Skip to main content

Friedrich Ani: Der Narr und seine Maschine, Roman

Friedrich Ani, vielseitiger Autor. © Heike Steinweg / Suhrkamp

Richtig kalt wird mir beim Lesen dieses neuen Romans von Friedrich Ani. Damit man ein wenig Vertrauen fasst, steht als Untertitel, dass diese Geschichte von Narren und seiner Maschine „ein Fall für Tabor Süden“, den Spezialisten für „Vermissungen“ (vermisste Personen), ist. Auch der ist ein Narr, aber ohne Maschine.

Die  Mschine von Friedrich Ani, eine Olympia Monica, frisch geölt. © Suhrkamp Verlag Die im Titel genannte Maschine ist nicht, wie erwartet, ein schnelles, lautes Motorrad, sondern eine langsame und etwas leisere Schreibmaschine. Der Schriftsteller Cornelius Hallig, der für seine Kriminalromane berühmt war. Nachdem er das Schreiben eingestellt hat, ist er in Vergessenheit geraten. Wie Süden, der nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst bei einer Detektei gearbeitet hat, hat auch Hallig genug. Beide wollen sang- und klanglos verschwinden. Doch Süden, der sich am Münchener Hauptbahnhof nicht entschließen kann, in einen Zug zusteigen, wird von seiner ehemaligen Chefin zurückgeholt. Aus dem Hotel, in dem er mit seiner Mutter und dann auch ohne sie, gewohnt hat, ist der Schriftsteller verschwunden. Das Team, das den komischen Kauz mag, ist beunruhigt. Süden beißt an.

Diese kalte, schwarze Geschichte, muss ich, mit heißem Tee und einer Wolljacke etwas gewärmt, unbedingt zu Ende lesen. Ani, der Autor (mit Maschine, einer frisch geölten Olympia Monica), weiß Sätze zu drechseln, die so einfach und präzise sind, dass sie sich in der Leserin verhaken und ich ihnen nahezu willenlos folgen muss. Zwar macht das Ende der Geschichte, von der Details selbst zu lesen sind, weil, wenn Süden draufsteht ja ein Krimi drin ist, nicht gerade happy, aber ein wenig Trost gibt es schon. Am Münchener Hauptbahnhof steht Tabor Süden und wartet. © huffingtonpost.de

Den Schlüssel aber zu dem Roman versteckt der vor 50 Jahren verstorbene Amerikaner Cornell Woolrich (hört man schon die Nachtigall? Cornelius – Cornell.), dessen schwarze Kriminalromane und -gescichten nicht allen bekannt sind, obwohl viele seiner Erzählungen als Vorlage für bekannte Filme gedient haben. Doch Filme werden mit ihren Regisseuren identifiziert, von wem die Vorlage, die Idee zur Geschichte, stammt, steht auf einem anderen Blatt, und meist hat man es schon vergessen, bevor man es gelesen hat. Als Gedächtnisstütze einige Titel aus der Film-Noir-Mediathek: „Zeuge gesucht“ (Regie: Robert Siodmak, 1945), „Das Fenster zum Hof“ (Regie Alfred Hitchcock, 1954) Des Autors Woolrich Maschine, eine Remington portable1 © site.Xavier.edu„Das Geheimnis der falschen Braut“ (Regie François Truffaut, 1969) oder „Martha“ (Regie Rainer Werner Fassbinder, 1974); nach dem Roman „Die Braut trug schwarz“ hat François Truffaut 1968 den gleichnamigen Film mit Jeanne Moreau in der Titelrolle gedreht. Woolrich-Biografie von Francis M. Nevins jr: "First you dream, than you die". © The Mysterious Press, New York 1988

Der deutsche Autor erfolgreicher Kriminalromane Friedrich Ani, geboren 1959, ist ein Verehrer des amerikanischen Autors erfolgreicher Kriminalromane und Kurzgeschichten Cornell Woolrich, geboren 1903. Um das zu bezeugen, stellt er seinem Roman „Der Narr und seine Maschine“ als Motto und Hinweis ein Fragment aus Woolrichs Notizen für seine Autobiografie: „Blues of a Lifetime“ voran. Und weil Ani klug und gefinkelt ist, entsteht nicht nur ein Doppelbild von Woolrichs und der Romanfigur Halligs Leben und Sterben, Buch Cover: "Der Narr und seine Maschine". © Suhrkamp Verlagsondern auch der Schatten davon, der Tabor Süden gehört. Wieviele Böden hat dieser schwarze Koffer?

Lesen wir, was Woolrich in seiner Autobiografie zu sagen hat. Vielleicht wird danach alles klar sein:

Ich habe nur versucht, den Tod zu betrügen. Ich versuchte nur, für eine Weile die Dunkelheit zu überwinden, die ich mein ganzes Leben lang gut genug gekannt habe, damit sie nicht eines Tages über mich hereinbrechen und mich auslöschen würde. Ich habe nur versucht, noch eine kleine Weile am Leben zu bleiben, nachdem ich schon gegangen war. Im Licht zu bleiben, mit den Lebenden zu sein, ein wenig über meine Zeit hinaus. Ich liebte sie beide so. Den Narren und seine Maschine. Ja, ein Narr und seine Maschine.

Frei übersetzt aus dem Original, zitiert von Friedrich Ani aus Cornell Woolrichs Autobiografie  „Blues of a Lifetime“.

Friedrich Ani: „Der Narr und seine Maschine“, Suhrkamp, 2018. 143 S. € 18.50.