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Bruno Pellandini: „Dieses altmodische Gefühl“

Der Autor fotografiert von Reinhard Winkler © www.reinhardwinkler.at

Der Schriftsteller und Dramatiker Bruno Pellandini, geboren 1966 in St. Gallen, lebt seit mehr als 20 Jahren in Wien. Mit seinem jüngsten Roman hat er den Echtheitstest bestanden: Pellandini ist längst ein Wiener mit Charme und Witz und guter Ortskenntnis. Die romantische Geschichte zwischen Pernilla und Ildefons ist köstlich wie das Nougatkonfekt, dessen Namen der männliche Protagonisten trägt: Ildefonso.

In der U-Bahn fällt dem Architekten und Bauunternehmer Ildefons Krehmayer eine aparte Dame auf. Sie dürfte so zwischen sechzig und siebzig sein. Er meint sie zu kennen, nickt ihr zu. Sie sieht ihn gar nicht. Doch wenig später begegnet er ihr leibhaftig, weil ihr buchstäblich die Decke auf den Kopf gefallenist. Ildefons’ Unternehmen arbeitet im Stockwerk darüber, er ist für den Schaden verantwortlich. Die Betroffene ist, zu seinem Erstaunen, die Unbekannte aus der U-Bahn. Und bald weiß er, es ist die berühmte ehemalige Burgschauspielerin Pernilla Brigido. Ildefons ist fasziniert von der humorvollen kapriziösen Frau. Anfangs sind es die Aufräumarbeiten seines Unternehmens in ihrer Wohnung, die ihm einen Vorwand für Besuche mit Blumen bieten. Später läutet er ohne Grund an ihrer Tür und die Brigido lässt es sich gefallen.

Während in dem mehr als zwanzig Jahre Jüngeren das Begehren wächst, hält ihn die Schauspielerin an der langen Leine, lässt ihn zwar spüren, dass sie ihn gernhat, ihn aber nicht braucht. Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen auch ihr klar ist, dass der Funke übergesprungen ist. Pernilla aber kokettiert mit ihrem Alter, ist launenhaft und anstrengend, Ildefons fühlt sich ohnmächtig, meint die Bärenkräfte nicht mehr aufzubringen, die er braucht, um sich mit Pernilla anzulegen. Die Wallfahrtskirche auf Zelená Hora ©  Jerzy Strzelecki

Überdies mischt sich Familie und Freundeskreis der Dame ein, ihre enge Bekanntschaft mit Ildefons erregt Unwillen. Doch sie hat zu viel Freude an der Begegnung, fühlt sich jünger, will wieder theaterspielen, obwohl sie der Bühne längst offiziell den Rücken gekehrt hat. Auf und ab geht es mit dieser Liebe und dem Leben. Pernilla erleidet einen Schwächeanfall, kaum hat sie sich erholt, baut Ildefons einen Autounfall und bricht sich den Knöchel. Mit dem Bauunternehmen geht es bergab. Er wird es verkaufen, frei sein. Man bleibt beim Sie und rückt einander doch immer näher. Sie nennt ihn jetzt Illo. Er darf sie ins Haus im Weinviertel begleiten, dort übernachten, alles in Ehren. Gemeinsam unternehmen die beiden auch eine eine kleine Reise über die Grenze, nach Tschechien. Getrennte Zimmer inbegriffen.

Der gotische Barockbau, ein lohnendes Ausflugsziel  © Arciv Das Paar besucht die im gotischen Barock (sic!) erbaute Wallfahrtskirche des hl. Nepomuk auf Zelená Hora (Grüner Berg), nahe der tschechischen Stadt Žďár nad Sáza (Saar). Ein architektonisches Unikum. Ein Kollege Ildefons’, der Prager Architekt Johann Blasius Santini Aichl hat sie im 18. Jahrhundert entworfen. Aufwühlend schön ist diese Anlage. Auch Pernilla ist hingerissen. Illo, sieht seine Chance gekommen, versucht die von ihr vorgegebenen Grenzen zu ignorieren.
Fast scheint es, als wäre alles aus.

Doch zu schön ist das Spiel auch für sie. Was in der U-Bahn begonnen hat, endet keineswegs unter den Kirschbäumen, wo Pernilla vergnügt wie ein Kind die süßen Früchte pflückt. Bald ist ihr 70. Geburtstag, sie will ihn nicht feiern, doch er wird ihr ein Fest geben. Ganz altmodisch, sehr barock. Bruno Pellandini, Autorenfoto von  Gisela Stiegler

Der Icherzähler hat Humor, ist selbstkritisch und ein guter Beobachter, wie wohl auch der Autor. Er, der Autor natürlich, kennt sich nicht nur in Wien aus sondern auch in Tschechien. Die Wallfahrtskirche des hl. Johannes von Nepomuk auf Zelená Hora – seit 1994 ist die Anlage mit dem Etikett Weltkulturerbe versehen – ist tatsächlich eine Reise wert. Es muss ja nicht unbedingt eine Liebesreise sein.

Eine vergnügliche Geschichte einer ganz anderen Liebe in Wien, klug, witzig und köstlich altmodisch, obwohl, oder besser weil, sie ganz auf die ohnehin langweiligen Bettszenen verzichten kann.

Buchcover © Residenz Verlag Übrigens das eingangs genannte berühmte Wiener Praliné ist nach dem Erzbischof von Toledo, Ildefonso (607–667), benannt. Auf einer Spanienreise ließ sich die Schokoladefamilie Victor Schmidt & Söhne von der Kirche San Ildefonso in Toledo so beeindrucken, dass der Konfektmeister der 1880 von ihm erfundenen Süßigkeit, wie es damals in Mode war, einen Vornamen gab: Ildefonso. Pardon für die Abschweifung, doch welche Wienerin denkt beim Vornamen Ildefons nicht an sieben Schichten Nougat – und zugleich an die Ziffern auf der Waage!

Bruno Pellandini: "Dieses altmodische Gefühl", Residenz 2016. 272 S. € 22.