geleitet von Tochter Hannah Crepaz, schlägt gekonnt eine Brücke zwischen Tradition und Innovation und präsentiert mit generöser Gastfreundschaft renommierte, dem Festival treu verbundene wie junge, The Show must go on, auch in New York City  Foto: Jérôme Bel / Facebookam Beginn stehende, Künstlerinnen und Künstler. Das traditionelle Festival besucht kaum jemand, um gesehen zu werden, die Gäste kommen, um selbst zu sehen, zu hören, nachzudenken und möglicherweise auch Bodhi / Erkenntnis zu erlangen.

Im abschließenden Tanzprogramm (12. April / Congress Innsbruck) jedenfalls geht es um Wiedererkentnis und Erinnerung, wachgerufen von den populären und immer wieder gern gehörten Songs. Doch die Augen müssen offenbleiben: Auf der Bühne ist Bewegung.

Osterfestival Tirol: Musik, Tanz, Film und Aktionen. Mit Hopkins Smitz, Philippe Herreweghe, Kalja Saariaho, Sarah Maria Sun, Johannes Maria Staud, Markus Hinterhäuser, Jérôme Bel, die Palestinian Circus School, Jamal Hashemi und viele andere. 27. März bis 12. April 2020, Hall i. T. und Innsbruck.
Informationen und Karten: www. osterfestival.at