Barbara Beuys: „Helene Schjerfbeck“, eine Biografie
Die erste umfassende Biografie der großen schwedischen Malerin Helene Schjerfbeck. Barbara Beuys hat intensiv recherchiert, hat mit Zeitzeuginnen gesprochen, Briefe studiert und die Orte, an denen Helene Schjerfbeck gelebt und gearbeitet hat, besucht. Eine erstaunliche, spannende Geschichte über eine bedeutende Künstlerin und ihren Lebensraum, die außerhalb Skandinaviens noch zu wenig bekannt ist.
2014 hat die Frankfurter Schirn-Kunsthalle eine Ausstellung des späten Werks Schjerfbecks, vor allem Porträts, gezeigt. Ein Glück für alle, die die Retrospektive sehen durften. Sie werden die intensiven einzigartigen Bilder von Helene Schjerfbeck nicht vergessen. Schade, dass das Katalogbuch ist bereits vergriffen ist.
Helene zeichnete und malte schon als kleines Mädchen. Die Eltern erkannten ihr Talent, der Finnische Kunstverein nahm die Elfjährige unentgeltlich als Zeichenschülerin auf. 1879, da ist Helene 17 Jahre alt, wird sie zur jährlichen Kunstausstellung in Helsinki eingeladen. Ein Jahr darauf zeigt sie das auch heute noch bewunderte Bild „Verwundeter Krieger im Schnee“. Danach kann sie sie mich mit einem staatlichen Stipendium einen Traum erfüllen: Sie reist nach Paris. Im heiß diskutierten Pariser Salon hängt 1883 ein Bild von Helene Schjerfbeck.
Ohne Brüche verläuft ihr langes Leben (1862–19469) keineswegs, denn Helene – getauft auf Helena Sofia, einen Namen, den sie nicht mochte – musste sowohl in ihrer künstlerischen Karriere wie auch im Privatleben mancherlei Rückschläge und Kränkungen erdulden. Ist sie doch mitten in eine aufregende Zeit hinein geboren: Finnland ringt um seine Selbstständigkeit, um sein Nationalgefühl, um eine eigene Kunst und Kultur. In jener Zeit, kurz vor der Jahrhundertwende, ist das Kalevala, das finnische Nationalepos, entstanden, später hat Jean Sibelius (1885–1957) seiner Heimat die Musik geschenkt. Immer wieder wurde von den Künstler_innen verlangt, sich dem Gebot der Stunde zu beugen, Heldengedichte zu schreiben, Heldenbilder zu malen. Helene widersetzte sich, sie malte was sie malen musste. Porträts von Kindern, Frauen, Männern, immer wieder Selbstporträts und Lanschaften. Ungern nahm sie auch im hohen Alter Aufträge an, ließ sich aber weder in Technik noch in Inhalt drein reden. Ihrer und ihrer Kolleginnen, von denen einige enge Freundinnen waren, Karriere war dennoch hilfreich, dass Finnland in Fragen der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern, mit Riesenschritten vorangegangen ist. Als erstes europäisches Land führte Finnland bereits 1907 das Frauenwahlrecht, aktiv wie passiv, ein. 19 Frauen zogen ins neue Parlament ein. Während deutsche Künstlerinnen noch Blumen und Landschaften malen mussten, erhielten finnische Künstlerinnen problemlos Zugang zu den Aktklassen. Diese moderne Offenheit kam Helene Schjerfbecks zugute, wenn auch der Konkurrenzneid männlicher Kollegen, mitunter hämische Kritiken produzierte. Die Kränkungen wurden jedoch durch Anerkennung und späte Verkaufserfolge wett gemacht.
Für Barbara Beuys ist die Geschichte Finnlands von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eng mit Schjerfbecks Leben und ihrer Kunst verbunden. Auch wenn die Malerin selbst sich wenig für Politik interessiert hat, wusste sie Bescheid, war von Krieg und Hunger betroffen. Helene Schjerfbeck war durch eine Kinderlähmung-Erkrankung gehbehindert und kränkelte leicht, was sie kaum daran hinderte zu arbeiten. Eine Frau, die ihr Ziel mit eiserner Disziplin verfolgt hat, sich nicht von ihrem Weg abbringen ließ und Bilder geschaffen hat, die heute so zeitgemäß sind wie zur Zeit ihrer Entstehung. Im wahrsten Sinn des Wortes eine künstlerin der Moderne.
Barbara Beuys hat ein Faible für tapfere Frauen, die kompromisslos ihren eigenen Weg gehen, von dem sie keine Ablehnung, kein Tort abbringen kann. So hat sie eindrucksvolle Biografien der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, der Malerin Paula Modersohn-Becker oder der Widerstandskämpferin Sophie Scholl geschrieben.
Deutlich ist die Liebe zu ihren Personen zu spüren, doch das führt auch zu einer Art Heldinnen-Verehrung, sodass die Schattenseite ihrer Protagonistin nur angedeutet werden. Helene Schjerfbeck selbst, so beschreibt sie Beuys, war eine kritische Künstlerin und selten mit sich zufrieden. Viele Bilder hat sie Jahre später wieder gemalt.
Auch dass sie in ihrem Privatleben wenig Glück hatte und erst nach dem Tod der obsessiven Mutter wirkliche Freiheit erlangt hat, konnte sie nicht am Malen hindern.
Ein bemerkenswertes Buch über eine bemerkenswerte Frau und Künstlerin.
Barbara Beuys: „Helene Schjerfbeck. Die Malerin aus Finnland“, Insel, 2016, 464 € 30,80