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Das Ende der Unschuld

Davide Longo fotografiert von Paolo-Giagheddu

Davide Longo, einer der wichtigsten Literaten der jungen Generation Italiens, geboren im piemontesischen Carmagnola, jüngster Roman liest sich wie ein Krimi, ist aber ein Nachdenken über die dunklen Kammern der menschlichen Seele, über die Verbindung von Opfer, Täter und Ermittler. Im „Fall Bramard“ ist das Opfer zugleich der Ermittler. Die kraftvolle Poesie der Sprache, die atmosphärische Dichte der einprägsamen Bilder, die Gedankenwelt der Hauptperson bleiben lange im Gedächtnis haften.

Dem erfolgreichen jungen Kommissar Corso Bramard hat ein Serienmörder Frau und Tochter genommen, er hat den Beruf aufgegeben, sucht den Tod in waghalsigen Nachtspaziergängen in den Piemonteser Bergen. Der Tod meidet ihn, doch der Feind meldet sich immer wieder. Auch 20 Jahre nach dem Tod von Michelle und dem Verschwinden der Tochter bekommt Bramard kleine Zettel mit Zitaten aus Leonard Cohens Liedgedicht „Story of Isaac“.

Der Autor will, dass die Leserin den Täter kennt, einen Süchtigen, süchtig nach Schönheit. Die tote Michelle, sein letztes Opfer, wird nackt gefunden, ein Muster in den Rücken geritzt, die schwarzen Haare ringsum verstreut. Ein Anblick wie gemalt. Schön! Bramard lässt dieses Bild nicht los. Er  hat erkennen müssen, dass er „dort wo der Mensch, der er zu sein glaubte, nur Grauen hätte sehen können, … die Schönheit entdeckt hat.“ Mit dieser Erkenntnis, ist Bramard an „das Ende der Unschuld“ gekommen. Im Leben jedes Menschen, so meint er, gibt es diesen Punkt, an dem sich die letzte Kammer öffnet und man erkennt, dass man ein anderer ist. © rowohlt/ iStockphoto.com

Wie in seinem Roman „Der Steingänger“ (Original:  „Il Mangiatore di Pietre / Der Steinefresser“) bewegt sich auch im „Fall Bramard“ die Hauptperson in der schroffen, düsteren Landschaft des bergigen Piemont. Die Hauptstadt Turin ist fremd, unwillig begibt sich der jetzt als Lehrer arbeitende Exkommissar dort hin. Wie Bramard selbst machen auch die anderen Personen – sie werden nicht vorgestellt, sind einfach da, verschwinden wieder – wenig Worte.

Auch Longo selbst schwätzt nicht, lakonisch mit poetischer Dichte erzählt er von Bramards Sehnsucht, den Täter zu erkennen und seinem Erschrecken darüber, dass er ihn versteht. Der Roman liest sich spannend wie ein Krimi, doch ist die Spannung nur Beiwerk, Leseglück beschert die Schönheit, die Schönheit der Bilder im Zwielicht, der leisen Zwischentöne und auch die Schönheit der Sprache des Autors.

BuchcoverFazit: Eine dunkle Parabel über die Suche nach Schönheit und Glück und deren Nähe zum Verbrechen. Auf der Suche nach dem Täter findet der Kommissar sich selbst. Hochklassige Literatur mit Spannungseffekt.

 Davide Longo: Der Fall Bramard, übersetzt von Barbara Kleiner, Rowohlt 2015. 320 S. € 20,60.

 

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